Im Spätsommer kamen die ersten Gerüchte auf: „Der Hahn vom FCA hat sich eine Villa in Zaisertshofen gekauft.“ Und: „In Zaisertshofen wohnt bald ein Nationalspieler.“ Die Gerüchte bewahrheiteten sich: Seit Ende Oktober lebt Fußballprofi André Hahn vom FC Augsburg in der 1000-Seelen-Gemeinde im Unterallgäu. Wir haben ihn vor Weihnachten in Augsburg zum Interview getroffen.
André Hahn, die Frage, die sich natürlich aufdrängt: Wie kommt man als FCA-Profi darauf, nach Zaisertshofen zu ziehen? So nah an Augsburg liegt es nun doch nicht.
André Hahn: Nee, das stimmt. Speziell auf Zaisertshofen sind wir auch gar nicht gekommen. Wir haben nach einem Haus mit Garten gesucht. Und in Augsburg war nichts Passendes dabei. Wir wussten selber gar nicht so genau, wo Zaisertshofen liegt. Aber dann haben wir das Haus gesehen und es hat uns sehr, sehr gut gefallen. So haben wir gesagt, okay wir kaufen das. Es hat alles gepasst und so haben wir uns entschieden, nach Zaisertshofen zu ziehen.
Der Weg zur Arbeit und zum Stadtleben in Augsburg ist nun etwas länger.Mussten Sie bei Ihrer Frau Überzeugungsarbeit leisten?
André Hahn: Wir sind beide, ich sag’ mal, dörflich groß geworden und sind nie die Großstadtmenschen gewesen, die gerne mitten in der Stadt wohnen. Lieber etwas außerhalb, mit Garten. Es sind für mich 50 Kilometer zur Arbeit, aber ich bin die Strecke abgefahren. Ich brauche etwa 35 Minuten. Morgens ist da nicht viel Verkehr, wenn ich zum Training fahre. In Hamburg habe ich 20 Kilometer vom Stadion weg gewohnt – und bin dabei fast jeden Morgen eine Stunde gefahren. Ich fahre jetzt zwar die doppelte Strecke, brauche aber dafür nur die halbe Zeit. Das ist okay für mich. Auch für meine Frau. Es war eine gemeinsame Entscheidung, nachdem wir Vor- und Nachteile abgewogen haben.
Gibt es denn einen Nachteil?
André Hahn: Jetzt, wo man da lebt, muss ich sagen: Es ist sehr, sehr ländlich. Ob das nun ein Nachteil ist, weiß ich nicht. Man ist nicht mal schnell in Augsburg, um in ein Restaurant zu gehen, das wir schon kennen. Manche Sachen, die man in Augsburg spontan machen kann, gehen halt hier nicht. Aber das ist kein Nachteil, vielleicht ein kleiner Minuspunkt (lacht).
Schnell Anschluss zu finden ist man als Fußball-Profi aber wohl eher gewöhnt.
André Hahn: Genau, ich komme auch relativ schnell klar. Gerade, wenn man die Mannschaft und die Region schon kennt. Für meine Frau und das Kind ist das schon schwieriger, Anschluss zu finden. Da muss man sich etwas bemühen.
Wie schwierig ist es, in einem Dorf wie Zaisertshofen Anschluss zu finden. Noch dazu als Neuling aus der Stadt?
André Hahn: Wir leben uns jetzt erst mal ein. Aber die Leute sind freundlich und sehr nett, da kann ich nur Positives sagen. Sie gehen offen auf einen zu und dadurch, dass wir ein Kind im Kindergarten haben, das auch ins Nachmittagsturnen geht, lernt man schon schnell Leute kennen.
Merkt man seinen eigenen „Promistatus“ im Dorf?
André Hahn: Natürlich wissen die Leute, wer ich bin und was ich mache. Da sind auch viele FCA-Fans. Ich hab schon viele getroffen. Viele trauen sich gar nicht, einen groß anzusprechen. Andere gehen da schon forscher drauf: ‘Oh, jetzt müsst ihr aber langsam mal wieder gewinnen’. Aber alles mit dem nötigen Respekt und sehr angenehm. Respekt als Grundprinzip muss aber auch da sein. Dann unterhalte ich mich mit den Leuten sehr gerne. Es ist nicht so, dass ich bevorzugt werde. Die Leute finden es eher cool, dass ich in der Ecke bin und freuen sich, einen auch mal zu sehen, und unterhalten sich kurz. Es sind alles freundliche Menschen.
Einer Ihrer Vorgänger beim FC Augsburg, Sascha Mölders, hatte sich an seinem Wohnort Mering beim örtlichen Fußballverein voll eingebracht, eine Jugendmannschaft und die Senioren trainiert. Kann sich der TSV Zaisertshofen auf einen Jugendtrainer André Hahn freuen?
André Hahn: Das ist jetzt gerade noch schwierig zu sagen. Spaß an so was habe ich natürlich schon. Aber dadurch, dass der Kleine in den Kindergarten geht und ich Training habe, genieße ich die freie Zeit mit ihm zuhause. Wenn man über so was spricht, dann eher, wenn mein Kleiner auch selber fußballerisch aktiv ist. Und wenn ich ehrlich bin: Das Schöne an dem Leben hier ist, dass man auch seine Ruhe hat. Ich bin manchmal ganz froh, wenn ich nichts mit Fußball am Hut habe.
Was machen Sie sonst mit Ihrer Familie in Ihrer Freizeit? In Zaisertshofen?
André Hahn (lacht): Ich gehe mit dem Kleinen gern an die frische Luft. Dann hat meine Frau auch einmal ihre Auszeit. Wir gehen sehr gerne Essen, in Parks und Zoos – wenn das Wetter mitspielt. Ich habe Glück, dass mein Kind immer raus will und nicht daheim vor dem Fernseher sitzt. Wir spielen Fußball, Verstecken, Fangen, Rutschen, Schaukeln. Ich bin dann eher der Spiele- und Tobe-Partner, bei Mama ist es dann die Kuschel-Zeit.
Kann man als Profi in einer kurzen Winterpause eigentlich richtig abschalten oder schaut man doch immer auch im Internet, was es Neues gibt?
André Hahn: Ich lese allgemein relativ wenig. Hier vielleicht ein bisschen mehr, in Hamburg habe ich fast gar nichts gelesen. Aber wenn ich im Urlaub bin, bin ich im Urlaub und nehme dann auch nur die wirklich wichtigen Sachen wahr. Ich versuche, abzuschalten, weil es auch enorm wichtig ist. Die Hinrunde war anstrengend, die Rückrunde wird wahrscheinlich noch anstrengender. Da muss man die Zeit nutzen. Komplett kriegt man den Kopf eh nicht frei, erst recht in einer Situation, in der wir gerade sind. Es geht leichter, wenn du gerade Achter bist.
Sie haben das Haus in Zaisertshofen bewusst gekauft und wollen sesshaft werden. Das klingt danach, dass Sie ihre Karriere auch beim FCA ausklingen lassen?
André Hahn: Mein Plan ist es nicht, in den nächsten Jahren noch mal zu wechseln. Aber es ist Fußball und man weiß nie, wie es kommt. Eine Garantie hat man nicht. Aber ich habe nicht vor, die erstbeste Möglichkeit wahrzunehmen, um hier wegzukommen. Es war jetzt eine ganz bewusste Entscheidung für die Zukunft. Ich bin jetzt 28, habe Familie. Da muss man auch Rücksicht nehmen. Wir fühlen uns hier sehr wohl und mein Plan ist es, den Vertrag hier zu erfüllen.
Und danach?
André Hahn: Das ist jetzt schwierig zu sagen. Es sind noch vier, fünf Jahre bis dahin. Ich hoffe, dass ich solange, wie es geht, Fußball spielen kann. Dass mein Körper das mitmacht. Was danach passiert, muss man dann sehen.
Kommen wir zu Ihrem Sportjahr 2018. Das war geprägt von Höhen, aber auch einer ganz tiefen Tiefe: dem Abstieg mit dem HSV. Zehrt das noch an einem?
André Hahn:Ja, so etwas vergisst man nicht. Das ist das, was sich kein Sportler wünscht, einmal abzusteigen. Aber es ist passiert, das muss man so hinnehmen. Ich versuche, das abzuhaken und denke nicht nicht mehr allzu viel dran. Es war eine Erfahrung, die ich gemacht habe, das ganze Jahr in Hamburg, aus der ich gelernt habe und mich weiterentwickelt habe. In der Hinsicht sehe ich es positiv, dass ich diese Erfahrung an junge Spieler weitergeben kann.
Hören Jugendspieler zu?
André Hahn: Ich bin nicht der, der große Reden schwingt und jungen Spielern Predigten hält. Aber es gibt schon junge Spieler, die nachfragen. Der Erfahrungsaustausch ist auch wichtig. Ich fand das früher immer gut. Ich höre den jungen Spielern auch zu, sie haben schließlich auch schon Erfahrungen gemacht. Das ist keine Frage des Alters, denn lernen kann man immer.
Eine weitere Erfahrung war Ihr Debüt in der Nationalelf. Vor der WM 2014 hatten Sie ein Länderspiel absolviert, wurden dann aber am nächsten Tag aus dem Kader gestrichen.
André Hahn: Ich hab’ es noch am selben Abend erfahren. Löw hat es mir persönlich gesagt, dass ich nicht dabei bin. Natürlich ist das sehr schade gewesen für mich. Ich hätte gerne die Chance gehabt, mit ins Trainingslager zu fahren und mich zu zeigen. Es sollte nicht sein, aber ich bin stolz und froh, dabei gewesen zu sein. Es ist nicht so, dass ich danach geheult habe. Klar war ich enttäuscht. Aber der Stolz, überhaupt für Deutschland spielen zu dürfen, hat überwogen.
Aktuell ist die Nationalmannschaft eher weiter weg, der Abstiegskampf rückt dagegen näher, als einem FCA-Fan lieb sein kann. Woran liegt es, dass es für Ihre Mannschaft derzeit nicht so läuft? Was macht Hoffnung.
André Hahn: Wir haben einfach die Qualität und die auch schon oft auf den Platz gebracht. Wir haben keine Spiele, in denen wir untergegangen sind. Es waren einfach individuelle Fehler, die entschieden haben, hinten wie vorne. Daran müssen wir arbeiten und Gas geben. Wir brauchen einfach wieder ein Erfolgserlebnis, dann geht es ganz schnell wieder in die andere Richtung. Es ist alles recht eng, nach unten und nach oben. Wenn man einen Lauf kriegt, ist man schnell wieder im Soll. Aber man darf sich nicht darauf verlassen und sagen: „Irgendwann wird das schon.“
Trotzdem dürfte das Arbeiten deutlich angenehmer sein, als in der gleichen Situation in Hamburg.
André Hahn (lächelt): Ja, um Welten angenehmer. In Hamburg standen jeden Tag acht Artikel in der Bild-Zeitung, im Internet jede Stunde ein neuer. Das war schwierig, da wurde alles sehr negativ geredet von der Presse. Das ist hier anders. Natürlich wissen wir, dass es im Moment nicht gut läuft. Wir wissen auch, dass es gewisse Kritik zu Recht gibt. Die muss auch sein im Fußball, denn Schönreden bringt nichts. Aber hier in Augsburg geht nicht gleich die Welt unter. Wenn man sieht, wie die Fans uns zuletzt unterstützt haben, obwohl es seit einigen Spielen nicht läuft, dann tut das gut. Das wollen wir natürlich zurückzahlen.