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Türkheim: Kontroverse Diskussion im Gemeinderat: Wo ist Platz für Flüchtlinge in Türkheim?

Türkheim

Kontroverse Diskussion im Gemeinderat: Wo ist Platz für Flüchtlinge in Türkheim?

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    Wo könnte in Türkheim Platz für eine Notunterkunft für Flüchtlinge geschaffen werden? Diese Frage schlägt in Türkheim hohe Wellen.
    Wo könnte in Türkheim Platz für eine Notunterkunft für Flüchtlinge geschaffen werden? Diese Frage schlägt in Türkheim hohe Wellen. Foto: Benedikt Dahlmann (Symbolbild)

    “Man kann nicht gegen den massiven Protest der Bürger Geflüchtete unterbringen. Das entbindet uns trotzdem nicht von der Verpflichtung, Unterbringungsmöglichkeiten zu suchen.“ Mit diesen Worten fasste Zweiter Bürgermeister Franz Haugg (Freie Wähler) auf der Sitzung des Gemeinderates am Mittwochabend das Dilemma der Gemeinde Türkheim zusammen. Es geht um die Frage: Wo könnte in

    Etwa 120 Gäste bei der Diskussion im Gemeinderat Türkheim

    Das Interesse an der Thematik war sehr groß – etwa 120 Zuhörer drängten sich im Sieben-Schwaben-Saal der Ludwig-Aurbacher-Mittelschule. Bürgermeister Christian Kähler machte gleich zu Beginn deutlich, dass zum Thema Standort an diesem Abend kein Beschluss gefasst werde. Zur Debatte stand ein Grundstück am Türkheimer Bahnhof und ein Grundstück im Bereich Ettringerstraße/Angerstraße, dort, wo der neue Bauhof entstehen soll. „Es gibt derzeit kein Gebäude, das der Gemeinde gehört und leer steht, also haben wir dem Landratsamt diese beiden Grundstücke angeboten“, so Kähler. 

    Nach dem Königsberger Schlüssel, der die Verteilung der Flüchtlinge regle, aber auf kommunaler Ebene keine Anwendung finde, müsste Türkheim 165 Geflüchtete aufnehmen. Geplant sei zunächst ein Thermozelt mit 100 Geflüchteten für ein halbes Jahr mit der Option auf Verlängerung, am Standort Gewerbegebiet könnte auch eine Containersiedlung mit einer Laufzeit von drei Jahren entstehen. „Auch wenn das Landratsamt das Grundstück im Gewerbegebiet favorisiert, ist der Platz beim Bahnhof noch nicht aus dem Rennen“. 

    Anwohner protestieren gegen Flüchtlingsunterkunft am Bahnhof Türkheim

    Walter Fritsch (SPD) sprach sich aufgrund der massiven Anwohnerproteste gegen den Standort Türkheim Bahnhof aus, doch auch der alternative Standort sage ihm nicht zu. „Damit würde der Standort für unseren neuen Bauhof infrage gestellt. Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern. Der jetzige Bauhof ist eine Zumutung.“

    Jens Gaiser (CSU) lehnte ebenfalls beide Standorte ab und schlug ein Ratsbegehren vor. „Diese Entscheidung betrifft das komplette Leben jedes Türkheimer Bürgers, da sollten auch die Bürger entscheiden.“ An Bad Wörishofen habe man ein schlechtes Beispiel einer Flüchtlingsunterkunft direkt vor Augen. 

    Kähler gab zu bedenken, dass ein Ratsbegehren etwa drei bis vier Monate dauern würde und im Falle einer Zwangsbelegung nichts nützen würde. „Mit einer Massenunterkunft schaffen wir uns nur Probleme,“ so die Ansicht von Michaela Vaitl-Scherer, (Wählervereinigung). 

    „Wollen wir den gleichen Fehler wie Bad Wörishofen machen?“ Man dürfe sich nicht vom Landratsamt unter Druck setzen lassen. „Ich plädiere für dezentrale Unterkünfte!“ Kähler hielt dem entgegen, dass es keine dezentralen Unterkünfte gebe und ermutigte die Bürger, Leerstände dem Landratsamt zu melden. 

    Grüne

    fordert Verständnis für die Geflüchteten

    Hatte es bei den vorigen Redebeiträgen immer wieder Beifall von den Zuhörern gegeben, der von Kähler stillschweigend geduldet wurde, musste der Bürgermeister bei der Wortmeldung von Gudrun Kissinger-Schneider (Bündnis 90/Die Grünen) erstmals eingreifen und die lautstarken Unmutsäußerungen unterbinden. 

    Schneider forderte mehr Verständnis und Empathie für die Geflüchteten. Deutschland habe schon immer Geflüchtete aufgenommen, wichtig sei, diese zu integrieren und einer Isolierung entgegenzuwirken. „Es gibt keine Willkommenskultur mehr, ich bin beschämt über die anonymen Briefe, die uns in den letzten Wochen erreicht haben und die Hetze in den sozialen Medien. „Man muss wieder einen guten Helferkreis mit einem bezahlten Koordinator aufbauen.“ 

    Myriam Erhardt (Wählervereinigung) äußerte Verständnis für die Ängste der Menschen und erinnerte an die erste Flüchtlingswelle, die man dank des Helferkreises sehr gut gemeistert habe. „Integration ist über die Sprache und Arbeit zu schaffen.“ 

    Gut sechs Jahre lang war Myriam Erhardt das "Gesicht" des Helferkreises Türkheim.  Der kann auf eine lang andauernde, erfolgreiche Integrationsarbeit für Flüchtlinge in Türkheim zurückblicken.
    Gut sechs Jahre lang war Myriam Erhardt das "Gesicht" des Helferkreises Türkheim. Der kann auf eine lang andauernde, erfolgreiche Integrationsarbeit für Flüchtlinge in Türkheim zurückblicken. Foto: Sabine Schaa-Schilbach

    Dass die jetzige Situation nicht mit der von 2015 zu vergleichen sei, war die Ansicht von Stefan Gaschler (CSU): „Die Zeiten für die Bürger haben sich geändert." 

    Man habe mit Preis- und Zinssteigerungen und der allgemeinen Unsicherheit zu kämpfen. „Wir können nicht Mutter Teresa für die ganze Welt spielen, es sind einfach zu viele, die da kommen.“ Er habe keine Probleme mit Familien, die vor dem Krieg fliehen. „Doch wer da alles kommt …“ 

    Diese Thematik griff Marcus Jakwerth (Freie Wähler) auf. „Wir müssen die Ängste der Leute wahrnehmen. Wenn bei den hundert nur zehn dabei sind, die sich danebenbenehmen, ist das schon zu viel.“ 

    Landrat Alex Eder will eigentlich keine Turnhallen belegen

    Einstimmig wurde dem anwesenden Landrat Alex Eder (Freie Wähler) das Rederecht zum Schlusswort erteilt. Er stellte klar, dass die Gesamtsituation auch für ihn „nicht toll“ sei. „Wir können hier aber nicht die aktuelle Bundespolitik diskutieren.“ Das Landratsamt müsse die Geflüchteten unterbringen. „Wir wissen doch auch nicht, wohin mit den Leuten.“ Keiner wolle dabei gemeindliche Turnhallen belegen. 

    „Doch wenn uns die Regierung zum Handeln zwingt, kommen wir unter Umständen an einer Beschlagnahme nicht vorbei“, so Eder. Da sei es doch besser, die Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der Kommune zu nutzen, als vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Auf Nachfrage erklärte Eder, eine Beschlagnahme der Turnhalle des Gymnasiums könne auch ohne Zustimmung des Zweckverbandes geschehen. „Bitte schimpfen Sie nicht auf das Landratsamt, sondern wenden Sie sich an unsere Abgeordneten in Berlin. Das ist die richtige Adresse für Proteste“, so Eder abschließend. Wie angekündigt wurde der Tagesordnungspunkt ohne Beschlussfassung beendet.

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