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Bad Wörishofen: Faszination Kneipp: Eisige Kälte im vermeintlichen Paradies

Bad Wörishofen

Faszination Kneipp: Eisige Kälte im vermeintlichen Paradies

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    Alois Stückle (rechts) begleitete Kneipp auf vielen Reisen.
    Alois Stückle (rechts) begleitete Kneipp auf vielen Reisen.

    Zwei geistliche Herren unterwegs in Europa: Pfarrer Sebastian Kneipp unternahm ab 1891 über 30 Vortragsreisen und sprach vor tausenden begeisterter Anhänger seiner naturheilkundlichen Lehre. Dabei begleitete ihn fast immer sein treuer Weggefährte Pfarrer Alois Stückle, der aus Mindelau, einem Nachbardorf von Wörishofen, stammte. Stückle war „Mädchen für alles“.

    Er musste sich um die Fahrkarten und die Anschlüsse kümmern, er musste das Quartier besorgen, darauf achten, dass der Vortragssaal bereit war und natürlich Pfarrer Kneipp als Gesprächspartner zur Verfügung stehen. Wenn irgendwas schieflief, wurde Kneipp schnell „grätig“, wie Stückle später bemerkte und mit feiner Ironie feststellte: „Das Reisen mit ihm hörte durchaus auf, auch nur zu den kleineren Vergnügen zu zählen.“ Zum Glück war Stückle ein ruhiger und bodenständiger Charakter, den nichts so leicht aus der Ruhe brachte.

    Der 73-jährige Pfarrer Sebastian Kneipp brach am 3. Februar 1895 zu einer großen Reise in die Schweiz und nach Frankreich auf. Morgens um sechs Uhr ging es los, natürlich in Begleitung von Pater Stückle und dem Dominikanerpater Raymund, der als Dolmetscher fungierte.

    Paris zeigte sich Pfarrer Kneipp zunächst nicht von seiner paradiesischen Seite

    Die kleine Delegation ließ sich von Schnee, Eis und Kälte nicht abhalten und traf noch am gleichen Tag in Zürich ein. Über die Stationen Fribourg, Genf und Valence ging es weiter in die französische Hauptstadt Paris, wo bereits eine große Anzahl Anhänger und Interessierte gespannt auf den Vortrag von Monsignore Kneipp warteten.

    Nach seiner Rückkehr berichtete Sebastian Kneipp vor einer vielköpfigen Zuhörermenge in Haggenmillers Glaspalast in Wörishofen über die Reise. „Man hat mir verheißen: Paris ist das Paradies! Wenn aber im Paradies eine solche Kälte herrscht, wird der Adam nicht viel Salat gegessen haben“, erzählte Pfarrer Kneipp zur Heiterkeit der Besucher, „ja, Ihr könnt gut lachen, ich aber habe die Strapazen gehabt.“

    Ein weiter Weg sei es bis Paris und „die französische Eisenbahn, die will mir gar nicht gefallen“, fuhr Pfarrer Kneipp in seinem Vortrag fort, „geheizt wird da gar nicht, man schiebt einem nur ein paar Bettflaschen unter die Füße. Das hat wohl einmal ein Franzose einem alten Weibe abgelernt. So ging es mit diesem Flaschenfuhrwerk der französischen Hauptstadt zu.“

    Pfarrer Kneipp ist begeistert vom nächtlich erleuchteten Paris

    Prälat Kneipp fand aber nicht nur kritische Worte, er zeigte sich durchaus begeistert von der Metropole: „Paris ist bei Nacht herrlich beleuchtet, und ich dachte mir, wenn diese Stadt so viel Heilige zählt als Lichter da brennen, ist Paris ein Himmel!“

    Während im heimischen Wörishofen noch Gaslaternen brannten, war die Straßenbeleuchtung in Paris bereits fast durchgängig elektrisch, sodass die Nächte taghell erleuchtet waren.

    Beinahe genauso himmlisch sei die dortige Kneippkuranstalt, die Pfarrer Kneipp als die „einfachste, aber vollkommen zweckentsprechendste“ bezeichnete, die er je gesehen hat. Kneipp bezog sich auf die Einrichtung in Auteuil, einem vornehmen Pariser Stadtteil, der damals noch ländlichen Charakter aufwies. Die Pariser waren also durchaus angetan von der Kneippkur und schätzten den charismatischen Pfarrer Kneipp, aber nicht jeder Mediziner war in Frankreich von den Methoden des schwäbischen Naturheilkundlers überzeugt.

    Die Reise Kneipps war ein voller Erfolg - auch wenn seinen auf deutsch gehaltenen Vortrag die wenigsten Besucher verstanden haben dürften

    Das sah auch Kneipp so: „In einer so großen Stadt wie Paris sind natürlich viele Ärzte, welche der Kneippkur nicht freundlich gesinnt sind“, teilte er dem Wörishofer Publikum mit, „drum übernimmt ein jeder ein Risiko, der sich um die Sache annehmen will.“

    Aber die Reise war in jedem Falle ein Erfolg und Kneipp konnte den Gästen in Haggenmillers Glaspalast von „einem vollen Haus von Hilfesuchenden in Paris-Auteuil“ berichten, merkte jedoch an: „Der Vortrag galt nur einigen Vertrauten, da mich ja die Mehrzahl nicht verstanden hat“. Kneipp hatte seinen Vortrag auf deutsch gehalten.

    Der 73-jährige Pfarrer Sebastian Kneipp brach am 3. Februar 1895 zu einer großen Reise in die Schweiz und nach Frankreich auf.
    Der 73-jährige Pfarrer Sebastian Kneipp brach am 3. Februar 1895 zu einer großen Reise in die Schweiz und nach Frankreich auf. Foto: Archiv Gäste-Zeitung

    Bei der Rückreise machte Kneipp Station in Straßburg bei „16 Grad Kälte“. In Straßburg traf er zahlreiche Bekannte wieder, die schon früher in Wörishofen gewesen waren und sich außerordentlich freuten ihn wiederzusehen. „Besonders das Weibervolk machte mir viele Demonstrationen. Die eine oder andere erzählte mir, daß ich sie ein paar Mal kräftig gerüffelt habe, und ich antwortete ihr, sie werde es wohl verdient haben.“

    Zum 200. Geburtstag von Pfarrer Sebastian Kneipp, der im Jahr 2021 begangen wird, ist ein neues Buch erschienen. Der Autor Harald Klofat berichtet darin nicht nur von der Reise nach Paris, sondern auch von vielen weiteren interessanten Begebenheit rund um Pfarrer Kneipp.

    Faszination Kneipp 116 reich bebilderte Seiten, Hardcover (ISBN 978-3-947423-24-8). Erschienen im Verlag Hans Högel, erhältlich in den Geschäftsstellen der Mindelheimer Zeitung, in der Touristinfo im Kurhaus, im Kneipp-Shop des Kneippbundes sowie im Buchhandel

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