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Bad Wörishofen: Weltgrößter Insektenzüchter hält Vorstoß fürs Insektenessen für Blödsinn

Bad Wörishofen

Weltgrößter Insektenzüchter hält Vorstoß fürs Insektenessen für Blödsinn

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    Buffalowürmer als Topping auf einem Brot mit Rote-Beete-Hummus. In der EU dürfen mehrere Insektenarten als Nahrungsmittel verkauft werden.
    Buffalowürmer als Topping auf einem Brot mit Rote-Beete-Hummus. In der EU dürfen mehrere Insektenarten als Nahrungsmittel verkauft werden. Foto: Stefan Puchner, dpa

    Insekten als Lebensmittel, als Fleischersatz, als wertvoller Proteinlieferant sollen die Lösung für Probleme der Nahrungsmittelknappheit und der Ressourcenschonung sein. In der Europäischen Union dürfen nun vier Insektenarten als Lebensmittel verkauft werden. Für Georg Reitmaier aus Schlingen, den Inhaber der wahrscheinlich weltweit größten Insektenzucht, ist das "völliger Blödsinn, der nicht mal ansatzweise ein Problem löst".

    Mehlwürmer könnten sich als Nahrungsmittelersatz eignen – doch Experte Reitmaier sieht da eine andere Gefahr.
    Mehlwürmer könnten sich als Nahrungsmittelersatz eignen – doch Experte Reitmaier sieht da eine andere Gefahr. Foto: Martin Thierer-Lutz

    Reitmaier betreibt in Irsingen das Unternehmen "Bugs International". Allein schon die enormen Energie- und Personalkosten bei der Produktion der Insekten stünden in keinem Verhältnis zum vermeintlichen Nutzen, sagt der. "Die Energiekosten sind schon jetzt kaum zu bezahlen, die Energiewende funktioniert nicht – im Gegenteil, die Lage wird nur noch schlimmer." Aktuell verbrauche sein Betrieb 1,7 Millionen Kilowatt Gas im Jahr. Reitmaier ist stolz darauf, dass er seinen Strom über ein Blockheizkraftwerk, Wärmerückgewinnung und Solarpaneele weitestgehend selbst produziert. Das ist auch lebenswichtig, wie sich zeigt. "Bei einem Blackout wären innerhalb weniger Stunden unsere ganzen Tiere tot", erläutert er. Auch der Futtermittelaufwand sei extrem hoch, da die Tiere einen sehr hohen Stoffwechsel haben. Die Insekten seien sehr anfällig und reagierten auf Temperaturschwankungen genauso empfindlich wie auf schlechtes Futter. 

    Insekten in Lebensmitteln: Hoher Energieaufwand bei der Produktion, Probleme mit Futtermitteln

    Reitmaier berichtet von seinen Schwierigkeiten, unbehandelte Futtermittel für die Insekten zu beschaffen, sodass diese nicht erkranken. Das behandelte Getreide können die Tiere nicht verwerten, im schlimmsten Fall würden sie daran sterben, schildert der Unternehmenschef. "Unter diesen Aspekten Proteinersatz für den Lebensmittelbereich aufzubauen, ist kostentechnisch gar nicht machbar", sagt er. Auch geeignete Arbeitskräfte, die er bei einer Ausweitung in einen Lebensmittel produzierenden Betrieb zusätzlich einstellen müsste, wäre dann faktisch unmöglich. 

    Eine Wanderheuschrecke, wie sie im Betrieb von Georg Reitmaier gezüchtet wird.
    Eine Wanderheuschrecke, wie sie im Betrieb von Georg Reitmaier gezüchtet wird. Foto: Martin Thierer-Lutz

    Für die Lebensmittelindustrie stünde an oberer Stelle die billige Produktion, Nachhaltigkeit interessiere nicht, meint Reitmaier. Er hat zwar für seinen Betrieb die Zulassung erhalten, mit der er Insekten als Lebensmittel verkaufen dürfte. Aber es gebe kaum Interessenten, berichtet er. "Das Ganze wurde und wird in den Medien hochgeschaukelt, bei uns hat bisher eine große Firma aus der Schweiz angerufen, die Insekten für die Lebensmittelproduktion erwerben wollte, und zwar ausschließlich als Knabbersnacks, nicht als Proteinersatz. Und die hatte Preisvorstellungen, bei denen ich massiv draufgezahlt hätte", berichtet Reitmaier. "Die restlichen Anfragen sind völlig zu vernachlässigen." 

    Reitmaier hält das Ganze für einen blödsinnigen Hype, wie er sagt. "Die einzigen Insekten, die man halbwegs wirtschaftlich als Nahrungsmittelersatz einsetzen könnte, wären Mehlwürmer und Getreideschimmelkäfer; aber selbst Reptilien und Vögel werden davon krank."

    Reitmaier hat beruflich mit unterschiedlichen Nationalitäten zu tun, ist schon viel in der Welt herumgekommen, auch in Länder, in denen Insekten gegessen werden. "Doch auch dort sind die nicht ein Hauptnahrungsmittel, sondern lediglich ein Zubrot." Abgesehen von den Rückständen durch teilweise schlechte Futtermittel sei das menschliche Verdauungssystem auch "gar nicht mehr richtig in der Lage, die Insekten zu verwerten".

    Bei Bugs International in Irsingen werden Insekten gezüchtet.
    Bei Bugs International in Irsingen werden Insekten gezüchtet. Foto: Martin Thierer-lutz

    Reitmaier kennt auch andere Firmen, die Insekten zur Lebensmittelherstellung produziert haben und sich jetzt auf den Futtermittelmarkt konzentrieren. "Die Zulassung dafür wird von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich streng gehandhabt, ich wurde auch noch nie mit Fördermitteln unterstützt", berichtet er. Auch die Zustände in der Branche kritisiert er. Es gäbe Betriebe, wo die Tiere "fünf Wochen im eigenen Kot" säßen. Ein hoher Hygienestandard wie in seiner Irsinger Firma sei dagegen kaum zu finden, beklagt er. 

    Insekten essen? Insektenzüchter Reitmaier spricht sich lieber für nachhaltige Landwirtschaft aus

    Was Chemikalien und gesundheitsschädliche Rückstände in der Nahrung angeht, macht sich Reitmaier Gedanken über die Insekten hinaus und plädiert für nachhaltige Landwirtschaft und artgerechte Tierhaltung. "Was den Tieren, beispielsweise in der Masthaltung von Schweinen, angetan wird, ist ein Verbrechen am Tier", sagt er. Anstelle von Insekten als Nahrungsmittelersatz solle man sich seiner Meinung nach lieber Gedanken um das Tierwohl machen. "Der Endverbraucher hat es mit in der Hand, wenn er auf Billigfleisch verzichtet und lieber dort kauft, wo eine natürliche Tierhaltung garantiert ist", sagt Reitmaier. Gleichzeitig stütze man so die heimischen Betriebe, die auf ökologische

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