Startseite
Icon Pfeil nach unten
Mindelheim
Icon Pfeil nach unten

Bad Wörishofen: Nigel Kennedys sanfter Ritt durch die Musik beim Festival der Nationen

Bad Wörishofen

Nigel Kennedys sanfter Ritt durch die Musik beim Festival der Nationen

    • |
    Nigel Kennedy beim Festival der Nationen im Kurhaus Bad Wörishofen: Der britische Violinist (vorne) hat mit seiner E-Violine sichtlich viel Spaß auf der Bühne.
    Nigel Kennedy beim Festival der Nationen im Kurhaus Bad Wörishofen: Der britische Violinist (vorne) hat mit seiner E-Violine sichtlich viel Spaß auf der Bühne. Foto: Bernd Feil/m.i.s.

    Wenn Nigel Kennedy nach Bad Wörishofen kommt, dann ist er immer für eine Überraschung gut. Da muss man gar nicht an die Eskapaden denken, mit denen der extrovertierte Weltstar vor Jahren Schlagzeilen machte. Denn danach war es immer nur seine Musik, sein virtuoses Geigenspiel, sein Talent als Komponist und Arrangeur, seine vielleicht einmalige Art, sich ganz locker und ungekünstelt über die scheinbar üblichen Konventionen der klassischen Musik und ihrer Protagonisten hinwegzusetzen. Auch beim Konzert am Mittwochabend im Kursaal sorgte Nigel Kennedy für Überraschungen – diesmal aber weniger auf die spektakuläre, wilde Art. Der 66-jährige Star-Geiger wurde vielmehr seinem Anspruch gerecht: „Ich spiele einfach Musik – nicht eine bestimmte Art von Musik.“

    Nigel Kennedy will beim Festival der Nationen in Bad Wörishofen Brücken zwischen den Musikgenres schlagen

    Diese „Spiritual Connection“ will Verbindungen schaffen und Brücken zwischen verschiedenen Musikgenres schlagen. Für die Bad Wörishofer Nigel-Kennedy-Fan-Gemeinde war das schon ein wenig neu und ungewohnt, nach den spektakulären und mitreißenden Auftritten der vergangenen Jahre. Ein nachdenklicher, ruhiger, manchmal fast schüchtern wirkender Nigel stand da auf der Bühne. Aber er gab – wie immer – alles, um seine Fans glücklich zu machen: Mehr als drei Stunden lang wechselte er nach Herzenslust zwischen den Musikrichtungen, interpretierte Werke von Bach, Sakamoto und Komeda und erlaubt in seinen Eigenkompositionen auch einen Blick auf seine stille, introvertierte, manchmal fast etwas düstere Musikerseele. 

    Aber, na klar, er weiß auch, was er seinen Fans schuldig ist: Zumindest ab und an blitzt der Nigel Kennedy dann durch, den viele erwartet hatten: die Rampensau, der Menschenfänger und Showman. Wenn er mit dem Fuß den Takt stampft, wenn er schwitzt, wenn er niederkniet, sich mit seiner Geige sogar unter das Publikum mischt oder wenn er sich und seine Band aufmunternd anschreit. Apropos Band: Rolf Bussalb an der Gitarre, Piotr Kulakowski am Bass, Slawomir Berny am Schlagzeug – sie sind nicht nur erkennbar beste Freunde von Nigel, sie sind auch seine hervorragenden und treu ergebenen Erfüllungsgehilfen auf der Bühne. Beata Urbanek-Kalinowska und ihr Violoncello setzen da aber noch deutlich eins drauf – vielleicht ist das der Grund, warum ihr „Chef“ sie immer wieder ins Rampenlicht rückt und nicht nur ihre optische Erscheinung, sondern vor allem ihre Virtuosität an ihrem Instrument lobt. 

    Überhaupt nimmt sich Nigel Kennedy an diesem Abend sichtlich gerne immer wieder zurück, überlässt die Show seiner Band, spielt ihr im gegenseitigen Wechselspiel die musikalischen Bälle zu. Schade nur, dass die Gitarre von Rolf Bussalb da manchmal etwas zu leise wirkt, dafür das Schlagzeug von Slawomir Berny zu massiv (oder schlecht abgemischt?) daherkommt. Vielleicht ist die Akustik im Kursaal aber auch nur eine Frage des Sitzplatzes. 

    Nigel Kennedy spielt beim Festival der Nationen in Bad Wörishofen seine Geige manchmal wie eine Leadgitarre

    Wer (wie ich) gar nicht so sehr in der Klassik, sondern vielmehr im Rock ’n’ Roll zu Hause ist, der sollte eigentlich happy sein: E-Gitarren, E-Bass, Drums, Lightshow. Ach ja, und dann ist da ja noch dieser Typ mit der Geige, mit seiner 80er-Jahre-Punk-Friese auf dem inzwischen etwas schütteren Haupt. Auch spielt er nicht nur seine legendäre Guarneri-Geige von 1735, sondern (s)eine spacige E-Violine. 

    Aus diesem Instrument holt der Star-Geiger dann Töne heraus, die man so gar nicht erwartet hätte. Manche Arrangements könnten auch von den Rockbands Yes oder Pink Floyd stammen. Oder ist da auch ein Schuss Led Zeppelin dabei? Nein, das ist Nigel Kennedy – und sonst gar nichts. Das ist eben diese spezielle „Spiritual Connection“: Klassik? Rock? Klezmer? Jazz? Bach? Sakamoto? Komeda? Egal!!! Nigel holt sie alle zusammen. 

    Er spielt die Geige immer wieder fast wie eine Leadgitarre, arbeitetet angestrengt mit den Fuß-Pedalen, um immer wieder neue, immer wieder sehr ungewöhnliche Effekte und Klangfarben zu erzeugen. Das gelingt meistens, manchmal dröhnt der Soundeffekt aber mehr als es selbst dem gestähltesten Rocker-Ohr guttun kann. Aber auch hier sei dem Nigel gerne verziehen – bestimmt lag das vor allem an der Akustik im Kursaal. 

    Nigel Kennedy ließ bei seinem Auftritt beim Festival der Nationen in Bad Wörishofen auch seine ruhige, nachdenkliche Musikerseele erkennen.
    Nigel Kennedy ließ bei seinem Auftritt beim Festival der Nationen in Bad Wörishofen auch seine ruhige, nachdenkliche Musikerseele erkennen. Foto: Bernd Feil/m.i.s.

    Und dann sitzt da ja auch noch die wunderbare Beata Urbanek-Kalinowska mit ihrem Violoncello. Sie spielt seit 2010 mit Kennedy zusammen und ist in Krakau Professorin für Kammermusik. Charmant überlässt ihr der Star immer wieder so viel Raum, macht sich fast selbst etwas klein, um dieser tollen Musikerin den gebührenden Platz zu schaffen. Und auch wenn der 66-Jährige ihr immer wieder Komplimente macht, hat dies ganz und gar nichts mit einer wie auch immer gearteten „Alter-Weißer-Mann“-Attitüde zu tun. Nein, es ist vielmehr die echte und spürbare Bewunderung des Talents dieser Frau und ihrer Fähigkeit, alleine mit einem Violoncello die Zuschauerinnen und Zuschauer zu begeistern. 

    Warum Nigel Kennedy diesmal nicht alle Fans in Bad Wörishofen von den Stühlen riss

    Nigel Kennedy ist einer der weltweit führenden Geigenvirtuosen. Bei manchen seiner eigenen Kompositionen und Arrangements legt er aber Guarneri- oder E-Geige zur Seite und nimmt am Flügel Platz. Natürlich beherrscht er auch dieses Instrument, doch es ist eben nicht der Nigel Kennedy, den sich manche im Kursaal erwartet und erhofft hatten. 

    Aber keine Angst: Spätestens, wenn er wieder zur Geige greift, dann ist das Publikum wieder da, jubelt ihm auch mal euphorisch zu und steht dann endlich auf, um ihm den gebührenden Applaus und Respekt zu spenden. Kurz vor halb zwölf ist es dann vorbei, dieses lang ersehnte Konzert von Nigel Kennedy. Es war für mich das dritte. Zwei Mal hatte er mich vor Begeisterung vom Stuhl gerissen. Diesmal bin ich sitzen geblieben. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden