Imposante Kaltblutpferde, die mit einem Baumstamm an den Zugketten zentimetergenau herausfordernde Hindernisse meistern, sorgten bei der offenen bayerischen Meisterschaft im Holzrücken für strahlende Gesichter. "Ich find's toll, was die alles können, da fiebere ich richtig mit", sagte Zuschauerin Andrea Groß.
Kaltblut-Schönheit Samira zieht beim sogenannten "Aufpoltern" den angehängten Baumstamm vorsichtig auf zwei eng aneinander liegende Stämme und hört dabei aufmerksam auf die Kommandos von Gerhard Mätzler. "Schrittele noch, Schrittele noch, langsam, so isse brav", sagt er und tätschelt seine Norikerstute liebevoll. Es geht ruhig und gemütlich zu, auch wenn die Meisterschaft eine sportliche Herausforderung der besonderen Art ist. Parcoursbauer Rudi Fleischer hat elf herausfordernde Hindernisse auf der großen Wiese platziert, die im Einspänner in maximal 25 Minuten gemeistert werden sollen.
Die sportlichen Aufgaben sind den Arbeiten im Wald nachempfunden
"Grundsätzlich sind die Hindernisse den Arbeiten im Wald nachempfunden", erklärt Hauptrichter Markus Freyburger, "ein Spaßhindernis für den Nervenkitzel ist auch dabei". Eine enge von Fichten gesäumte Gasse passieren, das große Pferd auf kleinstem Raum wenden, einen sogenannten Zukunftsbaum berührungsfrei umfahren und noch so viel mehr - für die Teilnehmer ist Genauigkeit gefragt. Fällt ein auf einem Pfahl platzierter Tennisball, gibt es zehn Minuspunkte. "Wir wollen fachmännisches Arbeiten im Wald sehen, es kommt uns auf die saubere Ausführung an", erklärt Markus Freyburger. „Die Zeit ist zweitrangig.“
Die amtierende Europameisterin im zweispännigen Holzrücken, Ines Bruchhold, betritt mit ihrem 1,95 Meter Stockmaß großen Vlaams Paard Carlos den Parcours. Sie spricht leise mit dem vierbeinigen Riesen, lenkt ihn präzise durch die Hindernisse und erntet reihum bewundernde Blicke. "Lehrbuchmäßig", bemerkt ein Parcourshelfer, "die beiden sind einfach ein tolles Team". Dass das Paar am Ende den Gesamtsieg holt, wundert keinen. Das Geheimnis ihres Erfolgs sei Hartnäckigkeit, viele Wiederholungen und Übung, erzählt sie und lächelt. „Und wenn es mal nicht klappt, geht man zum nächsten Turnier, da darf man nicht enttäuscht sein.“
Die Stimmung unter den Teilnehmern ist gelassen
Abseits des Platzes geht es entspannt zu. Martin Mager sitzt unter einem grünen Sonnenschirm, sein Pferd Baryton grast daneben, ein schönes Bild. Einige auswärtige Fuhrmänner übernachten in Zelten oder Wohnwagen, die Stimmung ist gelassen und kameradschaftlich. Lokalmatador Robert Mutzel rollt an. Im Hänger steht nicht wie geplant Gustl, der verletzungsbedingt ausfiel, sondern Schimmel Willi. Für den Wallach wird es die Turnierpremiere werden. "Der Willi hat die Ruhe weg", bemerkt Mutzel und führt den treuen Vierbeiner zur Geschirrkontrolle. "Es ist wichtig, dass alles zusammenpasst, damit die Arbeit gemacht werden kann und sich das Pferd dabei wohlfühlt", erklärt der Richter.
Und dann geht es für Robert Mutzel auch schon los. Willi wiehert lautstark, als er den Baumstamm die Zuschauergerade entlang zieht. "Ja, der ist freundlich, gell", sagt der Fuhrmann und erntet fröhlich lachende Gesichter. Willi meistert die ersten Hindernisse in aller Seelenruhe - und bleibt irgendwann stehen. Aller Motivationsversuche zum Trotz ist der sanftmütige Riese nicht mehr zu bewegen, Pferdefreund Mutzel bricht den Wettbewerb ab. "Es spricht für dich, dass du ruhig und fair gegenüber dem Pferd bleibst", lobt Tom Richter den Fuhrmann. "Da muss man entspannt bleiben", bemerkt dieser, für ihn stehe das Tierwohl stets im Vordergrund.
Zwei Brüder aus Rammingen sind erstmals am Start
Zwei weitere Unterallgäuer stellen sich an diesem Tag der Holzrücke-Herausforderung. Die Ramminger Johannes und Martin Waltenberger sind mit ihren prachtvollen Zuchthengsten Ramminger und Sangria zu ihrer Wettbewerbspremiere angereist. "Dabei sein ist alles", sind sich die Brüder einig, die gemeinsam mit Vater Alfred Waltenberger bereits in der vierten Generation Süddeutsche Kaltblutpferde züchten. Die kraftvollen Schönheiten werden regelmäßig im eigenen Forstbetrieb im Wald zum Holzrücken eingesetzt und schlagen sich zur großen Freude der Familie auch im Wettbewerb beachtlich. Martin Waltenberger erreicht in der Wertung der bayerischen Meisterschaft auf Anhieb Platz fünf im Ein- und Zweispänner und gewinnt nicht nur zwei Säcke bestes Futter, sondern auch das interne Familienduell um eine Kiste Bier. "Brutal, gar nicht so schlecht", freut er sich und lächelt zufrieden.
Auch der mehrfache Europameister Robert Pritzi startet mit seinen bestens ausgebildeten Kaltblütern Rune und Seppi und meistert den Parcours in der Hälfte der zur Verfügung stehenden Zeit. "Ich brauche da nicht viel überlegen, ich war mit meinem Papa im Wald seit ich acht Jahre alt war", erzählt der erfahrene Fuhrmann und strahlt. "Das war exzellent", lobt Herbert Mayer, der als Sprecher den Zuschauern mit großem Fachwissen und netten Details zu jedem Gespann unermüdlich den ganzen Tag das Geschehen im Parcours erläutert. "Es ist ein optimaler Turnierplatz, wir sind ganz begeistert", freut er sich.
Auch der Turnierleiter und Vorstand der einladenden Interessengemeinschaft Zugpferde Landesverband Bayern Alexander Göbel und die Vorsitzende des Reit- und Fahrvereins Bad Wörishofen Silke Jakwerth zeigen sich rundum zufrieden. "Es war unfallfrei für Pferd und Mensch, das ist das höchste Gut", betont Markus Freyburger und begrüßt die Ehrengäste zur Siegerehrung. Bürgermeister Stefan Welzel und der Behördenleiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Krumbach Rainer Nützel gratulieren nach ihren Grußworten den Siegern und Platzierten. Bayerischer Meister im Ein- und Zweispänner wird überraschend Alexander Rummelsberger aus Ohlstadt, der sein Glück überhaupt nicht fassen kann. "Ohne Worte, das muss ich jetzt erst einmal verarbeiten", sagt er und schickt als allererstes ein Siegerfoto zu seiner Frau nach Hause. Mit dem Sieg qualifizierte er sich für die deutsche Meisterschaft im Holzrücken, die vom 31. August bis 1. September 2024 in Sachsen-Anhalt stattfinden wird.
Die Ergebnisse der bayerischen Meisterschaft
Einspänner:
Platz 1: Rummelsberger, Alexander aus Ohlstadt / Punktzahl 1158 / Pferd Stella
Platz 2: März, Jonhann, Sen. aus Bad Heilbrunn / Punktzahl 1121 / Pferd Ute
Platz 3: Arzberger, Korbinian aus Griesau / Punktzahl 1066 / Pferd Stratos
Platz 4: Hundsdorfer, Reinhard aus Denkendorf / Punktzahl 1060 / Pferd Norris
Platz 5: Waltenberger, Martin aus Rammingen / Punktzahl 990 / Pferd Ramminger
Zweispänner:
Platz 1: Rummelsberger, Alexander aus Ohlstadt / Punktzahl 971 / Pferde Stella und Simmerl
Platz 2: Hundsdorfer, Reinhard aus Denkendorf / Punktzahl 962 / Pferde Chuck und Norris
Platz 3: Arzberger, Korbinian aus Griesau / Punktzahl 941 / Pferde Stratos und Libelle
Platz 4: März, Thomas aus Bad Heilbrunn / Punktzahl 910 / Pferde Nanni und Uli
Platz 5: Waltenberger, Martin aus Rammingen / Punktzahl 862 / Pferde Ramminger und Sangria
Gesamtwettbewerb
Einspänner:
Platz 1: Bruchhold, Ines / Punktzahl 1216 / Pferd Carlos
Platz 2: Rummelsberger, Alexander / Punktzahl 1158 / Pferd Stella
Platz 3: Posautz, Rene / Punktzahl 1154 / Pferd Flip
Platz 4: März, Johann, Sen. / Punktzahl 1121 / Pferd Ute
Platz 5: Zechner, Thomas / Punktzahl 1114 / Pferd Saphira
Zweispänner:
Platz 1: Wöhr, Richard / Punktzahl 1050 / Pferde Fritz und Holly
Platz 2: Pritzi, Robert / Punktzahl 1040 / Pferde Rune und Seppi
Platz 3: Gulz, Thomas / Punktzahl 1040 / Pferde Fritz und Holly
Platz 4: Zechner, Thomas / Punktzahl 1025 / Pferde Saphira und Lilly
Platz 5: Mätzler, Gerhard / Punktzahl 1020 / Pferde Samira und Hektor
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