Beckstetten: Tierheim bei Wörishofen mit "Corona-Tieren" geflutet

Die Corona-Beschränkungen brachten viel Zeit und Einsamkeit mit sich. Viele Menschen schafften sich ein Haustier an, das nun im Tierheim landet - das aus allen Nähten platzt. Das Tierheim Beckstetten, das für weiter Teile des Unterallgäus zuständig ist, sucht deshalb dringend ehrenamtliche Katzenstreichler oder Hunde-Gassigeher. 

Derzeit wollen so viele Menschen ihre in der Corona-Zeit angeschafften Tiere abgeben, dass es für die Hunde sogar eine Warteliste gibt, erzählt Tierheimleiterin Melanie Kühn. 17 Hunde, 25 Kleintiere, zahlreiche Vögel und 80 Katzen, davon rund die Hälfte Babykatzen, warten aktuell auf ein neues Zuhause. Das Tierheim Beckstetten ist für weiter Teile des Unterallgäus zuständig und wird von einigen Gemeinden finanziell unterstützt, zum Beispiel von Bad Wörishofen mit jährlich 15.000 Euro. 

Aufgrund der Corona-Beschränkungen fühlten sich viele Menschen isoliert und einsam. Und sie hatten Zeit. Da war ein Hund oder eine Katze ein willkommener Alltagsbegleiter. „Unser Tierheim war in dieser Zeit relativ leer“, erinnert sich Melanie Kühn. Etliche Menschen hätten sich dadurch beispielsweise einen Hund aus dem Auslandstierschutz nach Hause geholt. Nun kommen immer mehr ein- bis zweijährige Vierbeiner ins Tierheim Beckstetten, meistens handelt es sich um Rassehunde, erzählt Kühn.

„Viele haben es sich zu einfach vorgestellt, einen Hund zu halten“, sagt sie. Für die jungen Hunde, die auf einmal aufgrund der wieder aufgenommenen Berufstätigkeit stundenlang alleine gelassen werden, sei die Situation ebenso schwierig. „Manche Hunde können nicht allein sein“, gibt sie zu bedenken. Die nicht unerheblichen Kosten für Tierarzt und Futter hätten viele zudem unterschätzt und nicht darüber nachgedacht, was im Urlaub mit dem Vierbeiner passieren soll.

Eine Situation habe sich jedoch entschärft. Von ukrainischen Flüchtlingen mitgebrachte Hunde und Katzen müssen inzwischen angemeldet werden und dürfen dann mit in die Flüchtlingsheime. Nur noch wenige Tiere kommen zur Quarantäne ins Tierheim, oft wird eine Hausquarantäne verhängt, bis der Amtstierarzt das Tier freigibt, erklärt Kühn.

Sehr viele junge Katzen im Tierheim Beckstetten

Die größte Herausforderung für das Tierheim sei aktuell die große Anzahl junger Katzen und ein hoher Abgabedruck von Menschen, die ihren Hund aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr behalten können. „Es gibt immer wieder verzweifelte Geschichten“, erzählt die Tierheimleiterin. Beispielsweise Hundebesitzer, die ins Altersheim müssen und ihre Vierbeiner nicht mitnehmen können. Eine Besuchsmöglichkeit im Tierheim kann nicht eingeräumt werden, da das Tier sonst nicht zur Ruhe komme und jedes Mal trauern würde, wenn es nicht mit nach Hause darf.

Weil die Kapazitätsgrenze erreicht ist, stehen neu abzugebende Hunde bereits auf einer Warteliste. Oft handelt es sich um Problemhunde, eine Vermittlung sei schwierig und langwierig. Hundetrainerin Maren Agricola aus Türkheim versucht durch die wöchentliche Arbeit mit den Vierbeinern, die Situation zu verbessern.

190 Vermittlungen hat das Tierheim in diesem Jahr bereits zu verzeichnen, erzählt Melanie Kühn. Das klingt viel, doch die Anzahl der aufgenommenen Tiere ist mit 330 um einiges höher. „Viele haben sich Katzen angeschafft und sie nicht kastrieren lassen“, erklärt sie die große Anzahl von Samtpfötchen. Das Telefon klingelt, eine Dame, die sich bereits zwei junge Katzen ausgesucht hatte, ruft an, um den Abholtermin zu vereinbaren. Als sie die Höhe der Schutzgebühr vernimmt, sagt sie wieder ab. „Sie müssen doch froh sein, wenn ich die Katzen nehme“, muss sich Kühn anhören, wie so oft. „Die Menschen bedenken nicht, wie hoch allein unsere Tierarztkosten sind, bevor wir die Tiere abgeben“, sagt die Tierliebhaberin. Diese überstiegen die Schutzgebühr in vielen Fällen deutlich.

Quereinsteiger sind im Tierheim Beckstetten gern gesehen

Die Tiere werden von den Tierpflegerinnen und -pflegern in großzügigen Gehegen und Zwingern bestens versorgt, nur die Beschäftigung mit ihnen komme oft zu kurz, erzählt Kühn. Aus diesem Grunde seien tierliebe Ehrenamtliche jederzeit willkommen. Auch ein freiwilliges soziales Jahr oder eine Anstellung sei möglich, Quereinsteiger seien gern gesehen.

Wer sich ein Tier anschaffen will, solle sich bewusst sein, diese Entscheidung für viele Jahre zu treffen und die Kosten für Tierarzt und Futter nicht unterschätzen, rät die Tierheimleiterin. Ein Gespräch mit erfahrenen Tierhaltern helfe Anfängern oft, die richtige Entscheidung zu treffen. Fällt sie für das Tier aus, wünscht sie sich von Herzen eine Nachfrage im Tierheim. „Wir haben hier alles da, und wenn nicht, dann hat es ein anderes Tierheim, mit dem wir vernetzt sind“, ist sie überzeugt.

Das Tierheim Beckstetten ist unter der Telefonnummer 08241/3912 täglich von 10 bis 12 und 15 bis 16 Uhr erreichbar. Jeden Sonntag hat das Tierheim von 14 bis 16 Uhr für alle Besucher geöffnet. Für Notfälle ist das Tierheim jeden Tag von 8 bis 17 Uhr besetzt.