Sachlich und ohne Streit – so hatten sich die Verantwortlichen im Türkheimer Rathaus die Diskussion bei der Bürger-Info zu den geplanten Standorten für Notunterkünfte für Flüchtlinge in Türkheim gewünscht. Sachlich und ohne Streit – so soll auch die Grundsatzentscheidung im Türkheimer Gemeinderat am Donnerstag, 18. April, um 19 Uhr, ablaufen. Bürgermeister Christian Kähler rechnet auch hier wieder mit einem großen öffentlichen Interesse und hat die Sitzung daher in den Sieben-Schwaben-Saal der Ludwig-Aurbacher-Mittelschule Türkheim (Oberjägerstraße 7) verlegt.
Drei mögliche Standorte für Notunterkünfte für Flüchtlinge in Türkheim
Die Gemeinde Türkheim hat drei mögliche Standorte für Notunterkünfte für je rund 30 Flüchtlinge gesucht und – nach intensiver Prüfung und Abwägung aller Vor- und Nachteile – auch gefunden: eine Teilfläche am sogenannten Festplatz neben dem Wertachstadion, eine Teilfläche auf dem Parkplatz an der Hochstraße und eine Teilfläche im östlichen Bereich des Parkplatzes am Bahnhof Türkheim. Diese Flächen könnten dann mit Containern Platz für jeweils rund 30 Personen bieten. Das war der Stand vor der Bürger-Info – ob jedoch der Standort in Türkheim-Bahnhof im Gemeinderat weiterhin Bestand haben wird, könnte spannend werden. Wir fragten bei den Gemeinderäten aller Fraktionen, wie sie sich auf die Sitzung am Donnerstag eingestellt haben und welche Erkenntnisse sie aus der Bürger-Info mitgenommen haben.
Das sagen die Türkheimer Kommunalpolitiker vor der Entscheidung
Zweiter Bürgermeister Franz Haugg (Freie Wähler) ist froh, dass die Diskussion bei der Bürger-Info „sehr sachlich“ blieb, als das Ergebnis des runden Tisches diskutiert wurde. Interessant für Haugg, dass „es keine generelle Ablehnung des Vorschlages gibt“.
Die hauptsächlichen Bedenken hätten sich auf die Sicherheit bezogen. „Ich war bei den Beratungen dabei und stehe hinter dem Vorschlag des runden Tisches. Ich stehe auch für eine faire Verteilung der Flüchtlinge im Landkreis“, unterstreicht Haugg seine Haltung. Der Standort am Bahnhof sei „sicher der problematischste, da die Bundesbahn hier Stellung beziehen wird“. Der Standort am Bahnhof sei von Bürgern und Bürgerinnen „kategorisch abgelehnt“ worden. „Sollten weiter Flächen in Gemeindehand am Donnerstag vorgeschlagen werden, sehe ich es positiv“, so der Zweite Bürgermeister.
Flüchtlingsheim in Türkheim: Grüne wollen faire Lösung
Dritte Bürgermeisterin Gudrun Kissinger-Schneider geht optimistisch in die Grundsatzentscheidung: „Ich persönlich bin sehr zuversichtlich.“ Als viertgrößte Gemeinde im Unterallgäu sei sich der Türkheimer Gemeinderat „weiterhin unserer Verantwortung bewusst und wollen Asylbewerber aufnehmen, um Bad Wörishofen und Mindelheim zu entlasten“. Eine gerechtere Verteilung auf alle Kommunen wäre für Kissinger-Schneider „natürlich dann möglich, wenn durch die Anwendung des Königsteiner Schlüssels die ankommenden Migranten verteilt würden. Hier ist die Bayerische Staatsregierung in der Pflicht“, so die Grünen-Politikerin.
Für Türkheim gelte: „Die dezentralen Standorte, wie im Moment vorgeschlagen, sind von ihrer Größe her (bis ca. 30 Personen) am besten zu betreuen.“ Die Ängste, Sorgen und Bedenken der Bürgerinnen und Bürger „müssen ernst genommen werden“, betont die Dritte Bürgermeisterin: „Deshalb halte ich es für dringend geboten, einen Helferkreis umgehend zu aktivieren, gegebenenfalls wie 2015 finanzielle Mittel für eine IntegrationskoordinatorIn vonseiten der Kommune zur Verfügung zu stellen und frühzeitig, mit Unterstützung der Vhs, nötige Sprachkurse vorzubereiten.“
Wichtig ist für Kissinger-Schneider: „Nur wenn wir alle bereit sind, den Menschen offen zu begegnen und viele TürkheimerInnen bereit sind, die MigrantInnen vorurteilsfrei zu begleiten und ihnen unsere Gepflogenheiten und unsere Sprache beizubringen, kann ein gutes Miteinander und eine gewinnbringende Integration gelingen.“
Anna Maria Huber, Fraktionssprecherin der CSU, fand die Diskussion bei der Bürger-Info „erfreulich sachlich, trotz doch vieler subjektiver vorgetragenen Ängste“. Aber sie sagt auch: „Leider haben sich meine Erkenntnisse nicht erweitert.
Denn obwohl ich aus der Diskussion entnehmen konnte, dass die Mehrheit wohl kein Problem mit Ausländern und Flüchtlingen hat, wollen sie diese aber nicht vor ihrer Haustür – das Florians-Prinzip gilt immer.“ Aus Sicht der CSU-Politikerin waren die meisten Argumente „leider sehr subjektiv und auf den jeweiligen Wohnsitzstandort bezogen“. Huber betont: „Wir haben es uns mit der Standortsuche nicht leicht gemacht und darüber sehr oft diskutiert. Letztendlich stehe ich zu den drei Standorten auf Gemeindegrund.“
Michaela Vaitl-Scherer, Fraktionssprecherin der Wählervereinigung Türkheim (WVT), blickte auf eine aus ihrer Sicht „demokratische Veranstaltung für eine offene Debatte“ zurück. In der WVT-Fraktion seien die Mitglieder noch immer unterschiedlicher Meinung. „Mir persönlich ist es wichtig, dass es eine dezentrale Unterbringung mit kleineren Einheiten wird, an Standorten, die Gemeindegrund sind“, so Vaitl-Scherer.
Leider stünden aber nicht viele Grundstücke zur Auswahl „Die getroffene Vorauswahl der Standorte ist sicherlich nicht befriedigend, und es gibt Pro und Kontra für jeden Standort, jedoch stehen wir auch in der Pflicht, unsere geforderten Aufgaben zu erfüllen“, so die WVT-Fraktionschefin: „Bis zum 18. April werde ich nochmals die genannten Standorte eingehend prüfen.“
Freie Wähler favorisieren Grundstücke an Hochstraße und Sportplatz
Für Josef Vogel, Fraktionssprecher der Freien Wähler, war die Diskussion „sehr interessant, hat mir aber gezeigt, dass die meisten vorgebrachten Bedenken sich nur gegen die Asylsuchenden an sich richten, die nicht in der Nähe der jeweils Wohnenden erwünscht sind“. An seiner Einstellung hat sich insofern nichts geändert: „Für mich kommen nur dezentrale Unterkünfte mit maximal 30 Personen infrage.“ Bezüglich der Standorte lasse sich feststellen, dass es einen optimalen Standort nicht geben wird. Die drei angedachten Standorte beurteilt der FW-Fraktionschef so: Das Grundstück an der Hochstraße „halte ich für sehr geeignet und gut kontrollierbar“.
Das gelte auch für den Standort am Sportplatz, „leicht bedenklich“ sei einzig die Nähe zum Freibad. Daher sollten die Container hier „etwas abgeschottet werden, da sich die kulturelle Einstellung eventuell mit den leicht bekleideten Menschen nicht verträgt“, so Vogel. Den Standort Türkheim Bahnhof sehe er „mittlerweile etwas bedenklich, bezüglich der Lärmimmission durch den Bahnverkehr“. Hier sollte noch mal geprüft werden, ob dieser Lärm gesundheitliche Auswirkungen auf diese Menschen hat.
Insgesamt betrachtet möchte Josef Vogel „bei den ersten Standorten bleiben und nach eingehender Prüfung (Lärmimmission Bahnhof) in Erwägung ziehen, die beiden privat angebotenen Standorte mit dem Landratsamt und den Anbietern klären“. Vogel kann sich vorstellen, „einen davon teilweise für einen Containerstandort mit 30 Personen seitens der Kommune anzumieten und als Standort Nr. 3 anzubieten“. Vogels Fazit: „Zwei Standorte gleich melden und einen Standort nachmelden, da sowieso nicht alle drei gleichzeitig belegt werden können.“
Walter Fritsch, Fraktionssprecher der Türkheimer SPD, hat aus der Diskussion bei der Bürger-Info mehrere Erkenntnisse gewonnen: „Ich war vorher hin- und hergerissen.“ Jeder der genannten Standorte sei nicht einfach.
Sechs Standorte, wie zweimal bei der Diskussion angesprochen wurde, habe die Gemeinde nicht: „Ich verstehe alle Rednerinnen und Redner für ihre Bedenken und Angst um ihre Kinder“, so Fritsch. Aber genauso viele Sprecherinnen und Sprecher haben sich laut Fritsch „für diese Standorte ausgesprochen“. Mut mache ihm auch, dass sich „einige Personen auch spontan für einen neuen Helferkreis bereiterklärt haben“. Sein Fazit ist nach dieser Bürger-Info ist: „Diese Standorte trage ich komplett mit und werde meine Zustimmung zur Weiterleitung an das Landratsamt geben.“
Außerdem steht bei der Sitzung am Donnerstag unter anderem noch die Vorstellung der Pläne für einen Skaterpark beim V-Markt-Gelände und die Gebührenkalkulation für die Benutzung der Obdachlosenunterkunft des Markt Türkheim auf der Tagesordnung.