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Eishockey: Der Regelhüter aus Bad Wörishofen

Eishockey

Der Regelhüter aus Bad Wörishofen

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    Da geht’s hin: Thomas Schurr zeigt am Bildschirm das Eishockey-Stadion in Gangneung, in dem das olympische Turnier ausgetragen wird.
    Da geht’s hin: Thomas Schurr zeigt am Bildschirm das Eishockey-Stadion in Gangneung, in dem das olympische Turnier ausgetragen wird. Foto: Axel Schmidt

    Die Urkunde ist das Einzige, was aus seiner aktiven Schiedsrichterkarriere noch an der Wand im Wohnbereich seines Hauses hängen darf: Darauf ist die Teilnahme von Thomas Schurr als Linienrichter bei den Olympischen Spielen 1998 in Nagano verbrieft. „Alle anderen Devotionalien aus meiner Karriere musste ich in den Keller verbannen“, sagt Schurr und lacht.

    Kein Wunder, dreht sich doch im Hause Schurr in Bad Wörishofen seit Jahrzehnten alles um Eishockey. Früher war Thomas Schurr als Schiedsrichter in der DEL unterwegs, heute ist er es als Beobachter. Beim Internationalen Eishockeyverband IIHF hat er sich über die Jahre einen Namen – und Karriere – gemacht. Als Supervisor war er bereits bei den vergangenen beiden WM-Turnieren der Profis in Russland und Frankreich im Einsatz.

    Ein internationales Quartett

    Ab dem 10. Februar folgt ein weiterer Höhepunkt: die Reise nach Pyeongchang, zu den Olympischen Winterspielen. Genauer gesagt nach Gangneung, einer 250000-Einwohner-Stadt an der Ostküste Südkoreas. Dort findet im Hockey Centre das Olympische Eishockey-Turnier der Männer statt. „Ich hätte nicht mit der Teilnahme gerechnet“, sagt der 48-Jährige. „Aber wir sind seit ein paar Jahren ein gutes Team.“ Damit meint er sich und seine drei Kollegen aus Russland, den USA und Finnland, die ein solches Turnier begleiten. In Südkorea werden sie wieder zunächst die Trainer der teilnehmenden Mannschaften auf kleinere Neuerungen im Regelwerk einstimmen, etwa die „Coaches Challenge“. Dahinter verbirgt sich die Möglichkeit für jeden Trainer, den Videobeweis nach Gegentoren anzufordern. Nämlich dann, wenn sie Abseits, Torraumabseits oder Torwartbehinderung reklamieren. Dann können die Torszenen noch einmal am Bildschirm genau studiert werden. Allerdings sollten sich die Trainer ihrer Sache auch sicher sein. Denn liegt er mit seinem Einspruch daneben, dann erhält das Team eine Zwei-Minuten-Strafe. „Beim Deutschland-Cup hat man die Coaches Challenge zwar schon einmal getestet, zum Einsatz ist es aber nicht gekommen“, sagt Schurr.

    Nicht nur die Regeln werden geschult

    Doch mit der Regelschulung ist es nicht getan. Auch die Zusammensetzung der Schiedsrichterteams verlangt Fingerspitzengefühl: „Es sind 14 Hauptschiedsrichter aus neun Ländern und 15 Linienrichter aus acht Ländern dabei. Die Kunst ist, dass diese so zusammengestellt werden, dass sie auf dem gleichen Level pfeifen“, sagt Schurr. „Jedes Land hat seine eigene Auslegung der Regeln. In der Schweiz etwa gilt die Null-Toleranz-Grenze beim Halten und Haken.“

    Seit 2010 beobachtet und bewertet er Schiedsrichter für den Internationalen Verband. Erfahrung hat er genug: 15 Jahre lang war er später in Deutschlands höchster Eishockeyliga im Einsatz, außerdem nahm er an zwei Weltmeisterschaften und den Olympischen Winterspielen 1998 in Nagano teil. „Das war das erste Mal, dass ich in Asien war. Es kam mir alles so klein vor“, erinnert sich Schurr. Als Glücksfall hatte sich erwiesen, dass ein japanischer Schiedsrichter dabei war. „Wenn wir ausgegangen sind, dann hieß es immer: Du bestellst, wir essen“, sagt er. Mit der erneuten Teilnahme an den Winterspielen in Asien schließt sich für ihn im Prinzip der Kreis. Mit einem Unterschied: „1998 nahmen erstmals die NHL-Profis teil. Diesmal sind sie nicht dabei“, sagt Schurr.

    Olympia diesmal ohne NHL-Stars

    Weil die nordamerikanische Profiliga ihre Spieler – egal welcher Nationalität – nicht für die Olympischen Winterspiele frei gibt, werden die großen Eishockeystars in Südkorea fehlen. Kein Sidney Crosby, kein Alexander Ovechkin – und auch kein Leon Draisaitl, Dennis Seidenberg oder Tom Kühnhackl. Auch die deutsche Nationalmannschaft wird ohne ihre Stützen aus der NHL auskommen müssen. „Die Chancen auf eine Medaille steigen deshalb nicht“, sagt Schurr. Die russische Profiliga KHL wird die sportliche Lücke sicher mit seinen Stars füllen können. Der Topfavorit auf die Goldmedaille dürfte in diesem Jahr klar die Sbornaja sein – wenn sie auch nicht unter russischer, sondern aufgrund des Ausschlusses Russlands unter neutraler Flagge startet.

    Die politischen Spannungen zwischen dem angrenzenden Nordkorea und der westlichen Welt spielen in Schurrs Gedanken keine Rolle. „Zuletzt hat man sich ja wieder angenähert. Süd- und Nordkorea stellen eine gemeinsame Eishockeymannschaft bei den Frauen.“ Er fliege beruhigt nach Südkorea – und freut sich auf seine zweiten Olympischen Spiele in Asien.

    Wenn Schurr nach der Abschlussfeier wieder nach Deutschland zurückkommt, folgt das nächste Highlight. Im März nämlich spielt sein Sohn mit der Schülermannschaft des ESV Kaufbeuren um die deutsche Meisterschaft. Kann gut sein, dass dann doch eine zweite Eishockey-Urkunde im Schurr’schen Wohnzimmer an die Wand gehängt wird. Die muss ja nicht vom Papa sein.

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