18 Quadratmeter Wohnfläche. Zwei Stahlbetten 1,90 mal 80 Zentimeter mit Matratze, zwei Blechspinde in der Ecke. Ein kleiner Tisch, ein Stuhl. Zur Toilette geht es nach draußen, ebenso wie zu den Duschen. Die Gemeinschaftsküche liegt auch außerhalb. Einziger Luxus, wenn man diesen Begriff in diesem Zusammenhang verwenden will: Ein Kühlschrank, der in der Ecke steht.
30 Geflüchtete aus Afghanistan und der Türkei, vorwiegend Frauen mit Kindern im Grundschulalter oder älter, werden hier frühestens Mitte Dezember einziehen. Sie waren bislang im Übergangswohnheim in Wolfertschwenden untergebracht, in einer sogenannten Thermohalle, einem großen Zelt. Die Unterbringung dort war mit Sicherheit noch schwieriger, Privatsphäre praktisch unmöglich.
Die grauen Wohncontainer stehen seit einigen Tagen an der Hochstraße/Ecke Ramminger Straße – der erste von drei Standorten, wo in Türkheim Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Der Standort beim Festplatz/Freibad soll in den nächsten Wochen fertig werden, als letzter ist dann Türkheim-Bahnhof an der Reihe, vermutlich im Januar. Insgesamt werden dann rund 100 Personen in Türkheim ein neues Zuhause finden.
Einem Asylbewerber stehen sieben Quadratmeter Wohnraum zu
Bezahlt wird das alles vom Freistaat Bayern, die Gemeinde Türkheim bekommt vom Landkreis sogar eine kleine, symbolische Miete für die drei Flächen. Pro Container sollen zwei Personen untergebracht werden. Grundsätzlich stehen einem Asylbewerber sieben Quadratmeter Wohnraum zu. Zehn Personen teilen sich dann einen Herd und eine Waschmaschine oder Trockner. Bei 32 Personen sind es also vier Herde, vier Waschmaschinen und vier Trockner. Die Container werden standardmäßig mit einer Elektroheizung beheizt.
Als bekannt wurde, dass auch in Türkheim Flüchtlinge aufgenommen werden müssen, schlugen zunächst die Wogen in der Türkheimer Bevölkerung hoch, insbesondere im Ortsteil Bahnhof. Sogar eine Sargnachbildung samt Todesanzeige wurde von Unbekannten im Schutze der Dunkelheit angebracht. Der Staatsschutz ermittelte, Täter konnten aber nicht gefunden werden. Nach zwei sehr turbulenten Info-Abenden im „Blitzschwob“ in Türkheim-Bahnhof hatte die Marktgemeinde reagiert und im April eine groß angelegte Bürger-Info in der Sieben-Schwaben-Halle einberufen. „Nur gemeinsam kriegen wir das hin!“, machte Bürgermeister Christian Kähler deutlich und bewies mit seinem Gemeinderat demonstrative Geschlossenheit.
Der Gemeindespitze war es wichtig, eine schlimmstenfalls drohende Unterbringung von Flüchtlingen in der Turnhalle beim Gymnasium zu verhindern. Aber klar war auch: Türkheim kann sich nicht länger drücken, muss Geflüchtete aufnehmen, das Landratsamt machte entsprechend Druck auf die Kommunen. Den Verantwortlichen im Rathaus war also klar, dass sie unter Zugzwang stehen – und von der Idee einer zentralen Einrichtung, also einer „Thermohalle“, auf der grünen Wiese war keiner begeistert.
Drei Standorte für Wohncontainer statt „Thermohalle“ als zentrale Einrichtung
Es blieb nur die Variante, sich nach mehreren, dezentralen und damit auch kleineren Unterbringungsmöglichkeiten umzusehen. Mehrere Vorschläge wurden geprüft, auch Gebäude im Ortskern, und wieder verworfen, bis am Ende die drei Standorte für Wohncontainer Hochstraße, Festplatz und Bahnhof übrigblieben. Jeweils rund 30 Personen, das müsse doch zu schaffen sein, so der Tenor im Gemeinderat und auch bei der überwiegenden Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Bürger-Info.
Der Marktgemeinderat stellte danach flugs die bürokratischen Weichen und blickt jetzt mit einiger Spannung auf den Moment, wenn dann tatsächlich die ersten Neu-Türkheimerinnen mit ihren Kindern in das Containerdorf an der Hochstraße einziehen werden. In den örtlichen Kindergärten und Schulen wurden die organisatorischen Voraussetzungen ebenfalls schon geschaffen, um die Kinder aufnehmen zu können. Viele Helferinnen und Helfer warten laut Bürgermeister Kähler schon darauf, um den Flüchtlingen helfen zu können. Ob sich daraus dann – wie bei der ersten Flüchtlingswelle im Jahr 2015 – wieder ein „Helferkreis“ bilden werde, sei zwar noch nicht ganz sicher. Vonseiten der Marktgemeinde gab es dafür aber schon im Vorfeld jede Unterstützung.
Bürgermeister Christian Kähler und Landrat Alex Eder – selbst ein Türkheimer – besuchten jetzt die 16 Wohncontainer an der Hochstraße. Und bei der Besichtigung wurde schnell klar: Die Unterbringung auf den 18 Quadratmetern ist zweckmäßig, nüchtern und spartanisch. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Für die Betreuung der Containerdörfchen ist ein Mitarbeiter des Landratsamts zuständig.
Landratsamt Unterallgäu ist für Unterbringung von 2300 Geflüchteten zuständig
Noch stehen die Container leer, es ist kalt und Kähler und Eder öffnen die Blechspinde und schauen in der Küche auch mal in die noch leeren Schubladen. Eder macht deutlich, dass er sehr erleichtert ist, dass jetzt auch Türkheim eine Unterbringung von Geflüchteten ermöglicht. Denn noch im Sommer war der Druck auf das Landratsamt weitaus größer, weiß auch Tobias Ritschel, der Leiter der Ausländerbehörde für das Unterallgäu. Gemeinsam mit Sarah Seifert, Leiterin der Abteilung „Öffentliche Sicherheit und Ordnung, Kommunales“ und dem gesamten Team ist das Landratsamt für die Unterbringung von derzeit rund 2300 Männern, Frauen und Kindern zuständig, die aus ihren Heimatländern flüchten mussten und in Deutschland Schutz suchen, davon leben derzeit 600 Personen in reinen Notunterkünften.
In der schwierigsten Phase waren pro Woche bis zu 50 Personen im Unterallgäu unterzubringen – eine Mammutleistung, wie sie freilich in fast allen bundesdeutschen Kommunen geleistet werden musste. Inzwischen sind es pro Woche höchstens noch 20 Flüchtlingen, die dem Landkreis Unterallgäu von der Regierung von Schwaben zugewiesen werden. Doch von einer Entwarnung kann und will keiner reden, zu schwierig ist die politische Situation in Syrien, Afghanistan und der Türkei, von wo die meisten Flüchtlinge stammen. Zudem sollten die Notunterkünfte keine Dauerlösung sein - das Landratsamt setzt auf dezentrale Unterkünfte wie in Türkheim.
Bald wird Türkheim also drei solche Container-Dörfchen haben und Rathauschef Kähler hofft, dass sich dann durch die ersten zwischenmenschlichen Kontakte auch manche Aufregung legen wird. Davon, dass seine Marktgemeinde mit der jetzt gefundenen dezentralen Lösung auf drei Standorten sogar zum Vorbild für andere Kommunen im Landkreis werden könnte, will Kähler nichts wissen. Jede Gemeinde müsse den für ihre Bürgerinnen und Bürger besten und verträglichsten Weg finden, um Flüchtlingen eine neue Heimat bieten zu können. Kähler ist erstmal froh, dass seine Gemeinde dafür die wesentlichen Entscheidungen getroffen hatte. Zumindest vom Landrat gibt es dafür ein dickes Lob: Türkheim habe es schließlich „aus eigener Kraft“ geschafft, Lösungen zu suchen und zu finden und hat damit den Landkreis bei dieser schwierigen Aufgabe unterstützt. Dieses Engagement würde sich Landrat Alex Eder ganz offensichtlich auch in anderen Kommunen im Unterallgäu wünschen.
Im Grunde genommen ist es einfach ein Wahnsinn, welche Ressourcen hier für Personen aufgebraucht werden, die auf legalem Wege laut europäischem Asylsystem niemals in Deutschland ein Bleiberecht bekämen.
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