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Mindelheim: Missbrauch am Maristen-Internat: Opfer wartet noch immer auf versprochenes Geld

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Missbrauch am Maristen-Internat: Opfer wartet noch immer auf versprochenes Geld

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    Das Maristenkolleg (rechts im Bild) ist eine der traditionsreichsten Einrichtungen in Mindelheim. Doch vor einigen Jahren geriet das damalige Internat in die Schlagzeilen, weil dort Schüler missbraucht wurden. Eines der Opfer wartet bis heute auf die versprochene Anerkennungszahlung.
    Das Maristenkolleg (rechts im Bild) ist eine der traditionsreichsten Einrichtungen in Mindelheim. Doch vor einigen Jahren geriet das damalige Internat in die Schlagzeilen, weil dort Schüler missbraucht wurden. Eines der Opfer wartet bis heute auf die versprochene Anerkennungszahlung. Foto: Sammlung Maier

    Die zahllosen Fälle sexuellen Missbrauchs über viele Jahrzehnte liegen über der Kirche wie ein dunkler Schatten. Nach jahrelanger öffentlicher Debatte hat sich die Deutsche Bischofskonferenz im Juni 2020 formal zu ihrer Verantwortung bekannt. In der Praxis geht es allerdings sehr langsam voran. Entschädigungszahlen an

    Gemeinsame Erklärung wurde schon vor 18 Monaten unterzeichnet

    Im Juni 2020 hatte der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich und für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes, Bischof Dr. Stephan Ackermann, und der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs UBSKM, Johannes-Wilhelm Rörig, die „Gemeinsame Erklärung über verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland“ unterzeichnet.

    Von diesem Tag an durften Missbrauchsopfer damit rechnen, dass die Kirche als Institution sich zu ihrer Mitverantwortung bekennt. Missbrauchsopfern wurde eine finanzielle Leistung in Aussicht gestellt, ohne dass eine Rechtspflicht anerkannt worden wäre. Die katholische Kirche argumentiert, so lange es sich um eine freiwillige Leistung handelt, bedeute das kein Schuldeingeständnis. Es könne also nur um eine Anerkennungszahlung gehen. Auch die Orden wie der Maristenorden haben sich diesem Verfahren angeschlossen. Seither sind fast eineinhalb Jahre ins Land gegangen.

    Die Kirche argumentiert, dass sie sich in der Höhe ihrer Zahlungen an die Praxis von deutschen Gerichten anlehne. Weil auf einen sicheren Beweis verzichtet werde, sieht die Kirche hier ein besonderes Entgegenkommen ihrerseits. Traumatisierte müssten also keinen sie belastenden Prozess anstrengen. Im Antrag müssen Betroffene aber sehr detailliert Auskunft über das Vorgefallene geben.

    Das Mindelheimer Opfer hat eine Online-Petition gestartet

    Über ein solches Missbrauchsopfer hat die MZ heuer im Mai berichtet. Karl Maier (Name auf Wunsch von der Redaktion geändert) hatte eine Petition auf der Kampagnenplattform Change.org gestartet. Unter dem Titel „Überlebende von Missbrauch in der Katholischen Kirche endlich angemessen entschädigen“ formulierte er damals Forderungen an Justizministerin Christine Lambrecht und die Deutschen Ordensobernkonferenz sowie deren Generalsekretärin Sr. Agnesita Dobler. Mehr als 87.600 Menschen haben die Petition inzwischen unterschrieben.

    Seither ist ein halbes Jahr ins Land gegangen. Was ist aus seinem Fall geworden? Seine Antwort: „Nichts, nada, niente, zero.“ Vor einem Dreivierteljahr hatte er einen „Antrag auf Leistungen zur Anerkennung des Leids“ gestellt. Das Ausfüllen der Formulare sei für ihn immens psychisch belastend gewesen. Bis heute habe er weder eine Schadensersatzzahlung noch sonst irgendwas erhalten.

    Am 9. Juli 2021 hatte Nancy Camilléri in ihrer Funktion als unabhängige Ansprechperson bei den Maristen an Karl Meier geschrieben. Darin teilt sie mit, dass Maier eine Bearbeitungsnummer bei der Kommission erhalten habe. Die Bearbeitung werde aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen, „weil Anträge von achtzigjährigen und schwerkranken Betroffenen prioritär bearbeitet werden“.

    Frater Michael Schmalzl von den Maristen in Mindelheim sagt, die Unabhängige Kommission sei ein Zusammenschluss von Richtern und Fachleuten. Diese arbeiteten sehr sorgfältig. Er bedauerte, dass sich das Verfahren so lange hinzieht. Dies sei aber der großen Sorgfalt geschuldet, mit der die Fälle bearbeitet würden. Die Maristen könnten hier keinen Druck machen. Dies führe zu nichts, sagte er.

    Allein diese Kommission sei mit den Fällen von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im kirchlichen Bereich befasst. Im Sinne der Opfer hätte er sich gewünscht, dass diese schneller zu ihrem Recht kommen.

    Das Geld liegt bereits auf einem Treuhandkonto bereit

    Am Geld liegt es nicht. Das sei längst auf ein Treuhandkonto einbezahlt worden. Frater Michael sagte auch, er könne gut verstehen, dass die Erinnerungen die Betroffenen immer wieder aufwühlten.

    Karl Maier schreibt in seiner Petition, sein Trauma werde nie verjähren. Das Trauma der Missbrauchserlebnisse im Internat der Maristen in Mindelheim habe in seinem späteren Leben zu neun erfolglosen Suizidversuchen geführt.

    Die Betroffenenorganisation Eckiger Tisch, die die Interessen von Betroffenen sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen speziell im Kontext der katholischen Kirche vertritt, fordert 500.000 Euro für jeden Überlebenden von Missbrauch in der katholischen Kirche und der Orden. „Dieser Forderung schließe ich mich mit dieser Petition an!“, so Maier.

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