Schon kurz vor Weihnachten 2022 hatte Landrat Alex Eder Alarm geschlagen und die Bürgerinnen und Bürger darauf vorbereitet, dass Geflüchtete mangels Alternativen wohl bald in Turnhallen untergebracht werden müssen. "Wir laufen voll. Die Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge im Unterallgäu sind ausgeschöpft", hatte er damals gesagt. Wie am Freitag bekannt wurde, ist dieser Fall nun tatsächlich eingetreten: Noch im September soll die Turnhalle des Sonderpädagogischen Förderzentrums (SFZ) in Mindelheim mit bis zu 130 Geflüchteten belegt werden. Schulleiterin Petra Eggert hätte das gerne verhindert.
In einem Brief an Landrat Alex Eder hatte sie bereits im März, als die Unterbringung von Geflüchteten in der SFZ-Turnhalle erstmals konkret im Gespräch war, deutlich gemacht, dass dadurch nicht nur der Sportunterricht beeinträchtigt wird. Stattdessen wirke sich diese auf den gesamten Unterrichtsbetrieb und die pädagogische Arbeit aus. "Ich kann so nicht Schule halten. Das ist eine Aufbewahrung, mehr ist nicht mehr möglich. Der Schulstandort ist damit durch", sagte sie jetzt im Gespräch mit unserer Redaktion.
Die Turnhalle des SFZ fehlt durch die Unterbringung von Geflüchteten künftig nicht nur für den Sportunterricht
Denn schon jetzt fehlt es im SFZ an Platz. Die Turnhalle wird deshalb nicht nur für den Sportunterricht genutzt, sondern bei schlechtem Wetter auch als Pausenraum. "Da wir keine Mensa haben und die Aula für das Mittagessen genutzt wird, steht dieser Bereich nicht zur Verfügung", so Eggert in ihrem Brief an den Landrat. Auch für Arbeitsgemeinschaften wie Fußball und Kickboxen, Projekttage und Feste fehle ohne die Turnhalle ein geeigneter Raum. Und auch der Musikunterricht könne nur noch sehr eingeschränkt stattfinden, weil der Musikraum nur durch die Turnhalle zugänglich ist. Ob der Sportunterricht des SFZ in einer anderen Mindelheimer Turnhalle stattfinden kann, ist derzeit übrigens noch offen. Freie Hallenkapazitäten gibt es laut Rektorin Eggert nicht.
Fehlen wird der Schule aber nicht nur die Turnhalle, sondern auch ein Teil ihres Außengeländes: Ein Hügel auf dem östlichen Pausenhof soll demnach eingeebnet werden, um dort Küchen- und Sanitärcontainer aufstellen zu können. Damit fällt laut Eggert ein weiterer Platz weg, auf dem sich die Kinder bewegen können. Und das, wo gerade die Schülerinnen und Schüler des SFZ einen erhöhten Förderbedarf in der motorischen Entwicklung hätten. Die Schulleiterin geht zudem davon aus, dass sich die Geflüchteten mangels Alternativen auch auf dem Schulgelände aufhalten werden. "Die räumliche Nähe und die daraus resultierende Enge, sowohl für die Geflüchteten als auch für unsere Schülerinnen und Schüler, bergen erhebliches Konfliktpotenzial", befürchtet sie in ihrem Brief an Eder.
Landrat Eder versteht die Sorgen der SFZ-Rektorin, sieht aber keine andere Möglichkeit
Darin gibt sie auch zu bedenken, "ob die Unterbringung von möglicherweise traumatisierten Menschen zwischen einem Kindergarten und einer Schule in einem eng bebauten Wohngebiet mit zwei anderen Schulen in direkter Nachbarschaft verantwortet werden kann". Weil davon auszugehen sei, dass die Unterbringung der Geflüchteten nicht auf Wochen oder wenige Monate begrenzt sei, werde der Standort des SFZ grundsätzlich infrage gestellt.
„Ich habe absolut Verständnis für die Sorgen der Schulleitung. Aber wir haben schlichtweg keine andere Möglichkeit", sagt Landrat Alex Eder dazu auf Nachfrage unserer Redaktion. "Die SFZ-Turnhalle ist die einzige Turnhalle im Landkreis, die uns gehört, und alle anderen Unterkünfte sind voll. Wir werden einen Sicherheitsdienst einsetzen und ich hoffe, dass wir auch eine entsprechende Betreuung für die Flüchtlinge einrichten können, damit hier alles so reibungslos wie möglich abläuft. Zudem kann ich nur nochmals an die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Unterallgäuer Gemeinden appellieren, uns zu unterstützen und Leerstände zu melden. Ich habe jüngst auch nochmals alle mit dieser Bitte angeschrieben“, so Eder. Um die Platznot zu lindern, gibt es laut dem Landratsamt auch Gespräche, ob in der früheren Kinderheilstätte in Bad Wörishofen ein weiterer Teil angemietet werden kann. Bislang sind dort 50 Geflüchtete untergebracht.
Kanzler Olaf Scholz hat bislang noch nicht auf den Brief von Landrat Eder geantwortet
In der Turnhalle des SFZ in Mindelheim werden Ende September voraussichtlich bis zu 130 Geflüchtete aus der Ukraine, Afghanistan, der Türkei und dem Irak einziehen. Bis dahin sollen auf dem Außengelände der Schule Küchen- und Sanitärcontainer aufgestellt werden. Mit Folie bespannte Bauzäune sollen die Turnhallenwände schützen und zudem Kabinen abtrennen, um ein Minimum an Privatsphäre zu schaffen. Diese werden mit einem Bett, einem Spind, einem Tisch und Stühlen ausgestattet. Außerhalb der Kabinen werden zudem Aufenthaltsflächen eingerichtet.
In dem sechsseitigen Brief, den Landrat Eder Ende August an Bundeskanzler Olaf Scholz geschickt hat, geht Eder auch auf die Schwierigkeit ein, im Unterallgäu Wohnraum für die Geflüchteten zu finden. (Hier finden Sie den Brief im Wortlaut.) "Schon allein die Unterbringung stellt uns aktuell vor kaum mehr lösbare Herausforderungen", schreibt er. Der Wohnungsmarkt sei leer. "Wir können uns inzwischen nur noch mit immer weiteren, neuen Sammelunterkünften retten, die aber jeweils vor Ort große Widerstände auslösen." Nach Eders Einschätzung wird sich die Situation in absehbarer Zeit aber kaum verbessern, weil im Herbst erfahrungsgemäß noch mehr Geflüchtete nach Deutschland kommen als in den übrigen Monaten. Eine Antwort des Kanzlers steht bislang noch aus.