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Interview: "Geht um nächste Generation": Landwirt aus Bad Wörishofen redet Klartext

Interview

"Geht um nächste Generation": Landwirt aus Bad Wörishofen redet Klartext

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    Landwirt Rainer Mayer aus Bad Wörishofen führt einen Familienbetrieb mit 80 Milchkühen. Daneben ist er aber auch Vorsitzender des SV Schlingen und Betreiber von Mayers Milchhäusle zwischen Bad Wörishofen und Schlingen.
    Landwirt Rainer Mayer aus Bad Wörishofen führt einen Familienbetrieb mit 80 Milchkühen. Daneben ist er aber auch Vorsitzender des SV Schlingen und Betreiber von Mayers Milchhäusle zwischen Bad Wörishofen und Schlingen. Foto: Kathrin Elsner

    Bei den Bauernprotesten ging es vornehmlich um die Abschaffung der Steuerbegünstigung auf Agrardiesel. Was würde das für Sie konkret bedeuten?
    RAINER MAYER: Für einen Familienbetrieb wie unseren bedeutet das um die 3000 Euro weniger im Jahr. Den Agrardiesel sehe ich nicht anders als den Strom in der Wirtschaft, da bekommen die Großkunden auch andere Preise. Die Vergünstigung sollte ein Ausgleich sein, um gegenüber anderen Ländern wettbewerbsfähig zu bleiben. Ein vernünftiger Milchpreis hilft uns jedoch mehr als vergünstigter Agrardiesel, wenn dieser sich auf dem aktuellen Niveau einpendeln würde, wäre das toll.

    08.01.2024,  Bauernstreik 08.06.2024, Bad Wörishofen im Unterallgäu, Großer Bauernstreik am 8.1.2024, Luftbild vom blockierten Kreisverkehr nähe Therme.
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    In zahlreichen Orten im Unterallgäu protestieren die Bauern. Hier eine Übersicht mit Bildern aus Mindelheim, Bad Wörishofen, Türkheim, Stetten und Pfaffenhausen.

    Warum sind die hohen Subventionen der Landwirtschaft überhaupt notwendig?
    MAYER: Die Subventionen sind dazu da, dass der Bürger billiges Essen hat, das muss jedem klar sein. Wir sind durch die Discounter extrem verwöhnt, auch wenn der Lebensmittelpreis etwas steigt, haben wir im Vergleich zu anderen Ländern immer noch ein günstiges Preisniveau. Wenn es keine Subventionen gäbe, müsste der Bürger mehr für

    Warum ist der Unmut der Landwirte aktuell so extrem hoch?
    MAYER: Der größte Diskussionspunkt ist die Überreglementierung. Ein gewisser Umweltschutz ist gut, Tierschutz muss sein, aber man sollte die Landwirte mit ins Boot holen und einen vernünftigen Mittelweg finden, damit sich der Frust nicht so aufstaut, wie es jetzt gerade der Fall ist. Im Moment ist alles auf dem Prüfstand, was man über Generationen hinweg aufgebaut hat und versucht weiterzuführen. Viele hätten am liebsten nur noch die Blümchenwiese, denn "das Essen kommt ja vom Supermarkt". Dass wir das produzieren, ist vielen nicht mehr bewusst. Wenn Deutschland dann irgendwann bei den Lebensmitteln genauso abhängig vom billiger produzierenden Ausland ist wie beispielsweise bei den Medikamenten und Masken, ist es dann besser?

    09.01.2024,  Bauernstreik 09.01.2024, Bad Wörishofen im Unterallgäu, Zweiter Tag beim großer Bauernstreik. Kolonne von Traktoren am Milchwerk Bad Wörishofen. Diese Molkerei gehört der belgischen VACHE BLEUE GRUPPE.
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    Die Bauernproteste im Unterallgäu gingen am Dienstag weiter, unter anderem mit einer Protestfahrt durch Bad Wörishofen.

    Was müsste sich Ihrer Meinung nach als Erstes ändern?
    MAYER: Der erste Punkt ist die Gleichberechtigung. Wenn Lebensmittel in den deutschen Markt eingeführt werden, sollten für deren Produktion exakt die gleichen Standards gelten, die wir einhalten müssen. Wir sollten in jedem Fall konkurrenzfähig gegenüber anderen Ländern bleiben.

    Mit dem Grund-, Maschinen und Immobilienbesitz sind Sie doch eigentlich reich, oder?
    MAYER: Wenn ich heute sagen würde, ich hör auf und verkaufe alles, könnte ich mir ein tolles Leben machen, das gebe ich zu. Aber das kann ja nicht Sinn und Zweck der Landwirtschaft sein, dafür arbeite ich nicht. Das könnte man zu jedem anderen Mittelständler auch sagen, aber jeder will am Ende, dass es weitergeht und die nächste Generation die Sache übernimmt.

    Würden Sie Ihrem heute 12-jährigen Sohn zu einer Übernahme des Betriebes raten?
    MAYER: Er wird für sich selber entscheiden, aber er muss sich sehr gut überlegen, was die Landwirtschaft bedeutet. Als Landwirt arbeitest du sieben Tage die Woche und bist 24 Stunden auf Abruf für die Tiere da. Letztlich wirst du in der Gesellschaft teilweise als Tierquäler und Umweltsünder hingestellt, das macht die Sache nicht gerade attraktiver. Es ist momentan absolut in, vegan zu leben und viele Veganer akzeptieren uns nicht mehr. Hinzu kommt, dass man aus dem gesellschaftlichen Leben zu einem Teil ausgeschlossen ist, da man zu festen Zeiten im Stall sein muss. Da kann man beispielsweise nicht mal eben am Spätnachmittag auf ein Kindergartenfest gehen, auch nicht am Wochenende. Es wird immer schwieriger eine Frau zu finden, die das mitmachen möchte, da es immer mehr attraktive Vier-Tage Jobs gibt.

    Ist es wenigstens noch rentabel, Landwirt zu sein?
    MAYER: Ja schon, weil ich mir gar nichts anderes vorstellen kann. Aber ich bin mit knapp 50 Jahren nicht mehr der entscheidende Punkt, es geht um die nächste Generation. Macht die Jugend weiter oder entscheidet sie sich für die Wirtschaft? Die Regierung muss sich die Frage stellen, ob sie Familienbetriebe wie unseren erhalten will, oder ob es irgendwann nur noch Großbetriebe geben soll.

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