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Eishockey: Als der Berliner Platz in Kaufbeuren noch ein Hexenkessel war

Eishockey

Als der Berliner Platz in Kaufbeuren noch ein Hexenkessel war

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    Als Hexenkessel und bei den Gegnern gefürchtet galt das alte Eisstadion des ESV Kaufbeuren am Berliner Platz. Zuletzt firmierte die zugige Halle als „Sparkassen Arena“. Unser Bild entstand bei einem der letzten Spiele im März 2017, dem Play-off-Viertelfinale gegen Dresden.
    Als Hexenkessel und bei den Gegnern gefürchtet galt das alte Eisstadion des ESV Kaufbeuren am Berliner Platz. Zuletzt firmierte die zugige Halle als „Sparkassen Arena“. Unser Bild entstand bei einem der letzten Spiele im März 2017, dem Play-off-Viertelfinale gegen Dresden. Foto: Mathias Wild

    Kein Stein steht mehr auf dem anderen. Die meisten Steine sind sogar schon abtransportiert. Das altehrwürdige Eisstadion am Berliner Platz in Kaufbeuren ist Geschichte. Fast fünf Jahrzehnte war es Heimat für etliche Kaufbeurer Kufencracks, nicht wenige wurden weit über die Grenzen des Allgäus hinaus bekannt.

    Zwar gab es in der Wertachstadt – gleich neben dem damaligen Gefängnis übrigens – schon seit den 50er Jahren Kunsteis, doch das erste Spiel in überdachter Halle fand erst am 27. September 1969 statt. Gegner Augsburg sollte in den Folgejahren noch häufiger zu geschichtsträchtigen Partien an den Berliner Platz reisen.

    Das Eröffnungsspiel fand gegen Augsburg statt

    Die Auftaktpartie vor ausverkauftem Hause gewann der ESVK knapp mit 6:5, „der Zigarettenkonsum im Pressehäuschen war sagenhaft“, berichtete die Allgäuer Zeitung damals – wohl angesichts des Spiels, das spannend gewesen sei „wie ein Krimi“.

    Erstmals unter Dach: Eröffnungsspiel im September 1969.
    Erstmals unter Dach: Eröffnungsspiel im September 1969. Foto: Rudi Uhrle

    Der AEV und Altmeister EV Füssen, das waren in der Frühzeit des Eissportvereins Kaufbeuren immer besondere Gegner. Ein denkwürdiges Spiel gegen Augsburg erlebten die Fans im Februar 1976. Nach 20 Minuten führten die Fuggerstädter schon mit 5:0. „Wir sind in diesem Spiel wirklich überrascht worden“, blickt der ehemalige ESVK-Spieler Rudolf Uhrle zurück. Ab dem zweiten Drittel startete eine gewaltige Aufholjagd. Nach der Schlusssirene stand es aus Sicht der Allgäuer 7:8. Torreich endete auch ein ganz besonderes Spiel gegen den EV Füssen im September 1981.

    Didi Hegen erinnert sich an torreiche Derbys

    „Spiele gegen Füssen waren etwas Besonderes. Wir haben immer geschaut, dass wir mithalten können“, erinnert sich Dieter Hegen, der Anfang der 80er seine große Karriere im rot-gelben Dress startete. Der ESVK, der an diesem Abend eine 4:0- und 6:2-Führung verspielte, kam unter anderem dank eines unnachahmlichen Penaltys von „Didi“ wieder in die Spur. Am Ende trennten sich beide Teams mit 8:8.

    Es folgten die wohl besten Jahre des Kaufbeurer Eishockeys; goldene Zeiten mit klangvollen Namen wie Vladimir Martinec, Bohuslav Stastny oder auch Karel Holy und Pavel Richter. Ein doppelter Halbfinaleinzug 1984 und 1985. Die Saison 85/86 sei die euphorischste aller Zeiten gewesen, berichtet ESVK-Historiker Manfred Kraus aus Apfeltrach. „Ein ganzes Jahr Gänsehaut, ein Jahr wie ein Traum.“ Teilweise war der ESVK im Spätherbst 1985 Bundesliga-Tabellenführer.

    15.000 Fans wollten einst das Spitzenspiel sehen

    Als im November 1985 Mannheim auf Platz zwei liegend gastierte, sollen in der Geschäftsstelle 15.000 Kartenanfragen eingegangen sein. „Bereits am frühen Nachmittag standen Gruppen vor dem Stadion, und am Abend wurden Karten zu Schwarzmarktpreisen gehandelt“, schrieb die AZ. Hunderte Fans hätten sich das Spiel vor den Toren angehört. Gleichzeitig wurde der ESVK in diesem Monat von Sportjournalisten zur „Mannschaft des Monats“ in Deutschland gekürt.

    Als sich die 80er ihrem Ende zuneigten, bröckelte auch der ganz große Erfolg. Im Frühjahr 1989 stieg Kaufbeuren aus der Eliteliga ab, wollte prompt zurück und hätte das auch geschafft, wäre da nicht das vielleicht denkwürdigste Spiel aller Zeiten am 8. April 1990 gegen Freiburg gewesen. Relegation. Nach 25 Minuten war der ESVK mit 4:1 in Führung und mit eineinhalb Beinen schon wieder in der Bundesliga. „Danach war jeder Schuss ein Treffer. Wir waren plötzlich nervös. Keiner wusste, was passiert“, erinnert sich Stürmer Heiner Römer. Freiburg gewann mit 5:4, Kaufbeuren musste ein weiteres Jahr auf die Rückkehr in die Bundesliga warten.

    ESV Kaufbeuren zählt zu den DEL-Gründungsmitgliedern

    Danach aber gehörten die Wertachstädter 1994 zu den Gründungsmitgliedern der DEL – oder wie Manfred Kraus sagt: einem „gestaltlosen Legionärssammelbecken“. Zu viele Spieler aus Nordamerika führten bald zu einer Entfremdung zwischen Fans und Team. Finanzielle Probleme führten Ende Oktober 1997 zur Insolvenz der Kaufbeurer Adler.

    Einer der dunkelsten Stunden für den ESVK und sein Stadion: Die damals in der DEL spielenden „Adler“ mussten Ende Oktober 1997 Insolvenz anmelden.
    Einer der dunkelsten Stunden für den ESVK und sein Stadion: Die damals in der DEL spielenden „Adler“ mussten Ende Oktober 1997 Insolvenz anmelden. Foto: Repro: Manuel Weis

    1998 wurde die nun wieder als ESV Kaufbeuren agierende Mannschaft vom damaligen Präsidenten Bernhard Pohl neu aufgebaut – in der vierten Liga. 2002 gelang die Rückkehr in die zweite Liga mit einem jungen Team, zu dem auch Patrick Reimer und der spätere NHL-Profi Alex Sulzer zählten.

    In den folgenden Jahren musste der ESVK nochmals den Gang in die Drittklassigkeit antreten, seit 2009 spielen die Joker nun durchgehend in Liga zwei. Der Aufstieg glückte einst gegen Peiting, das damals den noch jungen Stefan Vajs im Tor aufbot. „Kaufbeuren wurde der Favoritenrolle gerecht“, sagt Vajs heute über die Finalserie. Doch mit der Rückkehr in die zweite Bundesliga waren bei Weitem nicht alle Sorgen vorbei.

    Im Dezember 2013 wird das Ende des Stadions eingeläutet

    Zwar schaffte Trainer Ken Latta Anfang der 2010er Jahre mehrfach den Sprung in die Play-offs, doch mit dem Morgen des 14. Dezember 2013 sollte nicht nur ein Knick eintreten, sondern auch das Ende der Stadionära am Berliner Platz eingeläutet werden. „Plötzlich waren Mitarbeiter einer Behörde da“, erzählt Latta über jenen denkwürdigen Vormittag. Umgehend hätte er mit seinen Spielern das Stadion verlassen müssen. Es war festgestellt worden, dass das Fundament wegen Streusalzeintragung baufällig war. Die Stadt sanierte die Sparkassen-Arena für einen siebenstelligen Betrag zwar nochmals – länger als vier Jahre war die Halle aber nicht mehr zu halten.

    Kein Stein mehr auf dem anderen: Die Sparkassen-Arena ist Geschichte.
    Kein Stein mehr auf dem anderen: Die Sparkassen-Arena ist Geschichte. Foto: Mathias Wild

    Es waren Jahre, in denen der ESVK ums Leben heißt. Am 18. Januar 2015 geben die Kaufbeurer in einem Bürgerentscheidungsgrünes Licht für den Neubau einer Eishalle. Als das Ergebnis publik wurde, wurde der Joker gerade gegen Kassel. „Ich glaube, wir haben mal wieder verloren. Aber das Spiel war zweitrangig, weil nun jede Person: Der ESVK wird weiterleben “, heißt sich Michael Kreitl, gehören Spieler, heute verwaltet des ESVK.

    So endete die Zeit des altehrwürdigen Eisstadions als Sportstätte im Herbst 2017. Danach fand die Kaufbeurer Feuerwehr Zuflucht in der maroden Halle, ehe 2020 die Bagger anrollten und Raum schafften für Neues. Angeblich könnte schon bald eine Schokoladen-Erlebniswelt den Berliner Platz versüßen ...

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