Bad Wörishofen ist das Zentrum für Geflüchtete im Unterallgäu. Der Landkreis hat weitere Räumlichkeiten von Unternehmer Dieter Glass gemietet, gleichzeitig ist die Notaufnahme im Gewerbegebiet am Limit. Im Stadtrat wächst der Unmut über die Handlungsweise im Landkreis. Mehr Solidarität wurde eingefordert, denn nur ein paar Gemeinden engagieren sich im größeren Umfang. Der Stadtrat hat nun Konsequenzen gezogen und schafft eine Stelle für Integration.
Die Flüchtlingssituation in Bad Wörishofen war ein eigener Tagesordnungspunkt der Stadtratssitzung. Bürgermeister Stefan Welzel (CSU) schilderte, dass es nicht immer einfach sei, die Situation zu handhaben. Teilweise seien "hundert Prozent der Geflüchteten aus der Ukraine in Bad Wörishofen untergebracht worden", berichtete er. Außerdem informierte der Bürgermeister über eine tagesaktuelle Entwicklung. Das Landratsamt habe weitere Räumlichkeiten in der ehemaligen Kneipp'schen Kinderheilstätte angemietet, die mittlerweile dem Unternehmer Dieter Glass gehört. Weitere 77 Geflüchtete sollten dort untergebracht werden, zu den 50, die da schon leben. Informiert werde man kurz telefonisch oder schriftlich. Über die Teilanmietung sei auch nur eine Mitteilung gekommen, mit dem Zusatz, man bitte um Verständnis.
Ein Großteil der Geflüchteten seien Kinder, die an Bad Wörishofens Schulen unterkommen müssen
Welzel schilderte, dass ein Großteil der Angekommenen Kinder seien, die auch an den Schulen unterkommen müssten. "Es wäre schön, wenn der Landkreis und hier nicht alleine ließe", sagte er. Man habe das Landratsamt zudem darauf hingewiesen, dass man als Heilbad und Kurort besondere Ansprüche der Gäste erfüllen müsse. Welzel spielte damit auf die Lage der Kinderheilstätte unweit der Fußgängerzone an. "Dass die Geflüchteten untergebracht werden müssen, ist selbstverständlich", sagte der Bürgermeister. "Aber an so einer exponierten Lage ist das nicht einfach." Der Landkreis hätte zuerst Möglichkeiten in anderen Gemeinden ausschöpfen müssen, findet Welzel.
Sozialdienst des Landkreises in Bad Wörishofen sei eine denkbare Lösung
Von Landrat Alex Eder (FW) habe er eine verständnisvolle Reaktion erhalten. Denkbar sei etwa die Einrichtung eines Sozialdienstes in Bad Wörishofen durch den Landkreis. Aufgelegt wurden Zahlen und Antworten auf Fragen aus Bad Wörishofen an den Landkreis Diese hatte Manfred Gittel (FW) an Welzel geschickt, der sich dafür bedankte. Aktuell lebten rund 2000 Geflüchtete im Landkreis Unterallgäu, in Notunterkünften, dezentralen Unterkünften oder Unterkünften der Regierung von Schwaben, teilte das Landratsamt mit. Vor allem Menschen aus der Ukraine, Afghanistan, Iran, Irak, Türkei und Nigeria seien darunter.
In fünf Gemeinschaftsunterkünften leben demnach 422 Menschen, rund 1550 Personen wohnen in dezentralen Unterkünften. In Bad Wörishofen leben derzeit 650 Geflüchtete, in Mindelheim 352, in Memmingerberg 103, in Trunkelsberg 81, in Babenhausen 65, in Tussenhausen 60, in Bad Grönenbach 53, in Ettringen 51 und in Markt Wald 50. Damit beherbergen derzeit nur neun der 52 Kommunen im Unterallgäu 50 oder mehr Geflüchtete. "Wenn man sich das anschaut, ist in Sachen Solidarität noch Luft nach oben", sagte Bürgermeister Welzel. Der Landkreis wolle weitere Notunterkünfte einrichten, auch in Turnhallen, und auch Anschlussunterkünfte schaffen, etwa Containeranlagen. Allerdings sei das sehr zeitintensiv und trotzdem müsse der Kreis derzeit monatlich rund 120 Menschen aufnehmen. Zuweisungen der Regierung von Schwaben könnten um maximal eine Woche verschoben werden, wenn kein Platz mehr ist.
Viel Lob für den Helferkreis Asyl aus dem Stadtrat von Bad Wörishofen
In der Notunterkunft Bad Wörishofen würden die Menschen von den Johannitern betreut. Der Sicherheitsdienst hat dort mittlerweile einen kontrollierten Zugang geschaffen. Der Sicherheitsdienst sorge vor allem für den Objektschutz, aber auch für einen geregelten Ablauf in der Unterkunft. Durch die Eingangskontrollen könne verhindert werden, dass kleine Kinder unbeaufsichtigt das Gelände verlassen, an dem eine viel befahrene Straße vorbeiführt. Man versuche, dass die Belange der Nachbarn gewahrt werden. Aus diesem Bereich habe es bereits "Reaktionen" gegeben, schreibt das Landratsamt, ohne ins Detail zu gehen.
Sozialreferent Tobias Kotonski (CSU) regte an, den Asyl-Helferkreis in den Rat einzuladen. "Diese Gruppe wird immer kleiner, die Aufgabe immer größer", berichtete er. Zuletzt seien nur noch fünf bis zehn Leute gekommen. Der Helferkreis wünsche sich eine offizielle Stelle bei der Stadt für Angelegenheiten der Flüchtlingsunterbringung. "Es kann nicht sein, dass Privatleute dafür rund um die Uhr erreichbar sein müssen", kritisierte Kotonski.
Steigt die Zahl der Diebstähle in Bad Wörishofen oder ist das nur ein Gerücht?
"Der Helferkreis war nie wichtiger als jetzt", betonte Zweiter Bürgermeister Daniel Pflügl (Grüne). Man müsse die Dinge jetzt vor Ort regeln. "Wir brauchen eine Stelle in der Verwaltung", betonte Pflügl. "Der Helferkreis ist ein Segen", sagte auch Manfred Gittel. Der Landkreis sei hilflos, könne nur noch zuweisen. Eine Stelle in der Verwaltung sei auch "sinnvoll für unsere Bürger", betonte Gittel. "Gerade Ältere trauen sich teils abends nicht mehr raus zum Einkaufen", berichtete er. Pflügl hatte allerdings zuvor berichtet, dass die Nachrichten in Messengerdiensten über angebliche Zunahmen von Diebstählen von der Polizei nicht bestätigt werden könnten. Er habe sich eigens erkundigt. Auch das Bad Wörishofens Polizei mit der Situation überfordert sei, stimme nicht.
Paul Gruschka (FW) wiederum sagte, es gebe "Probleme, über die geschwiegen wird". Es komme "durchaus zu verstärkten Diebstählen", sagte er. Probleme gebe es auch an den Schulen, aber keine Schule wolle da in schlechtem Licht erscheinen. "Die Bevölkerung mault mittlerweile in einer Weise, die nicht gut ist", berichtete Gruschka. Zahlen hatte er aber nicht, Pflügl ebenfalls nicht.
Das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West in Kempten hat die Zahlen auf Nachfrage unserer Redaktion ausgewertet und kommt zu folgendem Ergebnis: Im Jahr 2022 wurden in Bad Wörishofen 18 Ladendiebstähle aktenkundig, im Jahr 2023 bislang 15 Fälle. "Unauffällig" nennt das Polizeisprecher Holger Stabik. Unter den Verdächtigen kann die Polizei für diese zwei Jahre insgesamt acht Personen zweifelsfrei dem Kreis der Asylbewerber und Geflüchteten zuordnen, das entspreche fast 25 Prozent, so Stabik. Die Polizeistatistik sei aber nur begrenzt aussagekräftig. "Wir erfahren nur, was angezeigt wird", sagt Stabik. Licht ins Dunkel könnten nur die Marktbetreiber bringen, doch die gaben sich auf Nachfrage unserer Redaktion zugeknöpft. Zahlen gab es von niemandem. Stabik rät, jederzeit die Polizei einzuschalten. "Wir sind in der Regel schnell vor Ort und schauen uns das an", sagt er.
Hölzle und Gittel drängen auf ein klares Signal aus Bad Wörishofen an den Landkreis
Wenn die Situation so dramatisch sei, wie von Gruschka geschildert, brauche man umso mehr eine eigene Stelle, betonte Pflügl. Paola Rauscher (Grüne) stellte dann den nötigen Antrag, der einstimmig beschlossen wurde. "Wir brauchen diese Hilfe so schnell wie möglich, sonst fällt uns das auf die Füße", sagte Alexandra Wiedemann (FDP). "Das sind doch andere Kulturen; wir sind damit total überfordert." Auch Christin Huber (Generation Fortschritt) drängte darauf. "Ich möchte nicht, dass die Notunterkunft das neue Getto wird, ich möchte, dass es dort schön wird", sagte sie. Gittel drängte außerdem darauf, ein klares Signal an den Landrat zu senden, wie es schon Finanzreferent Konrad Hölzle (CSU) vorgeschlagen hatte. "Solidarität ist gefragt", betonte Hölzle. "Wir müssen jetzt einen gewissen Druck auf das Landratsamt ausüben."