Geflüchtete waren die größte Herausforderung für das Unterallgäu
Der Zustrom an Geflüchteten setzte den Landkreis in diesem Jahr massiv unter Druck. Landrat Eder hat sich in einem Brandbrief auch an den Kanzler gewandt.
Zu den größten Herausforderungen, vor denen der Landkreis in diesem Jahr stand, zählt mit Sicherheit die Suche nach Unterkünften für wöchentlich bis zu 50 neue Geflüchtete. Ende November lebten mehr als 2200 Geflüchtete im Unterallgäu. Im September war die Not so groß, dass erstmals eine Turnhalle zur Notunterkunft umfunktioniert wurde. Während in Mindelheim im November zwei weitere Unterkünfte entstanden, stießen entsprechende Pläne andernorts auf teils massiven Widerstand.
Schon kurz vor Weihnachten 2022 hatte Landrat Alex Eder Alarm geschlagen und die Bürgerinnen und Bürger darauf vorbereitet, dass Geflüchtete mangels Alternativen wohl bald in Turnhallen untergebracht werden müssen. "Wir laufen voll. Die Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge im Unterallgäu sind ausgeschöpft", hatte er damals gesagt. Im September ist dieser Fall dann eingetreten: Die Turnhalle im Sonderpädagogsichen Förderzentrum(SFZ) in Mindelheim wurde entsprechend eingerichtet, um dort bis zu 130 Menschen aufzunehmen. „Mit größten Anstrengungen ist es uns bisher gelungen, Turnhallen freizuhalten. Doch jetzt können wir leider nicht mehr anders“, machte Landrat Alex Eder damals deutlich. „All unsere Einrichtungen sind voll - auch die 50 Plätze in der Kinderheilstätte Bad Wörishofen sind schon belegt.“
Im August wandte sich Landrat Alex Eder mit einem Brandbrief an Kanzler Olaf Scholz
Ende September zogen dann die ersten Geflüchteten in die Turnhalle. Nachdem zunächst befürchtet worden war, dass die Schülerinnen und Schüler des SFZ künftig auf ihren Sportunterricht verzichten müssen, fand sich dafür wenig später eine Lösung: Die Kinder des SFZ dürfen nun den westlichen Hallenteil der Doppelturnhalle nutzen, in dem bislang der Sportunterricht für die Berufsschüler stattfand. "Uns ist klar, dass das wiederum eine Beeinträchtigung für die Berufsschule bedeutet“, so Eder: „Doch ich hoffe, dass die erwachsenen Schüler damit besser umgehen können und eigenständig Alternativen nutzen, zum Beispiel den Fitnessraum im Schülerheim oder den Hartplatz.“ Ganz ohne Einschränkungen werde es nicht gehen.
Weil sich die Unterbringungssituation immer weiter zuspitzte, hatte sich Landrat Alex Eder bereits im August mit einem Brandbrief an Kanzler Olaf Scholz gewandt und in dem sechsseitigen Schreiben konkrete Vorschläge unterbreitet, wie die angespannte Flüchtlingssituation entschärft werden könnte. Die Antwort aus dem Bundekanzleramt ließ bis Ende Oktober auf sich warten - und war aus Sicht von Eder in vielen Punkten enttäuschend. So wurde in dem Schreiben unter anderem betont, dass die Bundesregierung die Kommunen finanziell unterstütze, einen Großteil der Sozialleistungen für Geflüchtete aus der Ukraine übernehme und Bundesimmobilien für die Unterbringung der Geflüchteten zur Verfügung stelle. Diese verteile jedoch nicht der Bund auf die Kommunen, sondern die Länder. "Wir empfehlen daher, dass Sie bei den zuständigen Behörden um Abhilfe bzw. Unterstützung bitten", hieß es in dem Schreiben.
Bei Landrat Alex Eder stieß dieser Tipp auf wenig Gegenliebe: "Der Bund hat offensichtlich noch nicht verstanden, dass es hier nicht um ein innerbayerisches Verteilungsproblem geht, sondern es allen 71 bayerischen Landkreisen gleich geht. Wir sind alle miteinander mit der Gesamtzahl überfordert und andauernd im Gespräch mit der Landesregierung und den zuständigen Behörden. Meine Veränderungsvorschläge haben sich weitestgehend auf Angelegenheiten bezogen, die nur die Bundesebene lösen kann, nämlich die Attraktivität für die Fluchtbewegung zu uns ins Land zu senken und waren damit meines Erachtens an die richtige Stelle gerichtet", sagte er.
Der Landrat hofft auf die Unterstützung der 52 Unterallgäuer Gemeinden
Um weitere Geflüchtete unterzubringen, wurde im Oktober auf dem Besucherparkplatz des Landratsamtes ein Thermozelt für bis zu 160 Geflüchtete aufgebaut, das innerhalb weniger Wochen voll belegt war. Langfristig bis zu 400 Menschen könnten in einer ehemaligen Fertigungshalle und einem Bürogebäude in Mindelheim untergebracht werden, in dessen Erdgeschoss im November die ersten Geflüchteten eingezogen sind. In Tussenhausen wurde trotz teils massivem Widerstand aus der Bevölkerung eine Thermohalle für bis zu 80 Personen errichtet. "Die großen Unterkünfte sind mir ein Dorn im Auge. Die Situation für die Menschen, die dort leben müssen, ist sehr schwierig. Aber unsere Möglichkeiten sind erschöpft", sagte Eder.
Dank der neuen Unterkünfte entspanne sich die Unterbringungslage. Der Landrat hofft, die Turnhalle des SFZ ab Februar wieder den Schülerinnen und Schülern als Turnhalle zur Verfügung stellen zu können. Gleichzeitig hob er auch hervor: „Diese großen Unterkünfte sollten für die Geflüchteten keine langfristige Bleibe sein. Deshalb hoffe ich sehr auf die Unterstützung unserer 52 Gemeinden. Wir brauchen auch Anschlussunterbringungen für die Menschen.“ Immerhin wohnen in den knapp 80 Flüchtlingsunterkünften im Landkreis rund 800 Menschen, die theoretisch dort ausziehen könnten - wenn sie irgendwo anders eine Wohnung finden würden.
Während der Flüchtlingskrise 2015 standen dem Landkreis rund 150 Unterkünfte zur Verfügung, um etwa 1600 Geflüchtete unterzubringen, also beinahe doppelt so viele Heime wie jetzt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass viele der damaligen Unterkünfte zwischenzeitlich abgerissen wurden oder nun anderweitig genutzt werden und deshalb nicht mehr zur Verfügung stehen.
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