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Memmingen: Betrunkener ohne Führerschein baut Unfall mit fremdem Auto

Memmingen

Betrunkener ohne Führerschein baut Unfall mit fremdem Auto

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    Weil er betrunken und ohne Führerschein mit einem fremden Auto einen Unfall verursacht hat, musste sich ein 55-jähriger Unterallgäuer nun vor dem Memminger Amtsgericht verantworten.
    Weil er betrunken und ohne Führerschein mit einem fremden Auto einen Unfall verursacht hat, musste sich ein 55-jähriger Unterallgäuer nun vor dem Memminger Amtsgericht verantworten. Foto: Kurt Kraus

    Zunächst klingt der Fall, der jüngst vor dem Memminger Amtsgericht verhandelt wurde, ein wenig kurios: Ein Unterallgäuer steigt im Februar betrunken in ein Auto, das mit laufendem Motor auf dem Parkplatz eines Mindelheimer Supermarkts steht. Er unternimmt damit eine Spritztour, obwohl er schon seit Jahren keinen Führerschein mehr hat. Die Spazierfahrt des 55-Jährigen endet jäh, als er vor einem Kreisverkehr bei Dirlewang auf ein anderes

    Wie es überhaupt zu der Spritztour kam, kann sich der Angeklagte beim besten Willen nicht erklären. Er weiß noch, dass er in dem Supermarkt gegen 19 Uhr zwei kleine Flaschen Wodka gekauft und gleich an Ort und Stelle getrunken hat. Danach setzt seine Erinnerung erst wieder ein, als der Unfall bereits passiert war und er mit den Polizisten sprach. Schon seit 17 Jahren habe er keinen Führerschein mehr und sei in dieser Zeit auch nie gefahren, beteuert er vor Richter Philip Dylla. "So was ist mir gänzlich fremd. Ich war erschrocken über mich selber", sagt er. 

    Der Angeklagte ist seit mehr als 20 Jahren Alkoholiker

    Immerhin ist die Strecke, die er für seine Spritztour gewählt hat, üblicherweise durchaus befahren: Vom Supermarkt im Mindelheimer Gewerbegebiet fuhr der Unterallgäuer auf der B16 Richtung Dirlewang, am Kreisverkehr vor Helchenried kam es dann zu dem Auffahrunfall. Der Lenker des vorausfahrenden Autos erlitt dabei ein Schleudertrauma, an seinem Auto entstand ein Schaden von rund 6600 Euro, an dem "geliehenen" einer von rund 5000 Euro. Der 55-Jährige ist erkennbar froh, dass nicht noch mehr passiert ist. In der Sitzung entschuldigt er sich noch einmal in aller Form bei dem anderen Autofahrer. "Sie haben das ja nicht mit Absicht gemacht", nimmt dieser die Entschuldigung an. Zuvor hat er bereits in seiner Zeugenaussage betont, dass der Angeklagte sofort zu ihm gekommen sei und sich erkundigt habe, ob ihm etwas passiert sei. "Dem war das sehr arg", war sein Eindruck von dem 55-Jährigen, der auch gleich zugegeben habe, dass er sich das Auto nur "geliehen" und er keinen Führerschein habe. 

    Diesen musste er nach mehreren Trunkenheitsfahrten abgeben. Wie sein Pflichtverteidiger Hansjörg Schmid darlegt, leidet sein Mandant infolge sexuellen Missbrauchs in seiner Kindheit unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, der er seit mehr als zwei Jahrzehnten mit Alkohol und Betäubungsmitteln zu entkommen versuche. Drei Therapien habe er bereits hinter sich und war zuletzt rund eineinhalb Jahre abstinent – auch dank der Einnahme von medizinischem Cannabis, das den Suchtdruck verringert. Doch als er sich das nicht mehr leisten konnte, kam es zum Rückfall. 

    Weil der 55-Jährige unter offener Bewährung stand, muss er nun ins Gefängnis

    Gleich nach dem Unfall hat sich der Angeklagte darum bemüht, zur Entgiftung in eine Klinik zu kommen. "Damit ich in Sicherheit bin", wie er sagt, und auch, um die Zeit bis zur nächsten Therapie zu überbrücken. Aktuell macht er eine Entwöhnung, im nächsten Jahr hätte er dann Aussicht darauf, in einem Kurs von Betroffenen für Betroffene mitzuarbeiten und dort mit seiner Erfahrung als Bindeglied zwischen Therapeuten und Suchtkranken zu arbeiten. 

    Ob daraus etwa wird, ist nach der Verhandlung allerdings fraglich. Denn zum Tatzeitpunkt stand er unter offener Bewährung. "Da ist es eng", so Richter Dylla. Zumal dem Angeklagten neben der fahrlässigen Körperverletzung außerdem vorgeworfen wurde, einige Monate nach dem Unfall an der Mindelheimer Nordsee mehrere Jugendliche belästigt zu haben. Die Verfahrensbeteiligten waren sich jedoch einig, dass sich der 55-Jährige, der auch damals nicht nüchtern war, wohl eher zufällig zu den Jugendlichen gesellt hatte. Seine Bemerkungen – unter anderem hatte er einem Mädchen und einem Jungen gesagt, wie hübsch sie seien – hätten ihrer Einschätzung nach keinen sexuellen Bezug gehabt. 

    Letztlich verurteilte Richter Dylla den Angeklagten wegen unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrererlaubnis und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Weil der 55-Jährige unter offener Bewährung stand, konnte sie nicht erneut zur Bewährung ausgesetzt werden. Zudem kann er in den nächsten zwei Jahren seinen Führerschein nicht wiedererlangen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. 

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