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Stadtrat: Harte Worte und ein großer Aufreger

Stadtrat

Harte Worte und ein großer Aufreger

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    In der Stadtratssitzung im Rathaus fielen harte Worte.
    In der Stadtratssitzung im Rathaus fielen harte Worte. Foto: Heinrich

    Heftige Auseinandersetzungen zwischen Bürgermeister und Stadtratsmehrheit erlebten die zahlreichen Zuhörer der jüngsten Stadtratssitzung. Stadtentwicklungsreferent Daniel Pflügl (Grüne) sagte hinterher, das Sitzungsniveau sei „grauenvoll“ gewesen. Hohe Wellen schlug dabei aber vor allem eine Äußerung von FW-Fraktionssprecher Wolfgang Hützler gegenüber seinem Sitznachbarn Claus Thiessen von der FDP. „Kollegen“ und er selbst seien darüber „völlig entsetzt“, sagte hinterher

    Hützler sieht das völlig anders. „Den Vorwurf, dass ich den aus meiner Sicht sehr erregten Herrn Dr. Thiessen ernsthaft bedroht haben soll, weise ich als unwahr zurück“, sagte Hützler. „Ich bat Herrn Dr. Thiessen mehrfach sich zu beruhigen. Das weitere Geplänkel, in dem ich meine Brille abnahm, wurde von Zuhörern mit Lachen quittiert und trug zur Entspannung bei“, findet Hützler. „Ich beantwortete auch die Nachfrage des Herrn Ibel ohne Zögern und spontan damit, dass mein Verhalten humorvoll gemeint war. Mir niedere Beweggründe zu unterstellen, halte ich für infam.“

    Bürgermeister Paul Gruschka (FW) sagt dazu: „Nach meinem Eindruck hat Herr Hützler dem Ratskollegen Dr. Thiessen keine Schläge angedroht.“ Was genau Hützler zu Thiessen gesagt hat, habe er aber „über die Entfernung nicht verstanden.“ Im Stadtrat selbst herrschte nach der Sitzung mehrheitlich die Meinung vor, Hützler habe sich zumindest im Ton vergriffen. „Wie es gemeint war, kann ich nicht sagen. Aber als scherzhaft habe ich das nicht empfunden“, sagt Grünen-Fraktionssprecherin Doris Hofer. Sie nennt Hützlers Einwurf eine „durchaus aggressiv und laut geäußerte Drohung, mit dem Ziel, Claus Thiessen mit Macht zum Schweigen zu bringen.“ Das sei „bei aller Anspannung im Gremium“ ihrer Meinung nach „jenseits der Grenze akzeptabler Umgangsformen.“

    Von einem „Zeichen unverhüllter Aggressivität, das dann mühsam als Scherz verharmlost wurde“, spricht SPD-Fraktionssprecher Stefan Ibel. Seiner Ansicht nach ist Hützler „klar der Gaul durchgegangen und lustig war daran nichts.“

    Der CSU-Fraktionsvorsitzende und Zweite Bürgermeister Stefan Welzel sagt, er „empfinde es als grenzwertig, einen über 80-jährigen Ratskollegen in unmittelbarer Nähe so anzugehen.“ Was man davon halten solle, wenn „Herr Hützler seine Brille abnimmt und seinen unmittelbaren Sitznachbarn quasi auffordert, mit ihm vor die Tür zu gehen?“, fragt Welzel. „Ist das mit Parlament spielen gemeint?“, fragt Welzel in Anspielung auf eine Äußerung von Bürgermeister Paul Gruschka in der Halbzeitbilanz mit unserer Zeitung. Diese Aussage Gruschkas nannte wiederum Christian Förch (CSU) in der Sitzung „eine Frechheit“.

    Thiessen selbst sagt zu dem Wortgefecht: „Hützler machte einen sehr bedrohlichen Eindruck mit dem Hinweis, ich könnte froh sein, dass er erst noch seine Brille abnehmen müsste.“ Ansonsten gibt sich das älteste Ratsmitglied unbeeindruckt, mehr noch: „Ich bin Mitglied einer schlagenden Verbindung, Corps Alemannia in Kiel, und das hätte wohl eine Mensur zur Folge gehabt, wenn Hützler satisfaktionsfähig wäre“, schiebt Thiessen nach.

    Zu den Wortgefechten war es gekommen, als Bürgermeister Gruschka dem Stadtrat die Aufhebungen von Beschlüssen empfahl, die ihn verpflichten, einen Brief des Landratsamts zum Nachtragshaushalt in das Ratsinfosystem einzustellen, über Besuche bei Unternehmern zu berichten und den Ratsmitgliedern die städtischen Pressemitteilungen in Kopie zukommen zu lassen. Rechtswidrig oder zumindest unzulässig seien diese, argumentiert der Bürgermeister (wir berichteten).

    Auch bat Gruschka darum, der Stadtrat möge die Frist von einer Woche zur Bereitstellung von Sitzungsunterlagen wieder zurücknehmen. Das bereite vor allem im Bauamt arge Probleme, was letztlich zu einer Verschlechterung beim Bürgerservice führe. Gruschka machte deutlich, dass Stadtrat und Bürgermeister rechtlich selbstständige Organe seien, dem anderen nicht über- oder untergeordnet. Es gebe eine klare Kompetenzabgrenzung, die Gruschka missachtet sieht. Unterstützung erhielt er von Wolfgang Hützler. Er vermisse im Rat „seit drei Jahren die sogenannte Organtreue“, kritisierte Hützler. Über diese Gewaltenteilung sollte „man sich hier mal Gedanken machen“, empfahl er. Hützler konstatierte eine „permanente Behinderung“ des Bürgermeisters durch die Ratsmehrheit. Das wiederum brachte Stefan Ibel auf. Man müsse sich „hier nicht jeden Mist anhören“, sagte er, nachdem er Hützler unterbrochen hatte. Hützler wiederum forderte, der Rat müsse sich endlich wieder „seinen eigentlichen Aufgaben widmen“.

    Deutlich wurde, dass sich die Ratsmehrheit ungenügend vom Bürgermeister informiert fühlt. Ibel erinnerte an eine Rechenschaftspflicht, Marion Böhmer-Kistler (CSU) daran, dass Gruschkas Amtsvorgänger Klaus Holetschek (CSU) regelmäßig Tätigkeitsberichte und Halbzeitbilanzen abgegeben habe. Es gehe um Transparenz, sagte Zweiter Bürgermeister Welzel (CSU). „Ich weiß gar nicht, wo da das Problem ist.“ Böhmer-Kistler sagte, sie empfinde es „als Kindergarten, dass wir über solche Punkte überhaupt sprechen müssen, es ist lächerlich.“ Man habe im Rat eigentlich einen anderen Job. Sie äußerte Verständnis für die Bürger, sie sich darüber aufregen würden. Das Problem gehe aber nicht vom Stadtrat aus. Gruschka wiederum kritisierte, es werde „permanent versucht, in die Zuständigkeiten des Bürgermeisters einzugreifen“. Transparenz und Information müssten zudem „schon eine zweiseitige Geschichte sein“, forderte er. Er enthalte dem Stadtrat „bestimmt nichts vor“, sagte Gruschka.

    Am Ende lehnte die Ratsmehrheit alle Beschlussanträge Gruschkas ab, es bleibt also auch bei der Wochenfrist für Sitzungsvorlagen. Gruschka wiederum kündigte an, die seiner Ansicht nach rechtswidrigen Beschlüsse nun eben zu beanstanden.

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