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Memmingen: Hochrangige Maristen sagen im Missbrauchsprozess um Ex-Frater aus

Memmingen

Hochrangige Maristen sagen im Missbrauchsprozess um Ex-Frater aus

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    Im Prozess gegen einen ehemaligen Mindelheimer Internatsleiter und einstigen Maristenbruder haben nun auch hochrangige Vertreter des Ordens  vor dem Amtsgericht Memmingen ausgesagt.
    Im Prozess gegen einen ehemaligen Mindelheimer Internatsleiter und einstigen Maristenbruder haben nun auch hochrangige Vertreter des Ordens vor dem Amtsgericht Memmingen ausgesagt. Foto: Franz Issing

    Die höchsten Vertreter des Maristenordens für Deutschland, Belgien, Niederlande, Irland und Großbritannien haben als Zeugen im Missbrauchsprozess um einen ehemaligen Frater und Mindelheimer Internatsleiter ausgesagt. Sowohl der aktuelle Provinzial der Region Europa-Zentral-West als auch zwei seiner Vorgänger waren von Brüssel beziehungsweise Glasgow zum Amtsgericht nach Memmingen angereist. Zudem traten am sechsten Prozesstag zwei weitere mutmaßliche Opfer des Angeklagten in den Zeugenstand.

    Ein Mittdreißiger berichtete mit stockender Stimme von einem Erlebnis auf der Hütte der Maristen in Silum vor rund 20 Jahren. Die Ermittlungen dazu seien eingestellt worden, erklärte er, weil nicht genau klar war, wann es passiert und wie alt er gewesen sei. An einem Abend mit viel Alkohol habe der Frater ihn immer mehr umarmt, dann sei man im Bett gelegen und „er hat mich angefasst“. Eine Vergewaltigung sei es nicht gewesen, sagte der ehemalige Schüler auf Nachfrage von Jugendrichter Dr. Markus Veit – und als er ein „Stop“ signalisiert habe, habe der Frater auch aufgehört. 

    Ein 48 Jahre alter ehemaliger Schüler spricht von Vergewaltigung

    Ein 48-Jähriger, der Anfang der Neunziger Jahre das Mindelheimer Internat besucht hatte, berichtete von mehrfachen Vergewaltigungen durch den Frater, auch im Beisein von anderen Jungen, die mit ihm auf dem Zimmer gewohnt hätten. Er habe die Taten später, als Erwachsener, anzeigen wollen, aber sein Anwalt habe gesagt, sie seien verjährt, erklärte der Mann. Seinen Eltern habe er damals nicht von den Übergriffen erzählen können, weil sie dem Orden gegenüber loyal eingestellt gewesen seien – auch, weil sie für die Kirche gearbeitet hätten.

    Der amtierende Provinzial des Maristenordens für Europa-Zentral-West, der wie seine Vorgänger auf Wunsch der Nebenklage geladen worden war, schilderte, wie er dem angeklagten Frater im August 2022 mitgeteilt habe, dass intern ein Verfahren gegen ihn eingeleitet worden sei, um ihn aus dem Orden zu entlassen.

    Im November habe man ihm das offizielle Dokument übergeben. „Von dem Tag an war er nicht mehr Marist.“ Die Entscheidung des Ordens, eine Wohnung zu kaufen und sie dem Angeklagten zur Verfügung zu stellen, begründete der Provinzial mit der Verantwortung gegenüber dem ehemaligen Bruder: „Er hat kein eigenes Geld, also konnten wir ihn nicht auf die Straße setzen.“

    Darum entließ der Maristenorden den ehemaligen Mindelheimer Frater

    Als Gründe für die Entlassung aus dem Orden nannte der Provinzial die beiden vorangegangenen Verurteilungen sowie eine Namensliste von rund 20 möglichen Opfern, die dem Orden vorliegen würde. Ein Argument sei auch gewesen, dass der ehemalige Internatsleiter seine Taten über die Zeit heruntergespielt und verneint habe, so der Provinzial. „Für uns war das nicht akzeptabel.“ Schließlich stünden die Opfer im Mittelpunkt, für sie sei es nicht hinnehmbar gewesen, dass er immer noch Teil des Ordens gewesen sei. Zudem sei das aktuelle Verfahren mit ein Grund: Dem Angeklagten wird vorgeworfen, drei Schüler sexuell bedrängt zu haben. Zwei Taten hat er zu Prozessbeginn gestanden, zu den am schwersten wiegenden Vorwürfen der mehrfachen Vergewaltigung schweigt er.

    Dass der Ex-Frater Schüler vergewaltigt habe, könne er persönlich kaum glauben, erklärte der Provinzial, aber er könne die Wahrheit nicht feststellen. Diese Anschuldigungen seien komplett anders als die anderen. „Es ist schwierig, sich das vorzustellen, dass die Sachen so passiert sind.“

    Auch den Provinzial von 2006 bis 2009 hatte das Gericht geladen – er war in der Zeit, in der der Frater von seinem Posten als Internatsleiter abgezogen wurde, hierzulande für den Orden verantwortlich. Als man den Frater 2007 abberufen habe, habe dieser geschockt und überrascht gewirkt, erinnerte sich der heute 72-Jährige.

    Der Internatsleiter habe einen Missbrauch zunächst abgestritten

    Ein Erzieher, dem sich Schüler geöffnet hatten, hatte sich damals an ihn gewandt, so der ehemalige Provinzial. Daraufhin habe er die beiden mutmaßlichen Opfer getroffen, die ihm geschildert hätten, was passiert sei. Als er den Frater mit den Vorwürfen konfrontiert habe, habe dieser abgestritten, dass ein Missbrauch stattgefunden habe, so der Zeuge.

    Bei einem späteren Treffen habe der Frater zugegeben, dass er „unangemessenen Kontakt“ gehabt habe: Er sei mit jemandem im Bett gelegen, habe ihn angefasst und gestreichelt. Dass mehr passiert sei, habe er abgestritten, erinnerte sich der 72-Jährige. 

    Als dritter (ehemaliger) Provinzial trat ein heute 65-Jähriger in den Zeugenstand, der von 2010 bis 2019 im Amt war – also in der Zeit, als die Missbrauchsvorwürfe gegen den Internatsleiter öffentlich wurden. Der Marist hatte im Rahmen des zweiten Strafverfahrens gegen den einstigen Internatsleiter auch die Verhaltensregeln für ihn entwickelt – so durfte sich der Angeklagte etwa Kindern und Jugendlichen nicht mehr nähern oder musste sich bei einem Mitbruder abmelden. Eine Anweisung von Seiten des Ordens an den Frater, sich bei den ersten beiden Anklagen 2008 und 2011 schuldig zu bekennen, habe er ihm nicht gegeben, so ehemalige Provinzial.

    Seit 2017 gibt es bei den Maristen neue Regeln zum Umgang mit sexuellem Missbrauch

    Er sprach zudem über die 2017 neu getroffene Regelung der Maristen zum Umgang mit sexuellem Missbrauch, wonach mitunter auch fehlende Reue oder Einfühlungsvermögen gegenüber den Opfern ein Grund für eine Entlassung aus dem Orden sein kann. Über den ehemaligen Mindelheimer Internatsleiter sagte er: „Ich möchte nicht sagen, dass er gar kein Mitleid gezeigt hat, aber das Mitgefühl hielt sich in Grenzen über Jahre.“ Wie die anderen beiden Provinziale hatte auch der 65-Jährige von der Anklage gehört, in der es um Vergewaltigungsvorwürfe geht – doch Konkretes konnte er nicht dazu beitragen.

    Letztlich gehe es aber genau darum, sagte Richter Veit am Ende des Tages: „War da was und was kriegt er dafür – das ist die Frage des Prozesses!“ Mit entscheidend sei das Gutachten der Sachverständigen Dr. Monika Aymans über die Glaubwürdigkeit des Mannes, der dem Ex-Frater die Vergewaltigungen vorwirft. Das Gutachten wird am Freitag vorgestellt und auch mit einem Urteil des Jugendschöffengerichts ist dann zu rechnen.

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