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Breitenbrunn: Unterallgäuer Bankangestellte lassen Betrüger-Bande auffliegen

Breitenbrunn

Unterallgäuer Bankangestellte lassen Betrüger-Bande auffliegen

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    Andrea Maier (links) und Margot Zienecker-Unglert fielen nicht auf einen mutmaßlichen Bankbetrüger herein, der sich als örtlicher Geschäftsmann ausgab. Im Gegenteil: Durch ihre Hilfe kam es zu Verhaftungen.
    Andrea Maier (links) und Margot Zienecker-Unglert fielen nicht auf einen mutmaßlichen Bankbetrüger herein, der sich als örtlicher Geschäftsmann ausgab. Im Gegenteil: Durch ihre Hilfe kam es zu Verhaftungen. Foto: Melanie Lippl

    Als Andrea Maier im Mai 2021 eine Folge von „Aktenzeichen XY“ über einen Betrüger sieht, der sich in Banken als örtlicher Geschäftsmann ausgibt, denkt sich die 53-jährige Bankangestellte nur: „Das kann bei uns auf dem Land nicht passieren, wir kennen ja unsere Kunden.“ Gut eine Woche nach der Fernsehsendung steht ein Mann vor ihr am Schalter im 1100-Einwohner-Ort Breitenbrunn im Unterallgäu. Er will Bargeld von „seinem“ Geschäftskonto abheben – doch Maier erkennt schnell, dass er nicht der ist, als der er sich ausgibt. Spätere Ermittlungen werden ergeben, dass der Mann Teil einer Betrügerbande sein soll, die in ganz Deutschland aktiv war und in mehr als 50 Delikten insgesamt eine halbe Million Euro Schaden verursacht haben soll. Doch das ahnt

    Die 53-Jährige erinnert sich, wie sie zögert, als sie den Ausweis des Mannes kontrolliert. Das merkt ihr Gegenüber offenbar: Er entreißt ihr das Dokument und verschwindet mit wenigen Worten aus der Bank. Andrea Maier schlottern die Knie. Sie ruft ihre Kollegen in den benachbarten Zweigstellen an und erfährt dabei, dass der mutmaßliche Betrüger offenbar kurz zuvor im Nachbarort sein Glück versucht hat.

    Die Bankangestellte durchschaute den Betrüger sofort

    Dort, in Loppenhausen mit seinen rund 600 Einwohnern, stand an diesem Tag die 58-jährige Margot Zienecker-Unglert am Schalter der Raiffeisenbank. Sie erinnert sich an das dominante Auftreten des Mannes, der als Erstes wissen wollte, ob es Bargeld in der Bank gebe. 15.000 Euro habe er gewollt und sich als Geschäftsführer einer Firma aus dem Nachbarort ausgegeben. Dumm nur, dass Zienecker-Unglert diesen Geschäftsführer persönlich kennt, sogar mit ihm per Du ist.

    Dem Unbekannten, der ihr seinen gefälschten Ausweis unter die Nase hielt, habe sie deshalb entgegnet: „Sie sind das definitiv nicht. Ich gebe Ihnen kein Geld!“ Den Alarmknopf traute sie sich nicht zu drücken. Wie ihre Kollegin Andrea Maier hatte sie zu viel Respekt davor, was der Mann womöglich in seiner Aktentasche haben könnte, die er demonstrativ auf den Tresen gelegt hatte, wie sie sagt. Doch der Unbekannte sei auch nach ihrer Absage höflich geblieben. Er habe die Bank verlassen und sei dann weggegangen. Und sie hinterher. „Ich bin über die Hecke des Nachbarn drüber und habe mich hinter einem Strauch versteckt“, sagt die 58-Jährige. Sie wollte mehr über den Unbekannten herausfinden – und fragte sich gleichzeitig, ob sie das Richtige tat. „Ich dachte mir nur: Bin ich im falschen Film?“

    In dem Auto des mutmaßlichen Betrügers fand die Polizei Bargeld und gefälschte Ausweise

    Die 58-Jährige hoffte, nicht entdeckt zu werden, und schaffte es sogar, mit dem Handy Fotos von dem Auto zu machen, in das der Mann eingestiegen war. Sie rief die Polizei, gab das Kennzeichen weiter – und die entdeckte nur kurze Zeit nach den beiden missglückten Betrugsversuchen den Wagen, in dem ein Mann und zwei Frauen saßen. Sie wurden festgenommen. Bei der anschließenden Durchsuchung des Autos fanden die Beamten laut Polizeibericht Bargeld in Höhe von fast 50.000 Euro und mehrere gefälschte Ausweise.

    Gegen die drei Insassen und einen weiteren Mann beginnt am Dienstag ein Mammut-Prozess am Landgericht Memmingen. Den Vieren wird vorgeworfen, Mitglieder einer Bande zu sein, der noch mehrere Unbekannte angehören sollen. Seit März 2021 sollen sie in Bankfilialen in ganz Deutschland falsche Identitäten genutzt haben, um sich als Firmenchefs auszugeben und Geld von Geschäftskonten abzuheben. Insgesamt sollen die vier Angeklagten einen Schaden von 555.900 Euro verursacht haben.

    Regelmäßig kommt es in Banken zu Betrugsdelikten

    Betrugsversuche sind für Banken fast schon Alltag geworden. Etwa einmal in der Woche kommt es allein in der Raiffeisenbank Pfaffenhausen und ihren drei Geschäftsstellen im Unterallgäu zu einem solchen Versuch, oft mit gefälschten Überweisungen, sagt Vorstandsvorsitzender Walter Eberhard. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind entsprechend sensibilisiert. Dass ein Betrüger sich vor Ort in einer Geschäftsstelle als Geschäftsmann ausgibt, ist aber auch den beiden langjährigen Angestellten Andrea Maier und Margot Zienecker-Unglert noch nicht passiert. „Dass die aufs Dorf kommen, war eigentlich eine Dummheit“, findet Margot Zienecker-Unglert. Schließlich kenne man hier seine Kundinnen und Kunden, gerade die Geschäftsleute. „Wahnsinn“, nennt Maier diese Tat.

    Sie hat die beiden auch in den Wochen danach noch verfolgt: Es gab Nächte, da habe sie das Gesicht des mutmaßlichen Betrügers immer vor Augen gehabt, sagt Margot Zienecker-Unglert. Und auch ihre Kollegin hatte öfter ein komisches Gefühl, wenn im Dunkeln ein Unbekannter die Geschäftsstelle betrat.

    Die Bankangestellten hoffen, nicht als Zeuginnen vor Gericht zu müssen

    Direkt nach dem Vorfall wollten und konnten beide gar nicht darüber sprechen. Jetzt, mit einigen Monaten Abstand, fällt es ihnen leichter. Die beiden Bankangestellten hoffen, dass die vier Angeklagten ihre Taten gestehen, damit sie selbst vielleicht nicht mehr als Zeuginnen aussagen müssen. „Ich will den Mann nie mehr sehen“, sagt Margot Zienecker-Unglert. Ob ihr dieser Wunsch erfüllt wird, wird sich im Laufe der 34 angesetzten Verhandlungstage zeigen.

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