Man schrieb den 26. Oktober 1980: In der Fußball-Landesliga – damals die vierthöchste Liga –trat der Aufsteiger und krasse Außenseiter SVS Türkheim beim Meisterschafts-Favoriten in Unterhaching an.
Was man in Unterhaching von den angereisten Gästen hielt, druckte die Stadionzeitung der Spielvereinigung per Promi-Tipps schwarz auf weiß ab. Von 4:1 bis gar 6:0 für die Gastgeber reichten die Prognosen. Kein Wunder, wartete vor den Toren Münchens doch eine Profi-Truppe, die mit Ex-Bundesligaspielern und ehemaligen Nationalspielern, wie beispielsweise Anton Schrobenhauser, Rudolf Hannakampf, Hans Haunstein, Rudi Grosser und anderen, nur so gespickt war.
Selbst Unterhachings Trainer war hochkarätig, denn an der Seitenlinie coachte Peter Grosser höchstpersönlich. Die Löwen-Legende hatte sich beim TSV 1860 München einst Kult-Status erspielt. Nun also leitete der Ex-Nationalspieler das Projekt Aufstieg in Unterhaching.
Nur über die Höhe des Sieges wurde in Unterhaching diskutiert
Das Ergebnis gegen diesen schwäbischen „Dorfverein“ schien bei den Hausherren nur eine Frage der Höhe zu sein. So war die Rollenverteilung bei Spielbeginn klar. Entsprechend vehement und mit hohem Tempo legten die Vorstädter Münchens dann auch los. Für sie gab es nur eines: Ein klarer Heimsieg gegen den schwäbischen Aufsteiger auf dem Weg zur Meisterschaft.
Stabile Abwehr war also angesagt beim SVS. Insbesondere für Türkheims Innenverteidiger Silverius Bihler und Alfons „Charly“ Braun war es wahrlich ein Härtetest, sie erledigten ihre Aufgaben jedoch bravourös. Anrennen lassen und auf Konter lauern, lautete das Motto. Deshalb spielte sich das Geschehen überwiegend in der Hälfte der Gäste ab. Chancen für die Hausherren ließen dann auch nicht lange auf sich warten. Insbesondere Kapitän Wolfgang Proksch erspielte sich mehrere sehr gute Tormöglichkeiten, die er aber doch etwas leichtfertig liegen ließ. Nach einem Alleingang prüfte Hachings Hans Haunstein Türkheims Torhüter Reinhard Kugelmann mit einem Gewaltschuss. Türkheims Keeper zeigte sich jedoch glänzend aufgelegt.
Der Pfosten rettete den SVS Türkheim vor dem Rückstand
Im zweiten Abschnitt wurden die Gäste zwar etwas mutiger und hatten ebenfalls die eine oder andere Möglichkeit, doch die Dominanz der Oberbayern ließ nicht nach. Erneut scheiterte der Ex-Löwe Hans Haustein, diesmal am Pfosten.
Die Schlussphase geriet schließlich zum Sturmlauf der Gastgeber. So waren bei den Türkheimern zwangsläufig auch Spielgestalter Klaus Ammann und Mittelstürmer Gerd Ziegler in die Defensive eingespannt. Der SVS Türkheim warf Engagement und Können in die Waagschale, auch Fortuna half vereinzelt mit. Unmittelbar vor dem Abpfiff dann doch plötzlich beinahe die Entscheidung – für Türkheim. Bei einem satten Schuss hatte Hachings Keeper Anton Schrobenhauser keine Chance. Das Leder jedoch klatschte an die Querlatte und so blieb es beim torlosen Unentschieden.
Die Enttäuschung über die Punkteteilung stand den Spielern Unterhachings buchstäblich ins Gesicht geschrieben, während die Türkheimer mit dem Auswärtspunkt mehr als zufrieden waren.
Der etatmäßige Libero fehlte den Türkheimern
Eine zurückliegende Verletzung hatte Türkheims etatmäßigen Libero Wolfgang Neumaier – einer der Aufstiegshelden – auf die Bank verbannt: „Leider konnte ich wegen einer Verletzung nur zuschauen. Für mich persönlich natürlich schade, aber das Team hat sich bestens verkauft. Das war zu Hause natürlich eine Feier wert“, erinnert er sich.
Abwehrrecke Silverius Bihler, später langjähriger Bürgermeister Türkheims, kann sich auch nach 40 Jahren noch ganz genau an die Partie erinnern: „Wir waren natürlich hochgradiger Außenseiter. Aber wir haben alles gegeben und so war das Unentschieden letztlich auch nicht unverdient. Gerade dem ’Profi-Team’ Unterhaching einen Punkt abzunehmen, hat uns natürlich ganz besonders gefreut.“
Es sollte einer der wenigen positiven Höhepunkte bleiben. Denn ein Happy-End blieb dem SVS Türkheim versagt: Er konnte die Klasse nicht halten und stieg am Ende der Saison wieder ab. Unterhaching wurde überlegen Meister.
Dennoch markierte der Aufstieg in die Landesliga den bislang größten sportlichen Erfolg in Türkheims Fußball-Historie. Die Marktgemeinde zollte den Kickern damals mit einer eigens geschaffenen Medaille und einem Empfang im Rathaus samt Eintrag in das Goldene Buch der Gemeinde dafür den verdienten Respekt.
Die Aufstellungen:
SVS Türkheim Kugelmann, Jürgen Huber, Bihler, Gaaß, Braun, Hassmann, Paulus, Ammann, Josef Huber, Mayr, Ziegler, Prestele
SpVgg Unterhaching Schrobenhauser, Kurz, Hannakampf, Leidecker, Starnberg, Haunstein, Grosser, Kemper, Proksch, Ehrensberger, Wagner, Laschinger, Fichtner, Heigl, Buchalik
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