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Mindelheim: Schwäbisch fiar da Dogder: Ein Sprachkurs der besonderen Art

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Schwäbisch fiar da Dogder: Ein Sprachkurs der besonderen Art

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    An der Klinik Mindelheim können Ärztinnen und Ärzte mit ausländischen Wurzeln einen Schwäbischkurs besuchen. Das Bild zeigt Kursleiter Ulrich Ratzer (hinten rechts) zusammen mit (weiter im Uhrzeigersinn) Melissa El-Hoigairi, Maksimilian El-Khozhairi, Saleh Abu Shekha, Afa Bayramli, Mohamed Amine Said, Samir Garayer, Myroslava Teslav, Mahmend Nasereddin und German Pinciaroli.
    An der Klinik Mindelheim können Ärztinnen und Ärzte mit ausländischen Wurzeln einen Schwäbischkurs besuchen. Das Bild zeigt Kursleiter Ulrich Ratzer (hinten rechts) zusammen mit (weiter im Uhrzeigersinn) Melissa El-Hoigairi, Maksimilian El-Khozhairi, Saleh Abu Shekha, Afa Bayramli, Mohamed Amine Said, Samir Garayer, Myroslava Teslav, Mahmend Nasereddin und German Pinciaroli. Foto: Sandra Baumberger

    Dass am Dienstag die Krankenhäuser in Mindelheim und Ottobeuren mit dem „Dialektpreis Bayern“ des bayerischen Ministeriums für Finanzen und Heimat ausgezeichnet werden, darf man wohl getrost als ungewöhnlich bezeichnen. Ebenso ungewöhnlich ist der Kurs, dem die beiden Kliniken die Auszeichnung zu verdanken haben: Ärztinnen und Ärzte mit ausländischen Wurzeln können dort seit diesem Jahr einen Schwäbischkurs besuchen. Was zunächst ein wenig amüsant klingt, hat einen durchaus ernsten Hintergrund.

    „Unsere Ärzte kommen aus der ganzen Welt, 50 Prozent haben Migrationshintergrund“, erklärt der Leitende Oberarzt Dr. Georg Aumann, der die Idee zu dem Kurs hatte. „Das macht Spaß, ist aber auch herausfordernd.“ Denn die Kolleginnen und Kollegen verfügen zwar alle über Deutsch-Zertifikate auf hohem Niveau, das heißt aber noch lange nicht, dass sie ihre Patientinnen und Patienten immer auf Anhieb verstehen. Zumal dann nicht, wenn die nicht das im Kurs gelernte Hochdeutsch sprechen, sondern ein deutlich Schwäbisch eingefärbtes.

    Auch die schwäbische Mentalität führt in der Klinik manchmal zu Verständigungsschwierigkeiten

    „Hier geht der Fuß eben bis zum Hosenbund. Wenn einer sagt, ihm tut der Fuß weh, kann er sich durchaus auch die Hüfte gebrochen haben“, nennt Aumann ein praktisches Beispiel. Auch die Erklärung des Patienten, dass er „halt nagfalla“ sei und ihm deshalb auch noch „s‘Kreiz und dr Grind“ weh tue, erschließt sich nicht ohne Weiteres, wenn man den hiesigen Dialekt so gar nicht kennt. Zu diesen sprachlichen gesellen sich teils auch kulturelle Verständigungsschwierigkeiten: Es mag ein Klischee sein, kommt aber wahrscheinlich nicht von ungefähr, dass der hiesige Schwabe allgemein als eher maulfaul, wenig offen und überaus sparsam gilt. Wenn man das schon einmal gehört hat, fällt es vielleicht leichter, die ablehnend wirkende Haltung eines Patienten nicht persönlich zu nehmen, sondern als Charaktereigenschaft abzuhaken.

    Und so kommt es, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im „Schwäbischkurs fiar da Dogder“ sehr viel mehr lernen als Dialekt-Wörter wie „rotzla“ oder „ahaua“, die ihnen teils nur mit großer Anstrengung über die Lippen kommen. So musste Kursleiter Ulrich Ratzer zum Beispiel schon einmal erklären, was es mit all den „-beuren“ und „-rieden“ in den hiesigen Ortsnamen auf sich hat. „Da geht‘s in die Sprach- und Siedlungsgeschichte“, sagt der pensionierte Lehrer, den dieses Interesse erkennbar freut. Er hat früher am Gymnasium des Maristenkollegs Deutsch, Französisch, Spanisch und Latein unterrichtet und in dieser Zeit vermutlich auch weniger motivierte Schüler erlebt. Jedenfalls macht es ihm Spaß, „über Wissensgebiete zu sprechen, über die sonst niemand was wissen will“.

    Viele schwäbische Wörter verstehen die Ärztinnen und Ärzte bereits

    Neun Ärztinnen und Ärzte sitzen an diesem Nachmittag mit ihm im Konferenzraum der Klinik: German Pinciaroli aus Argentinien, Mahmend Nasereddin aus Palästina, Myroslava Teslav aus der Ukraine, Samir Garayer aus Aserbaidschan, Mohamed Amine Said aus Tunesien, Afag Bayramli aus Aserbaidschan, Saleh Abu Shekha aus Jordanien, Maksimilian El-Khozhairi aus der Ukraine und Melissa El-Hoigairi, die ebenfalls aus der Ukraine kommt. Gerade bringt Ratzer, der aus Stadtbergen stammt, ihnen mit dem Spruch „net gmeckert isch gloabt gnua“ bei, dass der Schwabe mit Lob äußerst sparsam umgeht. Die Ärzte schmunzeln, der eine oder andere scheint diese Erfahrung schon gemacht zu haben. Noch breiter wird ihr Grinsen, als Ratzer Witze rund um die schwäbische Mentalität zum Besten gibt. Manchmal dauert es ein bisschen, bis die Pointe ankommt, aber das meiste verstehen die Kursteilnehmer schon sehr gut – und das ist schließlich der Hauptzweck der Übung.

    Die Wörter an sich kenne er oft nicht, gibt German Pinciaroli zu. Aber aus dem Zusammenhang lasse sich meist ganz gut erschließen, was gemeint sei, sagt er und lacht. Seine erste Station in Deutschland war Berlin, „da wurde nur Englisch gesprochen“. Mohamed Amine Said hat in Wuppertal Deutsch gelernt und deshalb ebenfalls noch ein wenig Probleme mit dem hiesigen Dialekt. Saleh Abu Shekha ist da insofern im Vorteil, als er zuvor bereits an einer Augsburger Klinik gearbeitet hat. „Da war die Umstellung nicht so groß“, sagt er. Als seine Kollegin Afag Bayramli ihren verschnupften Nebenmann als „Pfundskerl“ bezeichnet, ergänzt er lachend, was er gerade gelernt hat: „Und er rotzlat auch.“

    Die Stimmung ist zwar konzentriert – einige schreiben fleißig mit – aber nicht bierernst und damit genau so, wie Dr. Georg Aumann sich das vorgestellt hat. Er erhofft sich von dem Kurs nämlich nicht nur, dass sich Ärzte und Patienten besser verstehen, sondern auch, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Spaß daran haben, so eine stärkere Bindung zum Unterallgäu aufbauen und hierbleiben wollen. Aktuell sei die Fluktuation unter den ausländischen Kräften nämlich recht hoch. Für den Kurs, der alle zwei Wochen stattfindet, muss sich niemand anmelden und es gibt auch keinen fixen Starttermin. Wer Zeit und Lust hat, kommt einfach dazu – und weiß hinterher im besten Fall ein wenig mehr über den hiesigen Dialekt und diejenigen, die ihn sprechen.

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