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Interview: Was hat sich seit den Bauernprotesten getan?

Interview

Was hat sich seit den Bauernprotesten getan?

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    Rainer Mayer (rechts) und Alois Mayr (links, Bayerischer Bauernverband Obmann Bad Wörishofen) sind mit viel Herzblut Landwirte in Bad Wörishofen. Ob die nächste Generation wie Maximilian Mayer (Mitte) den Familienbetrieb übernimmt, steht noch in den Sternen.
    Rainer Mayer (rechts) und Alois Mayr (links, Bayerischer Bauernverband Obmann Bad Wörishofen) sind mit viel Herzblut Landwirte in Bad Wörishofen. Ob die nächste Generation wie Maximilian Mayer (Mitte) den Familienbetrieb übernimmt, steht noch in den Sternen. Foto: Kathrin Elsner

    Was hat sich seit den Bauernprotesten Ende 2023 / Anfang 2024 verändert?
    RAINER MAYER: Was sich monetär verändert hat ist, dass die Agrardiesel-Vergütung nicht sofort gestrichen wird, sondern in Stufen bis 2026. Das heißt aber, dass sie letztendlich doch gestrichen wird. Was beibehalten wurde, ist momentan die Kfz-Steuervergünstigung im landwirtschaftlichen Bereich. Das ist natürlich sehr gut für uns, aber dann wird es schon schwierig. Bezüglich Bürokratieabbau gab es von offizieller Seite nach den Protesten einmal eine Online-Umfrage, an der ich auch teilgenommen habe, seitdem hat man jedoch nichts mehr davon gehört. Es ist nach wie vor so, dass wir von der Düngung über Pflanzenschutz bis zu Tierarzneimitteln und vieles mehr akribisch aufzeichnen müssen.

    Die von der EU beschlossene Flächenstilllegung von vier Prozent der Ackerflächen wurde zusätzlich ausgesetzt, oder?
    RAINER MAYER: Das ist richtig, es war jedoch auch ein trockenes Jahr mit schlechten Erträgen, ob die vier Prozent Flächenstilllegung nächstes Jahr gelten, wissen wir immer noch nicht. Mich stört nur, dass der Umweltschutz immer wichtig ist, so lange genügend zu essen da ist. Die Bevölkerung muss satt sein, dann können wir über Umweltschutz reden, so kommt es mir zumindest vor.

    Wie könnte ein Bürokratieabbau aussehen?
    ALOIS MAYR: Wenn man realistisch ist, funktioniert Bürokratieabbau nur, wenn man im Landratsamt und in anderen Behörden einen Stock abbaut und nicht ein Stockwerk aufmauert, anders kann man das nicht ausdrücken. Ich sehe noch ein weiteres Problem - warum soll die Bürokratie weniger werden, wenn bei uns so viele junge Leute studieren? Die bereits angestellten Beamten stellt man ja auch nicht aus, das wird niemals passieren. Zusätzlich soll die Vier-Tage-Woche weiter ausgebaut werden, und wir arbeiten 70 bis 80 Stunden die Woche. Das empfinde ich als Verhöhnung unserer Arbeit, sie wird einfach nicht wertgeschätzt. Das war für viele auch mit ein Grund zu demonstrieren.
    RAINER MAYER: Es werden immer weniger Bauern, komischerweise werden aber immer mehr Leute in den Behörden und Ämtern gesucht. Der Bürokratieabbau betrifft ja nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch viele andere Bereiche. Das war ja auch das Interessante an den Protesten, dass das Thema von den Handwerkern aufgenommen wurde, die gesagt haben, dass sie eigentlich dieselben Probleme haben: Dokumentationen, Zertifizierungen, Steuern, Abgaben. Das ist das, was Deutschland träge macht, da braucht man sich nicht wundern, wenn wir in sämtlichen Rankings immer mehr abfallen.

    Können Sie ein Beispiel aus der Landwirtschaft nennen?
    RAINER MAYER: Zum Beispiel ist es jetzt im Herbst in der Landwirtschaft mit der Gülleausbringung nicht ganz einfach. Wir können ein Computerprogramm nutzen, das uns genau anzeigt, wann und wo wir wie viel Gülle ausbringen dürfen. Das hat mit guter fachlicher Praxis, in der man einfach mit der Natur zusammenarbeitet, nichts mehr zu tun. Früher hat man aufs Wetter geschaut und die Arbeiten erledigt, wenn das Wetter gepasst hat. Heute geht es nur noch nach irgendwelchen Daten und Stichtagen. Wir hoffen ein bisschen, dass man die Bürokratie so weit abbaut, dass man nicht alles dokumentieren muss, es nicht so viele Vorschriften gibt, sondern dass es wieder mehr nach fachlicher Praxis geht. Im Moment merkt man nicht, dass irgendwas abgebaut wird, im Gegenteil. Der größte Renner momentan ist ja, dass Brennholz jetzt CO₂-besteuert werden soll, obwohl es ein nachwachsender Rohstoff ist, so viel zum Bürokratieabbau.

    Wie haben Sie persönlich die Bauernproteste erlebt?
    ALOIS MAYR: Ich bin schon länger in der Branche, man hat aus Protest schon mal Milch aufs Feld geschüttet oder sich mit Fahnen vor den Discounter hingestellt, das hatte alles keinen Wert, weil der Milchbauer da immer allein dastand. Als es im Winter um den Diesel gegangen ist, waren alle dabei. Der Vollerwerbslandwirt, Nebenerwerbslandwirt, Ackerbauer, Biogasbetrieb, Lohnunternehmer und Pferdewirt, sowohl konventionell als auch biologisch bewirtschaftet, da hat jeder mitgemacht. So etwas hab’ ich noch nie vorher erlebt, die Euphorie war groß. Sonst bringt man nie alle unter einen Hut. 
    RAINER MAYER: Das war eine andere Qualität von Streik. Dass so was möglich ist, dass der Zusammenhalt wirklich so extrem gut war, ist schon klasse. Das war auch vom überwiegenden Großteil der Bevölkerung akzeptiert, obwohl es einschneidend war. Auch die Handwerker sind teilweise mitgefahren, da hat man Gänsehaut-Feeling gehabt. Ich hab meistens den Lehrling zum Streiken geschickt, weil ich ja den Stall noch machen musste. Wenn der Bauer streikt, ist es eine andere Hausnummer, da er ja trotzdem die Arbeit machen muss. Wir müssen entweder vorher oder nachher in den Stall oder ein anderer muss die Arbeit für uns übernehmen. Es muss wahnsinnig viel von der Familie investiert werden, damit einer oder vielleicht zwei am Protest teilnehmen können.

    Wie ist Ihre Grundstimmung heute?
    ALOIS MAYR: Was vielen Landwirten sauer aufstößt, ist die Tatsache, dass wir zur Zeit der Corona-Pandemie für die Lebensmittelsicherheit im Land sehr wichtig waren und auch von der Regierung als systemrelevant wahrgenommen wurden - und rund ein Jahr später kam dann die Schelle mit der geplanten Streichung der Agrardiesel-Vergütung. Dass diese jetzt in Stufen gestrichen wird, ist nicht fair und führt zu einer Wettbewerbsverzerrung. Wir haben ja keine Alternative, wir brauchen den Diesel, um die Flächen zu bewirtschaften. Die Mineralölsteuer war ursprünglich eine zweckgebundene Steuer, mit der der Unterhalt und der Ausbau von öffentlichen Straßen sichergestellt werden sollte und wurde auf Kraftstoff erhoben, der auf diesen Straßen verbraucht wurde. Da wir aber den Großteil des Diesels auf unseren Feldern verbrauchen, wurde diese Rückerstattung eingeführt. Es ist also keine Subvention.
    RAINER MAYER: Die Grundstimmung ist halt auch so, dass man lernt damit zu leben. Vielleicht versucht man noch mal Aktionen zu starten, um den Agrardiesel zu erhalten. Aber irgendwann wirst du es akzeptieren, ich kann mich nicht drei Jahre aufregen, dass ich keinen Agrardiesel bekomme und mich da fertig machen. Irgendwann kommt das Tagesgeschäft, alle Bauern sind von morgens bis abends ausgelastet. Das wird auch das Problem in der Gesellschaft sein: aus den Augen aus dem Sinn.

    Sind weitere Proteste geplant?
    RAINER MAYER: Der Bauernverband und auch wir sind mit der momentanen Lösung nicht zufrieden und es kann schon sein, dass nochmal eine Streikwelle kommt. Es geht vor allem auch um eine Gleichberechtigung gegenüber den anderen Ländern, um konkurrenzfähig zu bleiben. Momentan weiß ich von keinen konkreten Planungen in unserer Gegend, bestimmt nicht jetzt während der Ernte. Und diesen Aufwand, den man damals betrieben hat, kann man auch nicht zweimal im Jahr betreiben, ganz ehrlich.
    ALOIS MAYR: Die Auflagen wurden wesentlich verschärft. Man darf nicht mehr hupen, man muss Abstand halten, darf keine Kolonne bilden und etliches mehr, man darf ja quasi nichts mehr.

    Was sind derzeit Ihre größten Sorgen?
    RAINER MAYER: Dadurch, dass alles andere so teuer geworden ist, liegt der Milchpreis im Moment auf dem von uns benötigten Minimum. Wie er und die Ausgaben sich entwickeln, macht uns Sorgen. Man muss ja auch technisch auf einem aktuellen Stand bleiben. Es werden immer weniger Bauern. Im Endeffekt haben die meisten Leute keine Ahnung, was es heißt, eine Landwirtschaft zu betreiben, aber jeder redet mit und weiß es besser. Meiner Meinung nach gehört das mehr in die Schule hinein und realistisch dargestellt - nicht in der Grundschule, sondern in Klasse sieben bis neun, wenn die Kinder es verstehen. Die Leute müssen mitkriegen, was Landwirtschaft bedeutet, wo sie die Lebensmittel herkriegen und verstehen, dass die Kuh nicht lila ist. 

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