Am 13. August 1796 erlangte die alte Reichsbrücke in Oberkammlach traurige Berühmtheit, als sich dort zwei feindliche französische Heere mit mehr als 40.000 Soldaten gegenüberstanden. Es gab mehr als 1200 Tote, die Schlacht ging als „Massacre de Cammlac“ in die Geschichte ein. Im Kammlacher Gemeinderat kam es nun zu einem erneuten Scharmützel um die Brücke: Einige der Räte zeigten sich mit der laufenden Sanierung gar nicht einverstanden, die bereits im Vorfeld umstritten war. „So hätte man die Brücke gleich abreißen können“, so der Vorwurf. Bürgermeisterin Birgit Steudter-Adl Amini verwies dagegen auf die Beschlüsse des Gemeinderates, die auch eingehalten worden seien.
Die Brücke überquert 150 Meter westlich der Kirche die Kammel. Es handelt sich um einen Ziegelbau, teilweise fanden aber auch Nagelfluh- und Tuffquader Verwendung. Die beiden Brückenbögen ruhen in der Flussmitte auf einem Mittelpfeiler mit spornartiger Mauervorlage. Die Geländer waren ebenfalls aus Ziegel gemauert und wiesen eine Abdeckung aus hochkant gestellten Ziegeln auf. Die Sanierung kostet die Gemeinde 160.000 Euro, die restliche Summe wird durch Zuschüsse gedeckt. Unter anderem steuert der Freistaat 200.000 Euro bei.
Einige Kammlacher Gemeinderäte finden die neuen Ziegel in der Brüstung der Reichsbrücke hässlich
Im Vorfeld der Gemeinderatssitzung hatte Johannes Weber seine Ratskollegen darüber informiert, dass er mit der aktuellen Sanierung der Brücke nicht einverstanden sei, und hatte einen Baustopp gefordert. Die Arbeiten entsprechen seiner Meinung nach nicht dem Denkmalschutz. Im Mittelpunkt der Kritik steht nicht die Brücke selbst, sondern die gerade im Bau befindliche Brüstung. Wie Martin Mößle und Gerhard Pahl als Projektleiter des Architekturbüros Schütz in der Sitzung erläuterten, habe man bei der Sanierung der beiden Bögen auf die alten Ziegel zurückgreifen können. Im Brüstungsbereich habe sich aber gezeigt, dass nicht mehr alle Ziegel verwendbar seien und diese durch neue Ziegel ersetzt werden müssen. Und die finden einige der Räte einfach "hässlich". Damit die Ziegel älter wirken, könnte man sie verschlemmen, so Mößle und Pahl. Sie wiesen darauf hin, dass die Brücke im Laufe der nächsten Jahre ihr Aussehen sowieso durch Regen, Sonneneinstrahlung und Pflanzenbewuchs ständig verändern werde.
Raphael Schwab wollte wissen, ob man angesichts der Bedeutung der Brücke für Kammlach nicht andere Steine hätte verwenden können. Wie er hatten auch andere Gemeinderatsmitglieder neue Ziegel im Auge, die mit Rissen und Kantenbrüchen auf alt gemacht werden. Den Fachleuten zufolge wären dafür jedoch Sonderanfertigungen nötig, die letztlich nicht bezahlbar seien.
Ursprünglich hatte die Kammlacher Reichsbrücke wohl gar keine Brüstung
Bürgermeisterin Steudter-Adl Amini betonte, dass alle Arbeitsschritte mit den zuständigen Stellen des Denkmalschutzes abgesprochen wurden. Zu diesen Treffen hätten alle Gemeinderäte dazustoßen können. Zudem verwies sie auf Beschlüsse des Gemeinderates, wonach für die Brüstung auf neue Ziegel zurückgegriffen werden dürfe, wenn die historischen Ziegel dafür nicht mehr ausreichten. Sie sei froh, dass zumindest die Bögen mit historischem Material saniert werden konnten. Mößle und Pahl erläuterten weiter, dass die Brüstung vermutlich bei der ersten Ausführung der Brücke gar nicht vorhanden war. Vermutlich gab es zunächst nur einen Übergang ohne Absicherung.
Die Diskussion wurde hitziger, es fielen auch deutliche Worte gegenüber den Kritikern, wie „Kasperltheater“. Als die Bürgermeisterin darüber abstimmen ließ, ob die Ziegel der Brüstung verschlemmt werden sollen, verließ Johannes Weber den Sitzungssaal. Mit fünf zu fünf Stimmen wurde der Antrag schließlich abgelehnt, sodass es laut Steudter-Adl Amini beim „nackten“ Stein bleiben werde.