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Geflüchtete erzählen über den Alltag in der Notunterkunft Bad Wörishofen
![Die Notunterkunft für Geflüchtete in Bad Wörishofens Gewerbegebiet ist voll.
Die Notunterkunft für Geflüchtete in Bad Wörishofens Gewerbegebiet ist voll.](https://www.augsburger-allgemeine.de/resources/1715674498059-1/ver1-0/img/placeholder/16x9.png)
Das Landratsamt hat im Beisein der Polizei unlängst 40 Unruhestifter aus Bad Wörishofen verlegt. Bewohner berichten allerdings von weiteren Problemen.
Rund 40 Menschen mussten zuletzt nach zunehmend eskalierenden Streitigkeiten die Notunterkunft für Geflüchtete in Bad Wörishofen verlassen. Auch die Polizei war dazu vor Ort. Die Unruhestifter wohnen jetzt in Zelten in Mindelheim. Doch in der Notunterkunft im Gewerbegebiet scheint es weitere Probleme zu geben. Mehrere Bewohner beklagen Ungleichbehandlung und Drogenkonsum in dem ehemaligen Möbelhaus.
Schweißer Adnan Haji aus Syrien wartet seit zehn Monaten auf eine Entscheidung des Ausländeramtes in Augsburg – so wie die anderen auch, will er endlich arbeiten. Mehrere Bewohner der Notunterkunft in Bad Wörishofen gaben unserer Redaktion Einblick in die Lebensumstände dort. Die Zeit nutzen Männer im Alter zwischen 25 und 45 Jahren, um Deutsch zu lernen, was in der Unterkunft nahezu unmöglich sei. „Die vielen Kinder schreien und lärmen den ganzen Tag und vor allem auch in der Nacht“, berichtet Haji. Das Licht in der Unterkunft werde um 22 Uhr gelöscht, der Lärm ginge unverändert weiter. Wenn sich das Sicherheitspersonal zurückgezogen habe, werde auch Haschisch in der Unterkunft konsumiert.
Wer sein Handy in der Notunterkunft Bad Wörishofen laden will, muss aufpassen, dass es nicht gestohlen wird
Gerne nutzen die Männer ihre Handys, um Deutschkurse anzuhören, dazu müssen die Geräte regelmäßig aufgeladen werden. „In unseren Kabinen gibt es keinen Strom. Wir müssen eine freie Steckdose suchen und daneben stehen bleiben, da die Geräte sonst gestohlen werden.“ Auch die Zubereitung von Essen erfordere Geduld – zehn Kochstellen für 400 Personen seien einfach zu wenig, ebenso wie die fünf Waschmaschinen. Trockner gäbe es gar keine. „Die Duschkabinen haben weder Vorhang noch Türe, warmes Wasser kommt nur spät am Abend“, erzählt Haji und spricht damit gleich ein weiteres Problem an. Im oberen Stockwerk seien die ukrainischen Familien untergebracht, diese hätten durchgehend warmes Wasser und bekämen auch das Essen geliefert. „Wir dürfen nicht nach oben gehen, sonst wird die Polizei gerufen.“
Die im Erdgeschoss untergebrachten Geflüchteten aus Syrien, Afghanistan, Irak und Tunesien verstehen diese "Zweiklassengesellschaft" nicht. Ali Guedidi ist Diabetiker und muss sein Insulin kühl lagern. Doch es stünden nicht genug Kühlschränke zur Verfügung, nur einer für 20 Personen. Faridullah Amani war hoher Sicherheitsoffizier des ehemaligen afghanischen Präsidenten und in dieser Eigenschaft mehrfach in Deutschland. Er schätzt dieses Land und seine Menschen und versteht nicht, warum die Entscheidung über seinen Status so lange dauert. Genauso geht es dem jungen Fliesenleger, dem Maschinenbauingenieur, dem Friseur und dem Medizinstudenten, die mit unserer Redaktion gesprochen haben. Sie alle wollen so schnell wie möglich arbeiten. „Wir haben in der Heimat Familien, das Warten und die Unsicherheit machen uns kaputt“, sagt Amani.
So will das Landratsamt Unterallgäu auf die Vorwürfe aus der Notunterkunft Bad Wörishofen reagieren
Das Landratsamt Unterallgäu als Träger der Notunterkunft erklärt in einer Stellungnahme, dass es laut Hausordnung eine Nachtruhe gebe. „Wir haben kürzlich Bewohner, die sich den Hausregeln dauerhaft widersetzt haben, aus der Unterkunft genommen und hoffen, die Situation hat sich inzwischen etwas verbessert“, teilt die Behörde mit. Es sei jedoch schwer, bei so vielen Menschen unter einem Dach eine komplette Nachtruhe durchzusetzen - insbesondere, weil auch Kinder in der Unterkunft seien.
„Dass die Situation für die Menschen dort insgesamt unbefriedigend und belastend ist, ist uns durchaus bewusst. Sobald das Asylverfahren abgeschlossen ist, können sie sich eine eigene Wohnung suchen.“ Weiter teilt das Landratsamt mit, dass die Unterkunft unterteilt sei. In einem Bereich wohnten vor allem Frauen und Kinder, im anderen Bereich allein reisende Männer. Man versuche so, die Situation zu entzerren und Streitigkeiten unter den verschiedenen Nationalitäten und auch Streitigkeiten um das unterschiedliche Sauberkeitsverständnis in den Sanitäranlagen zu vermeiden. „Von einer Zweiklassengesellschaft kann hier nicht die Rede sein. Wir werden auf jeden Fall der Ursache auf den Grund gehen, warum es unten nicht ganztägig warmes Wasser gibt“, verspricht das Landratsamt.
Die unterschiedliche Behandlung bezüglich der Verpflegung war immer wieder Thema, auch unsere Redaktion berichtete darüber. Das Landratsamt verweist darauf, dass Asylbewerber nach ihrer Ankunft im Landkreis direkt Bargeld erhielten und sich in der zur Verfügung gestellten Küche selbst versorgen könnten. Ukrainische Flüchtlinge erhielten nach ihrer Ankunft Bürgergeld. Das Jobcenter könne keine Bargeldauszahlung vornehmen. Sobald ukrainische Flüchtlinge über Geld verfügten, werde die Lebensmittelversorgung eingestellt. Auf die unterschiedliche Behandlung habe das Landratsamt keinen Einfluss.
Landrat Alex Eder will weitere Turnhallen nur noch belegen, wenn die Regierung ihn direkt anweist
Man habe außerdem bereits geprüft, ob noch mehr Waschmaschinen angeschlossen werden könnten, aktuell sei das nicht möglich. Gleiches gelte für das Problem der fehlenden Steckdosen. Dem Diabetiker sei angeboten worden, sein Insulin beim Sicherheitspersonal einzulagern.
Zu den Streitigkeiten, die es nach wie vor in der Unterkunft gebe, erklärt das Landratsamt, man habe Sicherheitspersonal vor Ort, damit es nicht zu solchen Vorfällen komme. Doch das Personal könne nicht überall sein und müsse sich an rechtliche Vorgaben halten. So dürfe das Sicherheitspersonal die privaten Kabinen der Bewohner nicht kontrollieren. Landrat Alex Eder (FW) bittet um Verständnis für die Situation vor Ort. „Wir brauchen Zeit, um Platz für die zu schaffen, die schon da sind. Erst dann können wir wieder neue Flüchtlinge aufnehmen. Doch es kommen laufend neue Zuweisungen“, kritisiert Eder. Er habe sich an die Regierung von Schwaben als vorgesetzte Dienststelle für die staatlichen Aufgaben gewendet. „Unsere landkreiseigene Turnhalle haben wir belegt. Turnhallen der Gemeinden werde ich nicht beschlagnahmen - außer, die Regierung weist mich dazu an und teilt mir mit, welche Turnhalle ich in welcher Reihenfolge umfunktionieren soll“, kündigt Eder an.
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