Neugierig betreten 19 Kinder der U9-Eishockeymannschaft mit ihrem Trainer Daniel Wagner die Eishalle und warten gespannt, was auf sie zukommen mag. Mentaltrainer Marcus Kerti lächelt entspannt. „Was heißt mentales Training?“, fragt er in die Runde. „Da werden dir deine Stärken erzählt und sowas“, antwortet ein Junge. Das Eis ist gebrochen.
„Je stärker wir mental sind, desto stärker können wir Eishockey spielen und alle anderen Sachen“, erklärt Marcus Kerti und beginnt das Mentaltraining mit einem Experiment. Er bittet einen Jungen, seinen rechten Arm seitlich auszustrecken und versucht, diesen hinunterzudrücken, was zunächst nicht funktioniert. Ein Mannschaftskollege wird aufgefordert, sich dem jungen Mann gegenüberzustellen, ihn böse anzuschauen und nicht daran zu glauben, dass er es schafft, den Arm oben zu behalten - der Arm lässt sich nun ganz leicht von Kerti hinunterdrücken. „In dem Moment, in dem der andere glaubt, dass er es nicht schafft, hat er weniger Kraft“, erklärt Kerti. Im Umkehrschluss bedeute das beispielsweise, dass sich der eigenen Torhüter viel leichter tue, wenn die Mannschaft an seine Stärke glaube.
In der ersten Übung geht es um Lieblingstiere
Die erste Übung steht an, alle 19 Kinder stellen sich an der Mittellinie auf. „Was ist dein Lieblingstier?“ fragt Kerti einen jungen Eishockeyspieler, und schon startet die ganze Mannschaft auf allen Vieren als Gorillas bis zum Tor, als Frosch hüpfend geht's munter zurück. Auch Löwen werden beispielsweise imitiert, Gebrüll inklusive. „In dem Moment, in dem wir brüllen, schreien, unsere Stärke zeigen, sind wir viel stärker“, erklärt der Mentaltrainer den Kindern nach der Übung. „Wie bei unserem Schlachtruf vor dem Spiel in der Kabine“, ergänzt Trainer Daniel Wagner.
Spielerisch geht es weiter. Die Mannschaft wird in drei Gruppen aufgeteilt, die jeweils die gleichen Gegenstände zum Errichten eines möglichst hohen Turms erhalten. Verschieden große Reifen, Verkehrshütchen, Hürden, Stock, Schwimmnudel und ein Puck stehen zum Bau zur Verfügung. Um ganz in Ruhe die beste Lösung zu finden, bekommen die Kinder 25 Minuten Zeit und dürfen vor Beginn Verständnisfragen stellen. Kerti spricht leise, bleibt ruhig, wartet ab, wenn die Aufmerksamkeit fehlt. Er strahlt Souveränität und Konsequenz aus, ohne dies mit Worten auszudrücken.
„Die Gruppe, die den höchsten Turm baut, hat gewonnen“, sagt Kerti zum Abschluss der Vorbereitungen, und schon gehen die Mädchen und Jungs ans Werk. Aufgeregt wird durcheinander gerufen, ausprobiert, so schnell wie möglich ein Turm gebaut, wieder umgeschmissen, neu gebaut. Mit fortschreitender Zeit werden die Teams ruhiger, überlegen, diskutieren, versuchen sich von den anderen Gruppen etwas abzuschauen. Nicht müde werdend, bauen die Kinder immer wieder neue Varianten. Nur die spätere Siegergruppe ist früh fertig, stellt sich schützend um ihren Turm und wartet, bis die Zeit abgelaufen ist.
„Warum habt ihr gewonnen?“, fragt Kerti am Ende und erntet von einem jungen Mädchen eine souveräne Antwort: „Weil wir uns alle abgesprochen haben.“ Genau wie die Übung sei Eishockey ein Teamsport, bei dem man miteinander sprechen sollte, jeder seine Ideen einbringen, aber nicht zu wichtig nehmen und man konzentriert gemeinsam überlegen sollte, wie man besser werden könne, erklärt der Mentaltrainer. Eishockeytrainer Daniel Wagner gefiel die Übung noch aus einem anderen Grunde sehr gut: „Sie signalisiert, dass man sich mit der ersten Lösung nicht zufrieden geben sollte“.
Am Ende müssen sich die Kinder gegenseitig Nummern geben
Für die nächste Übung hat Kerti vier verschieden große Bälle vorbereitet, die von der Mittellinie aus in das Eishockeytor gerollt werden sollen. Er überlässt den Kindern jeder Gruppe die Entscheidung, ob ein Kind mehrere Bälle oder vier Kinder je einen Ball rollen - alle drei Gruppen entscheiden sich für letzteres und einigen sich untereinander, welche Kinder pausieren. „Auch im Spiel gibt es nicht immer genügend Plätze“, erklärt Kerti die Motivation der Übung. Zudem werde vermittelt, sein Ziel, in diesem Fall das Tor, im Blick zu behalten.
Die letzte Übung fordert die komplette Mannschaft als Team heraus. Die Kinder werden aufgefordert, selbstständig die Nummern eins bis 19 zu vergeben und sich der Reihe nach an der Bande aufzustellen. Gar nicht so einfach, wenn beispielsweise mehrere auf die Nummer eins Wert legen. Kerti lässt das junge Team gewähren, mischt sich nicht ein, steht minutenlang still daneben und wartet, bis die Kinder eigenständig eine Lösung gefunden haben und ganz still sind. „Er erzieht die Kinder nicht durch Strafe, sondern durch Eigenreflexion“, bemerkt Daniel Wagner.
Vor der gegenüberliegenden Bande hat Kerti orangefarbene Zettel ausgelegt, auf denen die Nummern eins bis 19 zu lesen sind und die nun von den Kindern nacheinander in der richtigen Reihenfolge mit dem Fuß angetippt werden sollen. Passiert einem Kind ein Fehler, geht das Spiel für das komplette Team von Neuem los, Ziel ist, eine möglichst schnelle Zeit. „Es ist wie im ganzen Sportlerleben“, erklärt der engagierte Mentaltrainer nach der Übung, man muss zuhören und es braucht jemanden, der die Verantwortung übernimmt und den anderen sagt, was sie machen sollen - den Kapitän.“
Zum Abschluss sitzt die Mannschaft mit Kerti auf dem Mittelkreis, jeder darf sich eine DEL-Eishockey-Sammelkarte ziehen. „Es hat Spaß gemacht, vor allem das Turmbauen“, sagt ein Junge, bevor sich die Mannschaft in ohrenbetäubender Lautstärke mit ihrem Schlachtruf „Gelb und Blau, ESV, auf geht's, pack mer's“ von der ersten Mentaltrainings-Einheit verabschiedet. „Wenn die Kinder Spaß hatten und ein bisschen etwas mitnehmen konnten, hat alles gepasst“, sagt Marcus Kerti zufrieden. „Ich glaube, umso öfter man so etwas macht, je mehr profitieren die Kinder“, betont Daniel Wagner, „meine Quintessenz ist, dass wir dort weitermachen müssen, dass sich die Kinder auch langfristig entwickeln können“. Eine zweite Session sei bereits geplant und die Bemühungen um die Finanzierung weiterer Einheiten groß.
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