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MZ-Landpartie: Aus Unteregg will niemand mehr weg

MZ-Landpartie

Aus Unteregg will niemand mehr weg

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    Gut gelaunt nahmen die Besucherinnen und Besucher der MZ-Landpartie in Unteregg zum Gruppenfoto Aufstellung. Auch eine Abordnung des Musikvereins gab der MZ - neben mehreren Vereinsvertretern und Bürgermeisterin Marlene Preißinger - die Ehre.
    Gut gelaunt nahmen die Besucherinnen und Besucher der MZ-Landpartie in Unteregg zum Gruppenfoto Aufstellung. Auch eine Abordnung des Musikvereins gab der MZ - neben mehreren Vereinsvertretern und Bürgermeisterin Marlene Preißinger - die Ehre. Foto: Sabine Adelwarth

    Walter Sieger und seine Frau Edith kommen mit Bürgermeisterin Marlene Preißinger zur MZ-Landpartie in Unteregg und packen gleich mit an: Die beiden tragen Tische und Stühle auf den Vorplatz des Dorfgemeinschaftshauses, damit die Besucherinnen und Besucher – gut 20 werden es im Laufe des Abends sein – gemütlich zusammensitzen können. Schon beim ersten gut gelaunten „Hallo“ ist klar: Waschechte Unteregger sind die beiden nicht. Dafür aber waschechte Nordfriesen, die erst einmal erklären müssen, wie es sie nach Unteregg verschlagen hat.

    Seit elf Jahren kommen die beiden jedes Jahr hierher. Denn zwischen ihrer Heimatgemeinde Emmelsbüll-Horsbüll und Unteregg gibt es eine Dorfpartnerschaft, die im nächsten Jahr „Silberhochzeit“ feiert. Doch das ist nicht der einzige Grund, der den früheren Bürgermeister von Emmelsbüll-Horsbüll und seine Frau regelmäßig vom Norden in den Süden führt. „Die Menschen sind sehr freundlich und die Gegend ist schön“, sagt Edith Sieger. „Nur leben könnte ich hier nicht.“ Der Grund ist überraschend: Hier ist für ihren Geschmack viel zu wenig Wind. „Sturm ist erst, wenn die Schafe keine Locken mehr haben“, erklärt sie und lacht.

    Für den einen weht in Unteregg zu wenig Wind, für den anderen zu viel

    Viel zu viel Wind befürchtete dagegen Wilhelm Daurer, wie seine Frau Claudia Baumstark erzählt. Sie fuhr damals auf dem Weg von und zur Arbeit regelmäßig durch Oberegg und dachte sich schon länger: „Mei, da tät‘s mir gefallen.“ Als die beiden Landschaftsarchitekten vor 17 Jahren ein Haus mit größerem Garten suchten, wurden die beiden in Oberegg fündig – und Wilhelm Daurer ließ sich überzeugen, dass es sooo windig dann doch nicht ist. Ausschlaggebend für ihre Entscheidung war neben dem schönen Blick ins Mindeltal auch, dass es in Oberegg eine Bäckerei und einen Laden gibt. Dass das bis heute so ist, ist neben vielen anderen auch Claudia Baumstark zu verdanken, die sich für den genossenschaftlichen Dorfladen „Laden-Egg“ engagiert. Sie und ihr Mann vermieten außerdem Ferienwohnungen und haben in dem kleinen Ort schon Gäste aus aller Welt empfangen. Sie fühlen sich wohl hier, fragen sich manchmal aber schon, ob das auch noch im Alter gelten wird. Ein Arzt gibt es in der Gemeinde zum Beispiel nicht und ohne Auto – das bestätigen auch andere Besucherinnen und Besucher – ist man aufgeschmissen. „Aber weg wollen wir eigentlich nimmer“, sagt Claudia Baumstark.

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    Die Gäste der MZ-Landpartie in Unteregg zeigen, dass hier jeder heimisch werden kann.

    Auch Thomas und Jens Öller wollen das nicht. Das Paar ist vor gut 15 Jahren nach Unteregg gezogen und seither vielfach engagiert: Thomas Öller ist der Seniorenbeauftragte der Gemeinde und im Vorstand der Wassergenossenschaft, Jens Vorsitzender des Gartenbauvereins. Beide zusammen sind das Musikduo „Zweierley“ und außerdem Teil der „Buntspechte“, die sich für Menschlichkeit, Toleranz und Vielfalt im Dorf einsetzen. Thomas Öller kommt gerade vom „Uhu-Treff“, dem monatlichen Treff für alle „unter 100 in Unteregg“. Bei Kaffee und Kuchen gibt es einen Vortrag und natürlich auch Klatsch und Tratsch. „Das ist das Wichtigste“, sagt Jens Öller und grinst. In Oberegg gibt es den Nachmittagstreff, der im September wieder startet und auch in Warmisried würden die beiden gerne noch einen Treffpunkt für Senioren etablieren.

    In den Vereinen der Gemeinde kommen Jung und Alt zusammen

    Neben ihnen steht Max Leibrecht, der wie sie ebenfalls ein „Buntspecht“ ist. Insgesamt fünf Jahre hat er auf einer Alm gelebt und ist dann wieder nach Oberegg zurückgekehrt. „Das ist einfach Heimat für mich“, erklärt er. Er ist hier aufgewachsen, mag die Nähe zu den Bergen, die Landschaft und dass in der Gemeinde immer was geboten ist. „So viele Aktivitäten, wie man hier machen kann, das gibt‘s selten“, ist er überzeugt. Auch Elisabeth Mayer, Wolfgang Moser und Markus Huber heben die vielen Verein hervor, in denen Jung und Alt zusammenkommen. „Das ist was Besonderes“, findet Markus Huber, der von klein auf in jedem Verein dabei war und sich mit den Worten vorstellt: „Ich komm‘ eigentlich aus der Höll‘.“ Mit einer Teufelei hat das freilich nichts zu tun, der Hausname des elterlichen Hofs lautete lediglich „Höllbauer“.

    Bürgermeisterin Marlene Preißinger versorgte die Besucherinnen und Besucher der MZ-Landpartie mit Getränken und gönnte sich im MZ-Liegestuhl eine kleine Verschnaufspause.
    Bürgermeisterin Marlene Preißinger versorgte die Besucherinnen und Besucher der MZ-Landpartie mit Getränken und gönnte sich im MZ-Liegestuhl eine kleine Verschnaufspause. Foto: Sabine Adelwarth

    Ebenfalls in zahlreichen Vereinen aktiv ist Wolfgang Moser, der Vorsitzende des Schützenvereins Unteregg. Den Mindelauer hat die Liebe nach Unteregg geführt, wo er schnell und offen aufgenommen worden sei. Er ist überzeugt: „Wer sich hier engagieren will, kann das.“ Das wiederum bestätigt auch Jan Ortland, den der Zufall vor Jahren von Bochum nach Rappen gebracht hat. Weil ihm das Landwirtschaftsstudium zu theoretisch war, hat er mit seiner Frau und einem Studienkollegen in Rappen einen Hof gepachtet und bewirtschaftet. Auch er ist Teil des Dorfladen-Teams.

    Willibald Hummel ist beinahe eine wandelnde Ortschronik

    „Wann war der große Brand in Unteregg?“, fragt derweil Gottfried Schwank in die gesellige Runde. Wie aus der Kanone geschossen antwortet Willibald Hummel: „1868, da hat es elf Höfe erwischt.“ Der 78-Jährige hat die Geschichte rund um Unteregg nicht nur auf Papier, sondern auch im Kopf. Als er die Schulchronik auf den Tisch legt, ist das Interesse groß. „Vom 1.1.1600 bis zur Schulschließung im Juli 1973 ist das Buch vollständig“, sagt der Ortschronist, der inzwischen 30 gebundene Chroniken zusammengestellt und schon vielen Ahnenforschern geholfen hat. Er hat alle Bewohner der Unteregger Häuser der vergangenen 300 Jahre tabellarisch aufgelistet. „Wir hatten damals alles hier in Unteregg. Angefangen vom Metzger, einem Haushaltswarenladen, Bäcker, Käskuch, zwei Gasthäuser und sogar ein Uhrengeschäft mit Werkstatt und Schaufenster“, erzählt er begeistert. Während die Geschäfte inzwischen alle geschlossen haben, ist Unteregg immerhin noch eine Wirtschaft geblieben: Der Goldene Adler gehört seit 1983 der Gemeinde. Er bekommt gerade einen neuen Biergarten – und im Oktober einen neuen Pächter.

    Anton Mayer, Gottfried Schwank, Konrad Herbst und Willibald Hummel (von links) tauchten in die Vergangenheit von Unteregg ein.
    Anton Mayer, Gottfried Schwank, Konrad Herbst und Willibald Hummel (von links) tauchten in die Vergangenheit von Unteregg ein. Foto: Sabine Adelwarth

    Konrad Herbst hat auf einem Klassenfoto von 1929 seinen Vater entdeckt und ist begeistert. Er hat ebenfalls ein altes Fotoalbum mitgebracht, in dem jeder schmökern darf. Auf der ersten Seite ist der Entlassungsschein aus der Kriegsgefangenschaft in Frankreich zu finden, ausgestellt 1947. Außerdem fällt ein Hochzeitsfoto auf, mit einer Braut im schwarzen Kleid, wie es damals üblich war. Bei Markus Huber, Wolfgang Moser, Harald Klofat und Elisabeth Mayer werden Erinnerungen an ihre eigenen Hochzeiten wach. „Ich habe meine Frau Michaela damals 1997 im Fasching kennengelernt und 2001, als wir in Mindelau Prinzenpaar waren, auf dem Krönungsball einen Heiratsantrag gemacht“, sagt Wolfgang Moser und erzählt von einer Faschingseinlage 2003, als fünf Männer auf der Bühne standen – mit nichts weiter bekleidet als dem Sombrero, den der jeweilige Nebenmann hielt. Anders als bei der Premiere vier Jahre zuvor passierte damals ein Missgeschick und ein Hut bedeckte nicht, was er bedecken sollte – eine Anekdote, die noch am Tisch für Gelächter sorgt.

    Claudia Baumstark und Jan Ortland (von links) berichteten MZ-Redakteurin Sandra Baumberger von ihren Erfahrungen als „Zugezogene“.
    Claudia Baumstark und Jan Ortland (von links) berichteten MZ-Redakteurin Sandra Baumberger von ihren Erfahrungen als „Zugezogene“. Foto: Sabine Adelwarth

    Neben Bürgermeisterin Marlene Preißinger, die die Gäste mit kühlen Getränken versorgte, war auch ihr Stellvertreter Gerhard Groß gekommen, und zwar standesgemäß mit dem Fahrrad. Immerhin ist er zuletzt 1245 Kilometer für den guten Zweck von Oberstdorf nach Sylt geradelt und erst vor wenigen Tagen zurückgekommen. Für ihn macht das Leben in der Gemeinde aus, dass sich die Bürgerinnen und Bürger aktiv einbringen und überall selbst mitanpacken. Ohne dieses Engagement hätte Warmisried keine Wirtschaft, nennt er ein Beispiel. Und auch eine Abordnung des Musikvereins Unteregg-Oberegg gibt der MZ-Landpartie die Ehre und bläst der MZ nicht den Marsch, sondern sehr klangvoll die Kuschel-Polka.

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