Es sei eine der Sportarten gewesen, vor der Benjamin Adelwarth am meisten Bammel gehabt habe. Im Rahmen seiner Tour als Kreisvorsitzender des Bayerischen Landessportverbandes (BLSV) besucht Adelwarth diesmal die Turner des TSV Markt Wald. Und lernt dabei schnell, dass nichts über Trainingsfleiß geht.
Die Luft in der Turnhalle des TSV Markt Wald ist am Ende des 90-minütigen Trainings etwas stickig und fühlt sich beinahe neblig an. Grund dafür ist das häufig genutzte Magnesia. Das weiße Pulver, mit dem sich die Turner vor den Übungen an den Geräten die Hände einreiben, hat seine Spuren in der Luft hinterlassen. „Immer Magnesia verwenden, das sagen wir den Kindern auch immer“, sagt Markus Strodel und zeigt Adelwarth den Behälter.
Der TSV Markt Wald gilt als Talentschmiede
Strodel ist seit 2008 Vorsitzender des TSV Markt Wald und leitet seit 2002 die Turnabteilung. Sein Vater Erwin war die prägende Gestalt des Markt Walder Turnsports, war über 65 Jahre aktiv und leitet bis zu seinem Tor im vergangenen Jahr immer wieder Trainingseinheiten. Die hatten und haben es bis heute in sich. Nicht umsonst gilt der Verein als eine der größten Talentschmieden im Allgäu. 15 Turner aus Markt Wald gehören der TG Allgäu an, deren Mannschaften in der Landes- und Regionalliga sowie dritter Bundesliga antreten. Acht von ihnen, darunter Stefan Haydn, gehören dabei dem Drittligakader an. Der 31-jährige Haydn ist mittlerweile Kapitän des Drittligateams.
Seit 18 Jahren turnt der Markt Walder mit der TG Allgäu um Liga-Punkte, angefangen hat er mit sechs Jahren. „Ich habe anfangs auch noch Fußball gespielt und war beim Schwimmen. Aber irgendwann gab es nur noch Turnen“, sagt Haydn. „Anders geht es auch nicht.“ Denn: „Nur wenn du viel trainierst, dann kommt etwas dabei heraus. Mich ärgert es jedenfalls immer, wenn ein Talent nicht zum Training kommen kann, weil es noch etwas anderes macht.“ Die Markt Walder Turner haben zum Teil fünf-, sechsmal Training pro Woche.
Ein Vorteil ist die eigene Turnhalle
Und das in einer eigenen Turnhalle, in der die jeweiligen Geräte stehen bleiben können. „Wir verlieren keine Zeit mit Auf- und Abbau“, sagt Markus Strodel. Die Turnerinnen und Turner, die hier jeden Tag zum Training kommen, können sofort mit dem Training loslegen. „Wir sind der einzige Verein im Unterallgäu, wo das möglich ist“, sagt Strodel.
Das kommt nun auch Benjamin Adelwarth zugute. Das Aufwärmprogramm auf den Mattenbahnen offenbart erste kleinere Schwächen beim BLSV-Vorsitzenden: Während Stefan Haydn nach einer Vorwärtsrolle geschmeidig in den Handstand geht und Trampolinsprünge mit einem Salto garniert, belässt es Adelwarth bei einer Vorwärtsrolle und einem einfachen Hopser. „Ich müsste viel gelenkiger werden, damit das nach etwas aussieht“, sagt der BLSV-Kreisvorsitzende aus Dirlewang. „Ich bin halt recht gschterr.“
Damit diese „Gschterrigkeit“ gar nicht erst aufkommt, empfiehlt es sich, früh mit dem Turnen anzufangen. „Mädchen fangen mit fünf an, bei Buben ist es nach meiner Erfahrung besser, wenn sie erst mit sechs Jahren anfangen“, sagt Markus Strodel. „Die sind manchmal noch zu verspielt“, sagt er und grinst. Dann klatscht er in die Hände und zeigt auf den Barren. „Das ist nach dem Aufwärmen die erste Station.“
Am Barren beginnt für Adelwarth das Geräteprogramm
Während an den anderen Geräten in der Halle Turnerinnen und Turner ihr Trainingsprogramm abspulen, geht es für Benjamin Adelwarth darum, die Grundtugenden am Barren zu lernen: „Es kommt darauf an, dass du deinen Körper stützen kannst“, erklärt Strodel. Die Kraft in den Armen ist bei Adelwarth vorhanden, Probleme sind eher das Gleichgewicht. Dennoch werden seine Übungen mit jedem Versuch flüssiger. Klar, an einen Grätschsitz, einen Oberarmstand oder einen geschmeidigen Abgang ist noch nicht zu denken.
Es folgt das Reck, an dem Adelwarth zwar nicht die Seele baumeln, aber doch nach Lust und Laune vor sich hin schwingen kann. Der Felgaufschwung, den der 29-jährige TG-Allgäu-Turner Roland Hartner zeigt, bereitet ihm da schon größere Probleme. Doch daran denkt Adelwarth offenbar nicht. Er hat die Ringe, die direkt hinter dem Reck von der Decke baumeln, im Blick. Die stehen als Nächstes auf dem Programm. Zunächst zeigt der zehnjährige Felix Herzog unter Hilfestellung von Markus Strodel einen sogenannten Strecksturzhang: Er hält sich kopfüber an den Ringen und versucht, die Beine kerzengerade nach oben zu strecken.
„Das soll ich jetzt auch machen?“, fragt Adelwarth ungläubig. „Klar, das ist kein Problem“, meint Stefan Haydn. Und siehe da: Im zweiten Anlauf schafft es Adelwarth auch. Auch die folgende Zugstemme, eine Übung, bei der der Turner an den Ringen hängend ohne Schwung in die Stützposition geht, klappt ordentlich. „Ich bin positiv begeistert“, sagt Markus Strodel mit Blick auf Adelwarths Performance. „Ich hätte nicht gedacht, dass er das gleich hinkriegt. Die Stützkraft ist bei ihm da, er ist schon sportlich“, meint er anerkennend. „Die Zugstemme hätten viele nicht auf Anhieb geschafft, die meisten knicken nach hinten weg.“
Die Turner der TG Allgäu dienen als Vorbilder für den Nachwuchs
Ein Lob, das gut tut, denn allmählich machen sich bei Adelwarth nach den kraftintensiven Ringen die Muskeln bemerkbar. Die letzte Station an diesem Trainingsabend ist das Pauschenpferd, auch Seitpferd genannt. Es gilt als das schwierigste aller Geräte. Es erfordert Kraft, Koordination und Konzentration, um die Pendelschwünge und Scherenbewegungen so auszuführen, dass man nicht am Gerät hängen bleibt. Damit die Turner überhaupt ein Gefühl für diese Bewegungen bekommen, haben sie in Markt Wald einen herkömmlichen Mörtelkübel mit einem Seil umwickelt und dieses an der Decke befestigt. Steigt ein Turner nun mit beiden Beinen in den Kübel, schwebt er über dem Boden und kann sich nur mit seinen Händen am Gerät abstützen und so versuchen, es zu umkreisen.
Beim Pauschenpferd stößt der BLSV-Kreisvorsitzende dann an seine Grenzen. Lieber lässt er sich von den „Profis“ wie etwa Marlon Wiedenmann einen Durchgang zeigen. Der 18-Jährige ist seit einem Jahr im Drittliga-Kader der TG Allgäu und „der Beste am Pferd in unserem Team“, wie Stefan Haydn sagt. Auch die jüngsten Talente schauen begeistert zu. „Das ist das Schöne hier in Markt Wald: Weil Turnier wie Stefan Haydn oder Roland Hartner auch als Übungsleiter fungieren, haben die Kleinen richtige Vorbilder“, sagt Markus Strodel. Hat die TG Allgäu dann einen Heimwettkampf in Wiggensbach sind auch immer wieder viele Zuschauer aus Markt Wald vor Ort, um „ihre“ Turner anzufeuern. „Das weckt dann schon den Ehrgeiz.“
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