Windkraft kontra Ölverbrennung in Ettringen
Zwei Großprojekte, zwei gegensätzliche Pläne: In Ettringen geht es um die Energieversorgung der Zukunft – und um die bekannte Gasfackel.
Beide Tagesordnungspunkte der jüngsten Ettringer Gemeinderatssitzung drehten sich um Energie und gerieten dabei zum Kontrapunkt von Vision und Wirklichkeit. Da ist einerseits die visionäre Windkraft, die entscheidend zur Dekarbonisierung beitragen soll. Andererseits geht es um herkömmliche Methoden der Energieerzeugung, beispielsweise beim Projekt eines bekannten Ettringer Unternehmens. Eine Rolle spielt dabei auch die Gasfackel, deren Betrieb nun weitaus umfangreicher sein darf als bisher.
Auf Geheiß aus Berlin macht der Regionalverband Donau-Iller Druck und hat die Vorgabe 1,8 Prozent ausgegeben. 1,8 Prozent der Fläche in den beiden Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg müssen für die Windkraftnutzung zur Verfügung gestellt werden. Das klingt zunächst einmal nach nicht allzu viel, allerdings fallen große Landstriche bei der Planung komplett aus, weil Windräder hier in Konflikt stehen mit Flugplätzen und Militärgelände; auch der Naturschutz spielt eine Rolle. Die Folge davon ist, dass die übrigen Landkreise mit entsprechend mehr Flächenausweisungen das Defizit andernorts ausgleichen müssen. So kommt es, dass nach Abwägung der Gegebenheiten und Ausschlüsse aus Sicht des Regionalverbands etwa jeweils 40 Prozent des Ettringer und Amberger Gemeindegebiets als Standort für Windkraftanlagen priorisiert werden.
Auf Ettringer Gemeindegebiet soll es große Flächen für Windkraft geben
Um sich bei der Standortwahl das Heft nicht völlig von höherer Stelle aus der Hand nehmen zu lassen, traf sich der Bauausschuss des Ettringer Gemeinderates vor der Sitzung, um im großflächigen Vorranggebiet Vorschläge für Standorte festzulegen, die die Bevölkerung wohl noch am ehesten tolerieren würde. Ob der Regionalverband Donau-Iller die Vorschläge berücksichtigen wird, ist derzeit offen.
Wer nun glaubt, dass künftig bei all den projektierten Windrädern Energie im Überfluss zur Verfügung stehen müsse, sah sich vom zweiten Tagesordnungspunkt überrascht. Denn hier ging es um das neue Blockheizkraftwerk der Firma Aviretta, die hiermit die Energieversorgung auf eine breitere Basis stellen möchte.
Warum Aviretta in Ettringen auf die Verbrennung von Öl setzt
Als Folge des Ukraine-Krieges habe sich der Gaspreis zeitweise um das Zehnfache erhöht und damit die Wellpappenherstellung zum Verlustgeschäft gemacht, so Allein-Gesellschafter Carl Pawlowsky. Alternativ zum Gas komme leichtes Heizöl für die Prozessdampferzeugung infrage – drei Tanks mit einem Fassungsvermögen von jeweils 100 Kubikmetern werden nun in die alte Deinking-Halle eingebaut. An dieser Stelle wird deutlich, dass die Energieversorgung privater Haushalte einerseits und der Industrieproduktion andererseits auf verschiedenen Ebenen spielen. Denn im ersten Fall soll die Ölheizung möglichst bald ausrangiert werden, während das Verbrennen von Öl industriell nach wie vor als das probate Mittel gilt.
Deshalb genehmigt das Landratsamt eine stärkere Nutzung der Ettringer Gasfackel
Dabei hat Aviretta Gas an anderer Stelle, zumindest zeitweise, mehr als genug. Es fällt bei der Aufbereitung des Abwassers in der fabrikeigenen Kläranlage an. Dieses „Biogas“ stellt Aviretta dem Nachbar-Unternehmen UPM als zusätzlichen Brennstoff zur Verfügung. Allerdings übersteigt das Angebot den Bedarf von UPM, sodass Aviretta den Rest abfackeln muss. Diese Restgasfackel war bislang für den Notbetrieb ausgelegt. Inzwischen hat das Landratsamt (Immissionsschutz) auf Antrag der Firma Aviretta dem Betrieb an 2000 Stunden im Jahr zugestimmt.
Aus der Genehmigung gehen die Gründe für diese nun großzügige Nutzungserweiterung nicht hervor, auch nicht, welche Mengen CO2 und beispielsweise Partikel bei der Verbrennung freigesetzt werden. Allerdings weist das Landratsamt in seinem Bescheid vom 3. Februar 2022 auf die grundsätzliche Genehmigungspflicht von Gasfackeln hin. Lediglich auf eine öffentliche Auslegung des Vorhabens könne auf Wunsch des Antragstellers Aviretta verzichtet werden. Dass die technischen Neuerungen am Papierproduktionsstandort Ettringen den viel zitierten Schadstoff-Fußabdruck verkleinern werden, darf angesichts der genehmigten und bereits im Bau befindlichen Maßnahmen bezweifelt werden, weshalb Gemeinderat Johann Schmid meinte, das Unterfangen auf der Energieeffiziensskala bestenfalls mit C klassifizieren zu können. Auch eine angedachte Nutzung der Abwärme der beiden Papierfabriken zur Beheizung des neuen Raiffeisen-Marktes scheint nicht zustande zu kommen.
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