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Pfeife statt Trainerschein

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    „Jetzt mal sachte!“ Jürgen Warnck ist seit über 15 Jahren Schiedsrichter. Seit zwei Jahren ist er Obmann der Gruppe Südschwaben.
    „Jetzt mal sachte!“ Jürgen Warnck ist seit über 15 Jahren Schiedsrichter. Seit zwei Jahren ist er Obmann der Gruppe Südschwaben. Foto: Radloff

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    Mindelheim Wer sich auf die Suche nach Idealisten macht, wird vor allem auf Sportplätzen fündig. Da stehen sie, die Mütter und Väter, die als Betreuer oder Trainer den Sprösslingen das Fußballspiel näherbringen. Der größte Idealist aber steht meist mitten auf dem Platz – der Schiedsrichter. Was treibt jemanden an, Woche für Woche Fußballspiele zu leiten, anstatt selber zu spielen? Sich bei diversen Entscheidungen immer wieder den Ärger der Spieler und Zuschauer anhören zu müssen? Sich Fehler eingestehen zu müssen, die aber nicht mehr korrigiert werden können?

    Jürgen Warnck ist so ein Idealist. Der 52-jährige Mittelneufnacher pfeift für den ASV Hiltenfingen und leitete bis Sommer 2010 Spiele in der höchsten schwäbischen Spielklasse, der Bezirksoberliga. Bis dahin war es ein kurzer, aber nicht unbedingt einfacher Weg. „Ich war ein Spätberufener und habe erst mit 37 Jahren richtig zum Pfeifen angefangen“, sagt Warnck.

    Zuvor spielte der gebürtige Gelsenkirchener, der mit sechs Jahren nach Bobingen kam, jahrelang beim TSV Bobingen. Als Vorstopper. Mit der A-Jugend wurde er Landkreismeister, in der Schwabenauswahl spielte er in einer Mannschaft mit Bernd Schuster. Aus beruflichen Gründen gab er seine aktive Karriere auf und wollte Mitte der 1990er Jahre seinen Trainerschein machen. Voraussetzung war damals, dass man 15 Spiele in einem Jahr als Schiedsrichter pfeifen musste.

    An sein erstes Spiel kann er sich noch gut erinnern: „Das war ein B-Jugendspiel in Pfaffenhausen.“ Und obwohl er doppelt so alt war, wie die Spieler, war er „nervös wie ein kleiner Schulbub“. Als ob es eine Schulaufgabe gewesen wäre, musste er auch gleich einen Strafstoß geben. „Das war schon ein kleiner Stressfaktor“, gibt er zu. Einer, dem er aber verfallen sollte. Denn statt auf den Trainerstuhl zog es ihn zur Pfeife. „Ich bin bei den Schiedsrichtern hängen geblieben“, sagt Warnck. Das war 1996. Es folgte ein schneller Aufstieg. Nach einem Jahr pfiff er bereits in der Kreisliga, wiederum ein Jahr später durfte er in der Bezirksliga ran – vielleicht etwas zu früh. Denn nach nur einem Jahr musste er wieder hinunter. Sein Ehrgeiz war jedoch so groß, dass er sofort wieder aufstieg und bis 2010 von Sonthofen bis Nördlingen auf Bezirksebene gepfiffen hat.

    „Ohne ein dickes Fell und einen gewissen Idealismus geht das nicht“, sagt Warnck. Kampfhähne auf dem Rasen zu trennen ist eine Sache, die Beschimpfungen von Spielern, Trainern oder Zuschauern zu ertragen, eine andere. Vor allem im Jugendbereich habe der Respekt gegenüber dem Schiedsrichter deutlich nachgelassen. „Wenn man sich alles zu Herzen nimmt, müsste man nach wenigen Wochen wieder aufhören“, sagt der 52-Jährige. Doch er hat durchgehalten. Weil er den Fußball liebt, weil ihm das Pfeifen Spaß macht.

    Als vor einigen Wochen der Bundesliga-Referee Babak Rafati versucht hatte, sich das Leben zu nehmen, war schnell die Rede von dem immensen Druck, der auf den Schiedsrichtern lastet. Zwar waren wohl private Gründe Rafatis Motiv, doch Warnck hätte auch die andere Erklärung „sofort geglaubt“. Schließlich sei der Druck auch in den unteren Spielklassen für einen Schiedsrichter hoch. Rund 1200 Spiele, mal vor 20 Zuschauern, mal vor 2000, haben ihn das erfahren lassen und ihn geprägt. Warnck gilt in der Fußballszene als kompromissloser Spielleiter. Aber auch als einer, der über Jahre hinweg richtig gute Leistungen brachte. Das wird honoriert. So wie bei seinem letzten BOL-Spiel im Sommer 2010 zwischen dem SC Bubesheim und dem TSV Schwaben Augsburg, wo er von den Spielern verabschiedet wurde. Da soll sich sogar der „harte Hund“ die eine oder andere Träne aus dem Auge gewischt haben.

    Heute pfeift Jürgen Warnck noch auf Kreisebene. Er ist stellvertretender Lehrwart und seit zwei Jahren Obmann der Schiedsrichtergruppe Südschwaben. Mehr Idealismus geht kaum.

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