Startseite
Icon Pfeil nach unten
Mindelheim
Icon Pfeil nach unten
Lokalsport
Icon Pfeil nach unten

Tennis: Ein Hechtsprung für den weißen Sport

Tennis

Ein Hechtsprung für den weißen Sport

    • |
    Wimbledon 1985: Boris Becker macht nicht nur den Hechtsprung auf dem Tennisplatz populär, sondern gewinnt auch als bislang jüngster Spieler das Grand-Slam-Turnier auf dem legendären Rasen.
    Wimbledon 1985: Boris Becker macht nicht nur den Hechtsprung auf dem Tennisplatz populär, sondern gewinnt auch als bislang jüngster Spieler das Grand-Slam-Turnier auf dem legendären Rasen. Foto: Rüdiger Schrader/dpa

    Wissen Sie noch, was Sie am späten Sonntagnachmittag, 7. Juli 1985, getan haben? Jede Wette, dass ein beträchtlicher Teil der Leser dieser Zeilen zuhause vor dem Fernseher saß und einem 17-jährigen Rotschopf aus der badischen Kleinstadt Leimen die Daumen drückte. Der schickte sich nämlich just in diesem Moment an, deutsche Sportgeschichte zu schreiben.

    Um 17.26 Uhr Ortszeit war es dann soweit: Boris Becker verwandelt seinen zweiten Matchball im Finale von Wimbledon gegen den Südafrikaner Kevin Curren, gewinnt das vielleicht größte Tennisturnier der Welt mit 6:3, 6:7, 7:6 und 6:4 und löst in Deutschland damit einen wahren Tennisboom aus.

    Plötzlich avancierte der weiße Sport zum zweitbeliebtesten TV-Sport, nach Fußball. In beinahe jedem noch so kleinen Dorf sprießten rote Aschenplätze aus dem Boden, die Becker-Faust wurde zu einem feststehenden Jubel-Symbol. Und nicht nur das. „Wir hatten damals einen Mitspieler, der auch Beckers Aufschlag imitiert hat“, sagt Max Herzog. „Das hat nach außen ganz gut ausgesehen, aber so richtig erfolgreich war es nie“, sagt Herzog und lacht. Der 49-Jährige ist mittlerweile Jugendwart beim TC Mindelheim – und landete vor 31 Jahren dank Boris Becker beim Tennis. Er habe vorher schon ein paar Bälle gespielt, sei aber erst im Zuge des Becker-Erfolgs in den Verein eingetreten. Wie so viele: „Ich kann mich erinnern, dass es damals sogar noch eine Aufnahmegebühr im Verein gab.“

    Anders lag die Sache bei Thomas Karl. Er ist heute Präsident des TTC Bad Wörishofen – und kann die eingangs gestellte Frage nur zur Hälfte mit Ja beantworten. „Ich war gerade auf dem Rückweg von einem Tennisturnier in Donauwörth und habe einen Teil des Spiels nur am Autoradio verfolgt“, sagt er. Erst den letzten Satz hat er dann vor dem Fernseher gesehen. „Natürlich hat man da mit Boris Becker mitgefiebert. Es war ja eine Sensation damals. Bis heute ist er ja der jüngste Spieler, der Wimbledon gewonnen hat.“

    Dabei war es gar nicht so die Art von Thomas Karl, sich Tennis im Fernsehen anzusehen. „Ich habe mir nur ganz selten ein ganzes Spiel angeschaut. Und man muss ja auch eins sagen: Tennis in Wimbledon war 1985 total unspektakulär. Ein Ballwechsel bestand praktisch nur aus zwei Schlägen: dem Aufschlag und dem Return. Denn dann war der Gegner schon am Netz und hat gepunktet“, erinnert sich Karl.

    Und wenn es dort eng wurde, dann hatte Boris Becker sein eigenes Rezept: Er hechtete dem Ball hinterher und erfand so die „Becker-Rolle“. Das hat vor ihm noch nie einer in diesem Stil versucht. Doch plötzlich versuchten sich auch Amateurspieler an der „Becker-Rolle“. Wie überhaupt das Tennis in Deutschland einen Boom erfuhr, der nie wieder erreicht werden sollte. Was natürlich auch daran lag, dass sich nicht nur Boris Becker in die Herzen der Fans spielte, sondern beinahe zeitgleich auch der Stern eines zweiten deutschen Tennis-Wunderkindes aufging: der von Steffi Graf.

    Die Bedeutung dieses Sieges in Wimbledon war an jenem Juli-Sonntag 1985 jedenfalls nicht nur für Boris Becker, sondern für das deutsche Tennis bahnbrechend. Während Becker zum beliebtesten Deutschen avancierte, den Grundstein für eine sensationelle Karriere legte und seinen Erfolg wie kaum ein anderer vor ihm vergoldete, fanden Hundertausende Deutsche den Weg vom Wohnzimmer auf den Tennisplatz. „Ich kann mich erinnern, dass wir damals viel mehr Familien im Verein waren. Vater und Mutter spielten genauso, wie die Kinder“, sagt Thomas Karl. Allerdings hatte Bad Wörishofen damals noch ein anderes Zugpferd: Hansjörg Schwaier. Der gebürtige Mindelheimer gehörte 1985 zum Davis-Cup-Team, das sich im Finale in München den Schweden um Stefan Edberg und Mats Wilander mit 2:3 knapp geschlagen geben musste. Die beiden Einzelsiege steuerte dabei – natürlich – Boris Becker bei. Schwaiers großer Moment war im Viertelfinale, als er den US-Amerikaner Aaron Krickstein besiegte und so dem deutschen Team den ersten Sieg gegen die USA bescherte. „Das Spiel von Hansjörg Schwaier im Viertelfinale gegen Aaron Krickstein habe ich damals komplett angeschaut. Das war aber ein ganz anderer Bezug“, sagt Karl, der es ansonsten vorzog, selber auf dem Platz zu stehen, als anderen beim Tennisspielen zuzusehen.

    Einmal hätte er selbst sogar auf das Tenniswunderkind treffen können: Bei einem internationalen Turnier Anfang der 1980er Jahre in rosenheim stand nicht nur der Name Thomas Karl auf der Teilnehmerliste, sondern auch ein gewisser Boris Becker. „Ich habe ihn nie live spielen sehen. Aber ich weiß noch, wie es damals im Turnier hieß: ’Der Becker, der wird mal einer’.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden