Niki Ritter sitzt auf der Holzbank im Flur. Seine Eltern Uschi und Alexander Ritter stehen jeweils an einem Bein und ziehen dem 14-jährigen seine Orthesen an. Die schwarz-roten Plastikschienen erinnern an Schienbeinschoner und stützen Unterschenkel und Füße. Nikis Mutter zieht die braunen Winterschuhe über die Orthesen, dann kann er mit dem bunten Rollator loslaufen. Seine Beine bilden dabei ein X, nur langsam kommt er voran. Ohne den Rollator bewegt Niki sich in der Wohnung auf allen Vieren, seine Beine zieht er dabei leicht hinter sich her.
"Für Niki ist das Laufen mit großer Anstrengung verbunden, ohne Hilfe ist es gar nicht möglich", sagt seine Mutter. Dass Niki seine Beine nicht richtig benutzen kann, liegt an einer Zerebralparese, an der er als Säugling erkrankte. Dabei werden Muskelgruppen aufgrund von Fehlbildungen im Gehirn nicht richtig versorgt, was zu Bewegungsstörungen oder steifen Muskeln – einer Spastik – führt. Das könne sich im Alter verstärken, weshalb Uschi und Alexander Ritter ihren Sohn nun operieren lassen wollen.
Niki Ritter hat bereits viele Operationen hinter sich
Doch dafür muss die Familie einen weiten Weg auf sich nehmen: Der Arzt, der Nikis Spastik möglicherweise heilen kann, arbeitet in den USA. Dr. T.S. Park ist Neurochirurg am Kinderkrankenhaus in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri. "Er ist ein absoluter Spezialist auf diesem Gebiet", sagt Alexander Ritter. Bei der Operation werden die geschädigten Nerven, die Niki das Laufen unmöglich machen, in der Wirbelsäule durchtrennt. Das Gehirn kann danach die verbliebenen gesunden Nerven neu trainieren. Das bedeutet aber auch: Nach der Operation wird Niki erst einmal gar nicht mehr laufen können. Mit intensiver Reha muss er alles neu lernen.
"Es ist wirklich hart, immer wieder solche Entscheidungen für sein Kind zu treffen. Man hofft, dass es die richtige Entscheidung ist, aber sicher weiß man es vorher nicht", sagt Uschi Ritter. Niki hat seit seiner Frühgeburt viele Operationen hinter sich. Nach einer Dickdarminfektion wurde ihm dieser im ersten Lebensjahr vollständig entfernt. Vermutlich wurde bei dieser Operation eine kurzzeitige Unterversorgung des Gehirns ausgelöst, was zur Spastik führte. Nicht nur die Motorik ist von den Schäden im Gehirn beeinflusst, Niki hat auch Probleme mit der Sprache. Einmal die Woche kommt deshalb eine Logopädin, um mit ihm zu trainieren. Physio- und Ergotherapie sowie heilpädagogisches Reiten füllen zudem einen Großteil der Freizeit des 14-Jährigen.
Seine Großeltern sind für Niki Ritter wichtige Bezugspersonen
Seit zwei Jahren besucht er die Waldorfschule in Kempten, geht dort in die sechste Klasse. Hier gefällt ihm vor allem, dass das Lernen mit viel Bewegung verbunden wird. Auch neben der Schule ist er körperlich aktiv: Mit seinem Vater Alexander Ritter geht er zum Schwimmen oder fährt mit seinem Therapierad. Seine Omas sind wichtige Bezugspersonen für Niki, eine von ihnen lebt ebenfalls in Heimenegg. Sie selbstständig besuchen zu können, ist sein Traum.
Von Anfang an waren die Großeltern eine wichtige Unterstützung für die Familie: "Ohne sie wäre es nicht gegangen", sagt Uschi Ritter. Die damals 25-Jährige kam nicht nur mit einem Kind, sondern mit Zwillingen nach Hause. Heute komplettieren die dreijährige Magda und der vierjährige Alex die Familie.
Viele Krankenhäuser, von München bis Barcelona, haben die Ritters bereits besucht, um Nikis Spastik zu lindern und ihm das Laufen zu erleichtern. Dabei sind sie immer wieder an die Grenzen des Gesundheitssystems gestoßen. "Die Ärzte haben uns teilweise im Regen stehen lassen", sagt Uschi Ritter. Wenige Ärzte hätten ihnen wirklich geholfen, gerade was den Alltag mit Nikis Behinderung angeht. Einige Operationen oder Rehas hätten sie außerdem selbst zahlen müssen.
Eine Operation könnte Niki Ritter ermöglichen, selbstständig zu laufen
Vor zehn Jahren waren die Ritters dann erstmals auf einer Intensiv-Reha in der Slowakei. "Von da an ging es bergauf", sagt Alexander Ritter. Dort hätten sie viele Eltern kennengelernt, die mit den gleichen Problemen und Sorgen kämpfen. Sie können sich gegenseitig unterstützen und Tipps geben. So sind die Ritters auch auf die Operation bei Dr. Park gekommen.
Sie setzen große Hoffnungen in die Operation. Doch sie ist nicht ohne Risiken: "Ein Schnitt daneben, und Niki ist querschnittgelähmt", sagt seine Mutter. Deshalb haben sie sich für den erfahrensten Arzt auf diesem Gebiet entschieden: Mehrere Tausend Kinder hat er bereits erfolgreich operiert. Auch Niki ist davon überzeugt, die Operation zu machen: "Dann sind endlich die scheiß Kreuzbeine weg", sagt er.
Um die Familie finanziell zu entlasten, hat ihr Freund Sebastian Rothe eine Spendenkampagne auf gofundme initiiert. Knapp 50.000 Euro sind hier bereits zusammengekommen. "Wir sind unendlich dankbar für die Unterstützung für Niki", sagt Uschi Ritter.