Raimund Kamm war über viele Jahre hinweg eine feste Größe der Grünen im Bayerischen Landtag. Er zählte zu den Kritikern der Kernkraft und hat in Gundremmingen in einer Bürgerinitiative gekämpft. Inzwischen zählt er beim Landesverband der Erneuerbaren Energien zu den Kämpfern für die Energiewende. Die Kreisgruppe des Bund Naturschutz Memmingen und Unterallgäu hat den Augsburger Umweltpolitiker zusammen mit der Stadt Mindelheim in den Silvestersaal eingeladen.
Dass der Klimawandel rasches Handeln erfordert, daran ließ Kamm keinen Zweifel. Nur noch ein klitzekleines Zeitfenster bleibe der Menschheit. Die Gletscherberge in Grönland schmelzen, die Permafrostböden tauen auf. Die Erderwärmung sei nicht mehr aufzuhalten, nur noch abzufedern.
Mit technischen Lösungen den Klimawandel abfedern
Und doch verbreitete Kamm Hoffnung, wenn die Menschen konsequent handeln. Die Technik dazu sei vorhanden. Raimund Kamm sagt, mit 100 Prozent erneuerbaren Energien "können wir es schaffen". Auf absehbare Zeit seien zwar auch noch Gaskraftwerke notwendig. Mit Wasserkraft, Biomasse, Wind- und Sonnenenergie könnte der wachsende Stromhunger im Land gestillt werden.
Eine Rückkehr zur Atomkraft jedenfalls sei keine Perspektive. Ein Castorbehälter mit Atommüll enthalte so viel Strahlung wie beim Reaktorunglück von Tschernobyl 1986 freigesetzt wurde, sagte Kamm. 192 solche Behälter werden in Gundremmingen oberirdisch und damit nicht terrorsicher zwischengelagert, kritisierte Kamm. An dieser Situation werde sich über viele Jahre nichts ändern, weil es noch keinen Standort für ein Endlager gibt.
Wie aber gelingt es, von fossilen Brennstoffen wegzukommen? Schon heute wird etwas mehr als die Hälfte des Stroms in Deutschland aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse gewonnen. Bayern hinke mit 45 bis 46 Prozent etwas hinterher, weil hier die Windkraft fehlt. Gerade in den Wintermonaten sei das ein Problem, weil die Sonnenenergie hier nur rund zehn Prozent des Ertrages liefert wie in den Sommermonaten.
Moderne Windkraftanlagen liefern doppelt so viel Strom wie noch vor wenigen Jahren
Die neue Generation der Windkraftanlagen liefere die doppelte Menge Strom als noch vor einigen Jahren. Gegenüber der ersten Windkraftanlage im Unterallgäu, jener aus Oberschönegg aus dem Jahr 1996, ist es laut Kamm sogar 100-mal so viel. Kamm räumte zwar ein, dass durch die Rotoren auch Vögel und Fledermäuse zu Schaden kämen. Deutlich mehr würden jedoch durch Autos und Züge getroffen. In Vogelfluggebieten sollten solche Anlagen deshalb nicht gebaut werden.
Raimund Kamm plädierte dafür, die Bürger einzubinden und ihnen faire Angebote der Beteiligung zu machen. Der Stadtrat von Mindelheim befasst sich am Montag, 27. März, mit dem Thema. Kamm bevorzugt regionale Planer und keine Großkonzerne. Wie eine faire Beteiligung aussehen kann, führte Kamm nicht aus. Er sagte nur, was unfair sei: eine Anlage für fünf Millionen Euro zu bauen und sie kurz danach für sieben zu verkaufen.
Vor Ort könne mit Windkraft gutes Geld verdient werden. Diese Ansicht teilt auch Gerhard Steber vom Bund Naturschutz so. Er sieht das Land im Vorteil. Es werde die Energie für die Städte produzieren. "Wir werden die neuen Ölscheichs", sagte Steber. 150 Millionen Euro an Kaufkraft fließen pro Jahr allein aus dem Unterallgäu für fossile Brennstoffe ab und zwar in Länder, "die uns die größten Probleme bereiten", wie es Bürgermeister Stephan Winter in seinem Grußwort ausdrückte. Dieses Geld könnte in der Region bleiben, wenn konsequent auf den Ausbau von Photovoltaik und Windkraft gesetzt wird.
Raimund Kamm widerspricht Behauptungen von Windkraft-Gegnern
Rund 80 Interessierte waren in den Silvestersaal gekommen. Unter ihnen musste kaum jemand überzeugt werden. Der Rathauschef fühlte sich denn auch an einen Kirchenbesuch erinnert. Dort finden sich ja auch nur die Gläubigen ein. Eine Dame äußerte sich aber doch sehr kritisch zur Windkraft. Die Rotorblätter könnten nicht recycelt werden, Beton müsse tief in die Erde eingelassen werden, damit die Windräder stabil stehen. Und es rechne sich nicht, behauptete die Frau.
Dem widersprach Kamm deutlich. In weniger als einem Jahr sei der energetische Aufwand für den Bau einer Windkraftanlage durch den Stromertrag amortisiert. Die Lebenszeit von Windkraftanlagen betrage 20 Jahre und mehr. Dass Unmengen von Beton für das Fundament benötigt würden, sei falsch. Nur zwischen 0,5 und drei Meter gingen die Fundamente in die Tiefe. Der Beton sei auch komplett recycelbar. Und die Firma Vestas Wind Systems aus Ostfriesland habe versichert, dass die neue Generation der Rotoren aus Glasfaserverbundstoffen komplett wiederverwertet werden kann.
Ein anderer Diskussionsteilnehmer vermisste den Appell zu sparen. Einfach die Energie aus anderen Quellen zu gewinnen, ist für ihn keine ausreichende Lösung für die Herausforderungen. Hier wies Kamm auf die deutlich sparsameren Elektrogeräte und LED-Leuchten. Auch hier kann die Technik also weiterhelfen.