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Interview: Kabarettist Jürgen Kirner freut sich über eine gehörige Portion Feinde 

Interview

Kabarettist Jürgen Kirner freut sich über eine gehörige Portion Feinde 

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    Fernsehmoderator, Volkssänger, Kabarettist und Autor - Jürgen Kirner kommt am 10. Januar nach Bad Wörishofen.
    Fernsehmoderator, Volkssänger, Kabarettist und Autor - Jürgen Kirner kommt am 10. Januar nach Bad Wörishofen. Foto: Max Hofstetter

    Die Couplet-AG feiert ihr 30-jähriges Bestehen, 1993 fand die Premiere des ersten Live-Programms „Gemeinsam sind wir unausstehlich“ statt. Sind sie immer noch unausstehlich?
    JÜRGEN KIRNER: Das ist der Sinn und Zweck, sonst kann ich gleich zu Hause auf der Couch bleiben. Für mein Dafürhalten ist es die Aufgabe eines Kabarettisten, unangenehm zu sein, Dinge zu reflektieren, Missstände innerhalb der Gesellschaft aufzuzeigen und satirisch zu verarbeiten.

    Was hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten auf den Kabarettbühnen verändert?
    KIRNER: Die Auffassung, was Kabarett eigentlich ist, hat sich verändert. Kabarett ist für mich eine satirische Kritikform. Wenn ich zu banale Witze oder Zwischenmenschliches erzähle, ist das für mich kein Kabarett. Die Schar der Comedians ist noch größer und der Anspruch an Unterhaltung ein anderer geworden. Früher hat man sich mehr Zeit genommen, kabarettistische Inhalte zu reflektieren. Heute genügt schon eine halblaue Pointe, um die Menschen zu unterhalten, vieles ist oberflächlicher geworden.

    Was motiviert Sie weiterzumachen?
    KIRNER: Die Themen, die auf der Straße liegen, motivieren mich ungemein. Was die politischen Protagonisten im Lande vollführen oder nicht imstande sind zu leisten, erzürnt mich auf weiten Strecken und spornt mich an, das Ganze immer wieder satirisch zu verhackstücken und zu reflektieren.

    Sie reden auf der Bühne Klartext und beziehen Stellung. Kommen Sie dadurch auch in brenzlige Situationen?
    KIRNER: Ja, natürlich. Als ich in einem Lied über das Leben der Kakerlake Elsa einen Fleischproduzenten namentlich nannte, klagte dieser sofort. Da galt dann die Freiheit der Satire auf einmal nicht mehr, wir durften nach dem richterlichen Urteil die Persiflage nicht mehr aufführen. Die Politik ist heute gelassener geworden. Früher war ein

    Trauen Sie sich wirklich alles laut auf der Bühne auszusprechen?
    KIRNER: Bei der Couplet-AG mündet es oftmals in Kompromissen, da wir ja zu viert auf der Bühne stehen. Wenn ich alleine auf der Bühne bin, sage ich alles, was ich denke und fühle. Eine gehörige Portion Feinde ist was Schönes im Leben, die muss man sich auch verdienen. An mir darf man sich gerne reiben und ich bin mir bewusst, dass ich genauso fehlbar bin wie jeder andere auch.

    Bad Wörishofen hat einen hohen Altersdurchschnitt. Was ist aktuell die größte Herausforderung der älteren Generation?
    KIRNER: Die größte Problematik, die ich sehe, ist der Umstand, dass die Altersarmut immer stärker um sich greift. Viele haben keine großen Rücklagen gebildet. Sie dachten, die Rente ist sicher, haben sich aber keine Gedanken darüber gemacht, in welcher Höhe sie sicher ist. Das schafft immer größer werdende Problemfelder. Die Kunst ist, das Thema satirisch so aufzuarbeiten, dass die Leute trotzdem darüber lachen können.

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    Viele Menschen flüchten nach Deutschland - haben Sie manchmal das Bedürfnis zu flüchten?
    KIRNER: Ja, aber dann frag’ ich mich auch sofort, wohin denn? Ich frage mich schon, wohin wir steuern. Die Politik hat im Grunde außer Acht gelassen, zum Wohle des Volkes zu handeln. Manchmal kommt es mir so vor, als ob sich jede politische Partei in ihrer eigenen Blase bewegt und die dann dogmatisch der Bevölkerung überstülpt. In den letzten Jahren war dies immer zum Nachteil der Bevölkerung, auch finanziell. Man muss auch klar und deutlich sagen, dass wir nicht alle Probleme dieser Welt lösen können und auch nicht alle Menschen dieser Welt hier aufnehmen können. Da bin ich kein rechter Kabarettist, sondern einfach ein klar denkender Mensch. Wenn ich viele Menschen habe, die unsere Kultur und unsere Gesetze nicht akzeptieren, dann gibt es gesellschaftliche Verwerfungen. Diese führen einfach zu Konsequenzen, die nicht mehr überschaubar sind, und soweit sind wir mittlerweile.

    Seit Corona fehlen viele Arbeitskräfte, beispielsweise in der Gastronomie - wo sind die alle hin?
    KIRNER: Die sind anderen Tätigkeiten nachgegangen, die mehr Freizeit bieten. Wer will schon gerne sieben Tage in der Woche Leistung erbringen? Die Gesellschaft hat sich durch die Politik stark beeinflussen lassen und denkt nun, dass es ein Anrecht des Menschen ist, nicht bienenfleißig zu sein, sondern möglichst viel Freizeit und viel vom Leben zu haben. Dass das Leben aber finanziert werden muss, hat niemand dazu gesagt. Dass das irgendwann zusammenbricht wie ein Kartenhaus, ist auch klar.

    Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Kabaretts?
    KIRNER: Mehr kritische Geister und weniger Pointen aus dem dritten Untergeschoss.

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