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Bad Wörishofen: Rettung für Rehkitze aus der Luft

Bad Wörishofen

Rettung für Rehkitze aus der Luft

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    Im hohen Gras ist dieses neugeborene Rehkitz kaum zu sehen. Sein Kopf ist gerade etwas größer als die "Pusteblume" neben ihm.
    Im hohen Gras ist dieses neugeborene Rehkitz kaum zu sehen. Sein Kopf ist gerade etwas größer als die "Pusteblume" neben ihm. Foto: Kathrin Elsner

    Das Wetter in den letzten Tagen war traumhaft, das Gras auf den landwirtschaftlich genutzten Wiesen schoss in die Höhe, die erste Mahd stand an. Für manche Tiere bedeutet das große Gefahr. Jedes Jahr im Mai werden Rehkitze im hohen Gras geboren. Da sie in den ersten Lebenswochen nicht flüchten, sondern sich instinktiv ducken, haben Sie bei der ersten Mahd im Frühjahr keine Überlebenschance – es sei denn, sie werden vorher gefunden und aus dem Gras getragen. In Bad Wörishofen kommt dabei nun ein fliegendes Auge zum Einsatz.

    Die Pächter des Jagdreviers Bad Wörishofen Nord, Manfred Pfafflinger und Thomas Rauch, sind viele Jahre mit ihren Helfern unzählige Wiesen abgelaufen um die jungen Tiere zu Retten. Da das Gras jedoch sehr hoch und dicht ist, war ein Auffinden der Rehkitze reine Glücksache – trotz aller Mühe wurden zahlreiche Kitze beim Mähen getötet. Das Helferteam setzt deshalb jetzt auf Luftunterstützung, wie auch andere Gemeinden, zum Beispiel Rammingen. Wurden mit reinem Durchlaufen der Wiesen 2019 nur drei Kitze gefunden, waren es mit Drohne 2020 bereits 19, im Jahr 2021 sogar 25 Tiere. Das freut auch Manfred

    Jäger Manfred Pfafflinger (von links), Renate Goldbach, Günter König und Jäger Thomas Rauch machten sich auf die Suche nach Rehkitzen.
    Jäger Manfred Pfafflinger (von links), Renate Goldbach, Günter König und Jäger Thomas Rauch machten sich auf die Suche nach Rehkitzen. Foto: Kathrin Elsner

    Pfafflinger betont, dass ein Jäger vor allem auch für die Hege und Pflege der Wildtiere zuständig ist. Die Rehkitzsuche sei jedes Jahr eine nervenaufreibende Zeit und die Sorge um die kleinen Tiere groß. Thomas Rauch, seit 14 Jahren mit im Revier und das dritte Jahr Mitpächter, kennt auch die Problematiken der Landwirte gut. Das Wetter ist einfach nicht planbar, Mähwerke und Bulldogs können kaputt gehen oder die Termine von den Lohnunternehmern spontan verschoben werden. Da ist gute Kommunikation und Flexibilität aller Beteiligten gefragt, was auch die ersten Suchtage in diesem Jahr zeigen.

    Beim Eintreffen des Helferteams bringt gerade eine Rehgeiß Zwillinge in dem Feld zur Welt

    Um drei Uhr morgens klingelt der Wecker. Schnell noch ein bisschen Schokomüsli und Kaffee, dann geht es auch schon los – dachte man. Doch es beginnt zu regnen, an einen Drohnenflug ist nicht mehr zu denken, an Mähen auch nicht. Also wieder zurück ins Bett. Das wird heute nichts mehr – dachte man. Doch am Nachmittag klingelt erneut das Telefon, es wird doch noch gemäht. Die Rehkitzsuche beginnt. Normalerweise ermöglicht die Wärmebildkamera der Drohne ein zuverlässiges Auffinden der Rehkitze nur in den frühen Morgenstunden, wenn der Temperaturunterschied zwischen Wiese und Tier noch sehr hoch ist. Doch an diesem Nachmittag haben die Rehkitzretter Glück – es ist bewölkt, da könnte es trotzdem klappen. Bei der zweiten Wiese ist es soweit.

    Drohnenpilotin und MZ-Autorin Kathrin Elsner mit ihrer Kitzrettungs-Drohne mit Wärmebildkamera in Bad Wörishofen.
    Drohnenpilotin und MZ-Autorin Kathrin Elsner mit ihrer Kitzrettungs-Drohne mit Wärmebildkamera in Bad Wörishofen. Foto: Kathrin Elsner

    Die Drohne fliegt in Bahnen automatisch die Wiese ab und auf einmal wird der Bildschirm des Steuergerätes dunkel, es erscheint ein kleiner weißer Fleck. Im hohen Gras liegt ein Kitz. Per Funkgerät wird Jäger Manfred Pfafflinger zu der Stelle gelotst. Tatsächlich – da liegt regungslos ein schon erstaunlich großes Rehkitz im Gras. Das Team markiert die Stelle mit einem Stab und fliegt den Rest der Wiese ab. Anschließend muss das Kitz in Sicherheit gebracht werden. Doch Vorsicht ist geboten, das schätzungsweise zwei Wochen alte Tier könnte hierbei versuchen, in einen anderen Bereich der Wiese zu flüchten. Jäger Thomas Rauch stülpt blitzschnell einen Wäschekorb über das kleine Reh, gesichert wird dieser mit zwei Stäben. Danach fährt Rauch zu Landwirt Alex Nägele und bittet ihn, diese Wiese nun als Nächstes zu mähen. Nägele ist schon 15 Minuten später vor Ort, optimal. Als die Wiese fast vollständig gemäht ist, entfernen die Jäger den Wäschekorb – immer noch bleibt das Kitz still liegen.

    Mit Einmalhandschuhen an den Händen wird das kleine Tier nun in den Randbereich der Wiese getragen, den Nägele als Lebensraum für Tiere stehenlässt.

    Die Wärmebildkamera macht das Kitz im hohen Gras sichtbar, ein Helfer wird per Funk zur Fundstelle gelotst.
    Die Wärmebildkamera macht das Kitz im hohen Gras sichtbar, ein Helfer wird per Funk zur Fundstelle gelotst. Foto: Elsner

    Im Moment der Berührung fängt das Kitz laut an zu Fiepen und wie aus dem Nichts kommt innerhalb von Sekunden die Rehgeiß angesprungen. Erschrocken von der Anwesenheit der Menschen flüchtet sie wieder – aber das gar nicht mehr so kleine Rehkitz springt ihr nach. Besser kann es nicht laufen, alle Beteiligten sind glücklich und erleichtert. Tags darauf herrscht dann Hochbetrieb für das Drohnenteam. Es gibt viele Mähtermine auf einmal, die Helfer suchen im Schichtbetrieb, die Drohne überfliegt so viele Wiesen wie nur möglich. Rehkitzsucher Günter König ist seit drei Jahren mit unterwegs. „Es ist für mich einfach eine Herzensangelegenheit, dass den kleinen Bambis nichts passiert“, sagt er mit einem Lächeln, da macht ihm auch das sehr frühe Aufstehen nichts aus.

    Ein Landwirt verzichtet komplett aufs Mähen, als er von dem Fund in seinem Feld erfährt

    Lange sieht es so aus, als ob kein Rehkitz gefunden wird – da die erste Mahd dieses Jahr früher stattfindet als die letzten Jahre, sind viele Kitze noch gar nicht geboren. Aufgrund der großen Anzahl der Wiesen teilen sich die Helfer auf, Thomas Rauch fährt zu einer Wiese, die noch zu niedrig scheint um Kitze zu verbergen. Zur Sicherheit fängt er an, die Wiese abzulaufen und plötzlich springt eine Rehgeiß auf und flüchtet, die Nachgeburt ist noch zu sehen. Rauch läuft vorsichtig zur Liegestelle und findet zwei neugeborene Rehkitze.

    Sofort verlässt er die Wiese wieder, die Rehgeiß muss sich schnell zurück zu ihren Kitzen trauen um sie trockenzulecken und zu säugen. Doch die Wiese soll zwei Stunden später gemäht werden, eine Sicherung der Kitze zum jetzigen Zeitpunkt würde den Tod für die Zwillinge bedeuten. Als Landwirt Joachim Nuscheler von der Situation erfährt, überlegt er nicht lange. Obwohl es für ihn erheblichen Mehraufwand bedeutet, entscheidet er sich, die Wiese nicht zu mähen. Damit rettet er den beiden Kleinsten das Leben und sorgt bei Jägern und Helfern für den Gänsehautmoment des Tages.

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