Startseite
Icon Pfeil nach unten
Mindelheim
Icon Pfeil nach unten
Lokalsport
Icon Pfeil nach unten

Fußball: Die Musik spielt mittlerweile woanders

Fußball

Die Musik spielt mittlerweile woanders

    • |
    Weltmeister Roberto Carlos war mit Fenerbahce Istanbul zu Gast in Bad Wörishofen. 
    Weltmeister Roberto Carlos war mit Fenerbahce Istanbul zu Gast in Bad Wörishofen.  Foto: Thorsten Spielmann

    Das Bild ging um die Welt: Ein weißhaariger Mann, Mitte 50, stakst mit hochgekrempelter Trainingshose durch eine Wassertretanlage. Hinter ihm her tun es ihm einige junge Männer mit gebräunter Haut und schwarzem Haar. Um das Becken herum stehen zahlreiche Kamerateams und Fotografen. Warum? Der weißhaarige Mann war Bernd Stange, seinerzeit Trainer der irakischen Fußball-Nationalmannschaft. Im August 2003 weilte Stange mit seinen Spielern in Bad Wörishofen zum Trainingslager. Dem ersten nach dem Irakkrieg. Und dem ersten, das die Stadt Bad Wörishofen auf einen Schlag bekannt machen sollte für Fußballvereine und Nationalteams.

    In der Folge kamen im jährlichen Rhythmus, meist zwischen Ende Juni und Mitte Juli, Profiklubs aus verschiedenen Ligen und Ländern in die Kneippstadt. Egal, ob der 1. FC Nürnberg oder Borussia Mönchengladbach, ob Olympiakos Piräus, Fenerbahce Istanbul oder die kasachische Nationalmannschaft – der Unterallgäuer Fußballfan kam immer mal wieder in den Genuss, die Stars hautnah zu erleben.

    Doch die Zeiten, in denen sich Mannschaftsbusse in der kleinen Straße Richtung Sportgelände am Unteren Hart stauen, sind vorbei. In diesem Jahr bereiteten sich nur der Zweitligist SV Sandhausen und Regionalligist FV Illertissen auf die neue Saison in Bad Wörishofen vor. Im vergangenen Jahr sagte gar ein Drittligist wie Dynamo Dresden noch kurzfristig ab. Diesmal verzichteten der VfB Stuttgart sowie Dynamo Moskau und Terek Grosny.

    Axel Morel sieht die Konkurrenz in Österreich

    Der Mann, der seit beinahe 20 Jahren die Fäden in Sachen Trainingslager in Bad Wörishofen zieht, ist Axel Morel. Der 75-jährige Westfale gründete das Unternehmen AMC-Sportmarketing in Krefeld und ist mittlerweile Angestellter seines Sohnes Alexander. Über 100 Teams habe er nach eigenen Angaben schon in die Region vermittelt. Dass es in den vergangenen Jahren schwieriger wurde, gibt er offen zu: „Fußballvereine wollen einerseits kein Geld ausgeben, dafür aber den größtmöglichen Luxus bekommen“, sagt er. In Österreich oder Norditalien gebe es Trainingslager zum Nulltarif: „Da schließen die G

    emeinden Dreijahresverträge mit Vereinen ab.“ Die Klubs zahlen wenig bis nichts – sind dafür als Werbepartner für die jeweilige Region bestens geeignet. Bestes Beispiel ist Trentino. Die Region am Gardasee hat seit 2010 einen Kontrakt mit dem FC Bayern München. Während die Bayernspieler also das Trentino in Werbespots und Anzeigen in den höchsten Tönen loben, ist Kost und Logis für den Verein gratis. „Das muss man sich halt leisten können“, sagt Morel und geht dabei von einer Summe um die 100000 Euro aus.

    Geld, dass eine Kommune wie Bad Wörishofen nicht für diese Zwecke hat. „Finanziell wäre das nicht zu stemmen. Wir machen Imagewerbung für den ganzen Ort“, sagt Werner Büchele, stellvertretender Kurdirektor der Stadt. Hauptzweck sei die Kneipp’sche Gesundheitslehre. Allerdings: Für Trainingslager stellt die Stadt die Plätze kostenlos zur Verfügung.

    Nicht nur das Geld spielt eine Rolle

    Geld ist jedoch nur das eine, die Kapazitätsfrage das andere. So habe dem VfB Stuttgart das Paket in Bad Wörishofen gut gefallen. Allerdings hatte das bevorzugte Hotel zum gewünschten Zeitpunkt nicht genügend freie Zimmer, wie Morel sagt. Ein Hotel muss groß genug sein, mit Pool, Massage- und Fitnessräumen ausgestattet sein. Zudem muss es auch Fußballer wollen. „Es kann schon sein, dass man da mit Stammgästen Probleme bekommt“, sagt etwa Christoph Ernst vom Golf- und Spa-Hotel Tanneck. „Die einen erzählen noch ihren Kindern davon, wie sie mit Thomas Müller frühstücken waren, die anderen finden es doof.“ Er könne sich durchaus vorstellen, einen Klub einzuquartieren, sei aber noch nie angefragt worden.

    Von einer offensiven Werbung, wie sie etwa das Trentino praktiziert, hält er jedoch wenig. „Der Fußball ist ein regulierter Markt und geht über Agenten. Die werden gezielt von Regionen umworben – und vermitteln entsprechend. Da hätten wir keine Chance.“

    Und dann hat auch noch der Trainer andere Pläne

    Ein weiterer Knackpunkt sind die Trainer und deren Vorstellungen. Gibt es einen kurzfristigen Trainerwechsel, dann kann es sein, dass sämtliche Planungen über Bord geworfen werden, weil sie nicht den Vorstellungen des neuen Coaches entsprechen. So erlebte es Morel etwa in diesem Jahr mit dem FC Basel. Mitte Juni verließ Paulo Sousa den Klub in Richtung AC Florenz, sein Nachfolger wurde Urs Fischer. Und der setzte offenbar andere Schwerpunkte: Nur noch eines statt der geplanten drei Testspiele sollte es sein. Für Morel fiel also ein attraktiver Gegner weg – und prompt ein komplettes Trainingslager einer Mannschaft, die auf eben jenes Spiel Wert gelegt hatte. Der Trend geht nämlich genau in diese Richtung. „Die Mannschaften wollen möglichst viele Freundschaftsspiele austragen“, sagt Morel.

    Vor allem russische Mannschaften seien in dieser Hinsicht sehr fordernd: „Die wollen am liebsten morgens gegen Barcelona, mittags gegen Real und abends noch gegen Liverpool spielen.“ Und das möglichst ohne großen Aufwand. „Die Anreise zu den Spielen darf nicht länger als 45 Minuten dauern“, sagt er. Sprich: Es sollte sich im Umkreis von 80 Kilometern eine attraktive Mannschaft sowie ein geeigneter Spielort finden. „Das geht natürlich in Österreich leichter. Da tummeln sich im Sommer um die 80 Profiteams.“ Während in Bad Wörishofen der SV Sandhausen schon wieder abgereist ist.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden