Sie ist strahlend weiß, 60 Zentimeter hoch, misst im Durchmesser zwölf Zentimeter und wiegt sechs Kilogramm – die Osterkerze der Evangelisch-Lutherischen Erlöserkirche Bad Wörishofen in ihrem Rohzustand, ganz ohne Dekoration. Für Haide Mader ist es seit nunmehr 18 Jahren ein besonderer Anlass, daraus eine einmalige Osterkerze zu gestalten. Es wird die letzte sein, die sie in künstlerischer Feinarbeit dekoriert.
Zeit ihres Lebens ist sie Malerin, die sich in autodidaktischer Arbeit und durch Besuche etlicher Kurse das Malen als ihre eigentliche Berufung betrachtete. Sie ist die älteste von sechs Geschwistern. Haide (Adelheid) Mader wurde im April 1935 in Heidelberg geboren. Sie wuchs im oberbayrischen Murnau auf.
Der 2. Weltkrieg und die entbehrungsreiche Zeit danach machten es unmöglich, das von ihr so sehr gewünschte Kunststudium zu absolvieren. Doch die Malerei ließ sie nicht los. Einige Ausstellungen mit ihren farbenfrohen Bildern gab es immer wieder einmal in Bad Wörishofen. Die damalige Pfarrerin Susanne Vogt von der Erlöserkirche sprach sie 2004 an und fragte, ob sie bereit sei, eine Osterkerze zu gestalten.
Der 85-Jährigen fällt es immer schwerer, die gewichtige Osterkerze zu heben
Jetzt ist es für Haide Mader bereits die 18. Kerze. Es wird die letzte Kerze sein: Der nun fast 86-jährigen Künstlerin fällt es schwerer, die gewichtige Kerze zu heben und das notwendige Kürzen, wenn sie von oben her heruntergebrannt ist, damit sie auch weiterhin ruhig und sichtbar brennen kann. Bis vor vier Jahren half ihr dabei ihr verstorbener Mann, nun muss sie das alleine stemmen.
Das jeweilige Schmuckbild darf nicht beschädigt werden. In jedem Jahr passt die Verzierung zu einem Lied aus dem Gesangbuch, zu einem Psalm oder Spruch aus der Bibel. Die Gedanken, die sie sich dazu macht, schreibt sie auf. Dieser Text wird vergrößert und in der Erlöserkirche ausgehängt, für jeden Besucher lesbar.
"Meine Hoffnung und meine Freude" war das Thema im Jahr 2020
Haide Mader lacht leise, wenn sie daran denkt, dass, wenn die Kerze in der Osternacht feierlich in die Kirche getragen wird, sie selbst dabei bereits an das kommende Osterfest denkt und sich fragt, welchen Text sie dann wohl dafür finden wird. Jeweils im Advent des Vorjahres beginnen die ernsthaften Überlegungen und Gestaltungsentwürfe. Im vergangenen Jahr, dem Beginn der Corona-Pandemie, entschied sie sich für das Thema: „Meine Hoffnung und meine Freude“.
Sie gab damit eine Aufbruchstimmung wieder, einen Neuanfang und weckte die Sehnsucht, Jesu nahe zu sein. Sie sagte: „Aus diesem Gefühl heraus weitet sich der Blick. Blockaden, Zweifel und trübe Gedanken weichen zurück. Dunkle Schatten entfalten sich zu Farben und Strahlen.“
Es sind diese Farben und Strahlen, Blüten und Blätter, die Haide Mader zunächst zu Papier bringt, sie malt und teilweise in farbigem Papier ausschneidet und aufklebt, bis sie mit ihrem Entwurf zufrieden ist. Erst dann beginnt die Arbeit an der Kerze.
Aktuelle Gedanken werden zu einem Kunstwerk auf der Osterkerze
Und nie wird einer der unzähligen, früheren Entwürfe für eine neue Kerze verwendet. Immer sind es aktuelle Gedanken, die in Wachs zu einem Gesamtkunstwerk entstehen. Nun stellt sich die Frage: „Welchen Text wird sie in diesem Jahr 2021 auswählen?“ Das jedoch bleibt bis zur Osternachtsfeier am 4. April ihr Geheimnis. Es soll, wie in jedem Jahr, eine Überraschung für die Gläubigen der Erlösergemeinde sein.
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