Das ist klar: Egal wo ein möglicher Standort für eine Notunterkunft für Flüchtlinge geplant oder auch nur angedacht wird – der Protest von Anliegern und weiteren „Betroffenen“ ist sicher. Das wissen auch die Türkheimer Gemeinderäte und scheuten sich dennoch nicht, in der Donnerstagssitzung erneut dieses heiße Thema anzupacken. „Ich will mir nicht vorwerfen lassen, untätig zu sein und den Kopf in den Sand zu stecken“, machte Bürgermeister Christian Kähler erneut deutlich, dass dieses Problem zwar nicht gerade sein Lieblingsthema ist, er und seine Gemeinde aber unter Zugzwang stehen.
Das zuständige Landratsamt hat ihn immerhin schriftlich dazu aufgefordert, noch im ersten Quartal – also bis spätestens Ende März – eine Lösung anzubieten. „Und das erste Quartal hat ja schon begonnen“, verwies Kähler auf einen gewissen Zeitdruck. So entwickelte sich eine lebhafte und ernsthafte Diskussion im Türkheimer Gemeinderat, die sich allerdings irgendwo zwischen Rat- und Hilflosigkeit bewegte. Denn die Markträtinnen und Markträte wissen auch: „Wenn wir uns ehrlich machen, müssen wir zugeben: Eigentlich haben wir nichts anzubieten“, fasste Jens Gaiser (CSU) das Türkheimer Dilemma zusammen.
Egal wo in Türkheim eine Notunterkunft für Flüchtlinge geplant ist: Die Proteste sind sicher
Klar ist auch: Auf den beiden bislang diskutierten Grundstücken beim Bahnhof und neben dem geplanten Bauhof lehnt die Gemeinde Türkheim eine „Zeltlösung“ zur vorübergehenden Unterbringung von Flüchtlingen ab. Dafür haben nicht zuletzt die massiven Anwohnerproteste gesorgt, nachdem unsere Zeitung erstmals über diese Überlegungen berichtet hatte. Doch ganz aus dem Rennen sind diese beiden Standorte immer noch nicht, wie auch bei der jüngsten Sitzung des Türkheimer Gemeinderates deutlich wurde. Zwar sei eine derart massive Belegung mit bis zu 100 Personen dort nicht vermittelbar – aber es könnten auf beiden Grundstücken durchaus kleinere Einheiten, etwa mit Containerwohnungen, für maximal rund 30 Personen errichtet werden.
Händeringend, mit einem hörbaren Hauch der Verzweiflung, bat Bürgermeister Kähler daher um weitere realistische Vorschläge für denkbare Lösungen. Idealerweise sieht Kähler mehrere „dezentrale“ Standorte – also Häuser und/oder Wohnungen, wo mehrere Personen und Familien ein neues Zuhause finden können. Und Kähler weiß auch, dass dies nicht wirklich eine „Übergangslösung“ von ein bis drei Jahren sein werde, wie das vom Landratsamt geplant ist. Er rechnet aus Erfahrung vielmehr mit „mindestens fünf Jahren oder mehr“, in denen diese Standorte dann als Flüchtlingsunterkünfte genutzt werden.
Schnell fokussierte sich die Diskussion dann auf das sogenannte Heglerhaus, einem Nebengebäude der Mittelschule. Dieses Gebäude gehört der Gemeinde Türkheim und steht leer, müsste allerdings etwas „hergerichtet“ werden, um dann einigen Flüchtlingsfamilien ein Zuhause sein zu können. Bedenken, dass es unmittelbar neben der Mittelschule zu Problemen kommen könnte, wischte Dritte Bürgermeisterin Gudrun Kissinger Schneider (Grüne) beiseite. Als Lehrerin ist sie überzeugt: „Wir haben doch ständig mit Migrationskindern zu tun. Wenn das jemand kann, dann wir!“, brach sie eine Lanze für ihre Kolleginnen und Kollegen und damit auch für diesen Standort. Dort könnten jedoch allenfalls ein Dutzend Menschen untergebracht werden, so eine vorsichtige Schätzung.
Nach dem Königsberger Schlüssel, der die Verteilung der Flüchtlinge regle, aber auf kommunaler Ebene keine Anwendung finde, müsste Türkheim 165 Geflüchtete aufnehmen. Aber mit mindestens 100 Frauen, Männern und Kindern rechnet man im Türkheimer Rathaus – also sind weitere Lösungen dringend gefragt. Angesichts der vielen leer stehenden Häuser in Türkheim sah auch Marcus Jakwerth (Freie Wähler) noch einige Möglichkeiten, denn jetzt gehe es erst mal darum, Räumlichkeiten zu finden: „Die Leute brauchen ein Dach über dem Kopf!“ Er hatte dann gleich noch einen weiteren Vorschlag: Das weitgehend ungenutzte Pfarrheim könnte doch von der Kirche zur Verfügung gestellt werden. Immerhin, so Jakwerth, sei dort ja immer wieder „die Rede von Nächstenliebe und Barmherzigkeit“. Das könne es doch ein positives Signal sein, wenn die Kirche hier Wohnraum für Flüchtlinge zur Verfügung stelle. Tatsächlich habe er auch schon daran gedacht und Dritte Bürgermeisterin Gudrun Kissinger-Schneider habe diesbezüglich auch schon beim katholischen Ortspfarrer Martin Skalitzky angefragt, so Bürgermeister Kähler. Doch der habe darauf verwiesen, dass nicht er vor Ort, sondern nur die Diözese in Augsburg solche Entscheidungen treffen könne.
Sind Container für maximal 30 Flüchtlinge die Lösung in Türkheim
Nach und nach purzelten weitere Standortvorschläge aus den Gemeinderäten heraus: Container am Parkplatz in der Hochstraße etwa. Der sei zwar als Parkplatz für Berufspendler gedacht, werde aber nicht wie erhofft genutzt und stehe weitgehend leer. Fünf bis sechs „kleine Container“ seien hier durchaus vorstellbar. Gleiches gelte für den Parkplatz beim Sportpark. Vielleicht könnte es helfen, wenn die Verwaltung die Besitzer der vielen leer stehenden Gebäude direkt anschreibt, wie Gudrun Kissinger-Schneider vorschlug. Bürgermeister Kähler war wenig begeistert von dieser „Mammutaufgabe“ – er weiß auch genau, warum: „Sobald bekannt wird, wo eine Lösung angedacht wird, wird es Tumulte geben.“ Die Immobilienbesitzer sind daher entsprechend zurückhaltend: „Die Leute haben Angst, angesprochen und öffentlich bekannt zu werden“, weiß auch Zweiter Bürgermeister Franz Haugg (Freie Wähler).
Für Kähler war es wichtig, dass seine Gemeinde gegenüber dem Landratsamt deutlich macht, wirklich ernsthaft nach Lösungen zu suchen: „Bitte alle mitüberlegen“, so sein Wunsch an die Türkheimerinnen und Türkheimer. Jens Gaiser (CSU) zeigte dann das Dilemma auf: Trotz all der genannten Ideen habe der Türkheimer Gemeinderat noch immer keinen ernsthaften Standortvorschlag: „Wir brauchen die Grundakzeptanz“, so Gaisers Appell an die gesamte Bevölkerung. Und auch Franz Haugg hört oft diesen Satz, wenn er Immobilienbesitzer anspreche: Man habe „zwar nichts gegen Flüchtlinge. Aber nicht in meiner Nachbarschaft …“
Damit will sich Bürgermeister Kähler nicht zufriedengeben: „Wir suchen wirklich nach guten Lösungen, aber es ist schon sehr, sehr schwierig.“ Für ihn stehe aber ganz oben auf der Prioritätenliste, der Forderung des Landratsamtes nachkommen zu können, denn: „Eine Zwangsbelegung der Turnhalle beim Gymnasium wäre der Super-GAU.“ Und er werde alles daransetzen, dies zu verhindern.