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Bad Wörishofen: Bluttat in Bad Wörishofen: Aus Frust „ein Leben vernichtet“

Bad Wörishofen

Bluttat in Bad Wörishofen: Aus Frust „ein Leben vernichtet“

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    Gegen Rusi I. (hinten rechts mit Verteidiger Alexander Esser) verkündete das Memminger Schwurgericht nach mehr als zehn Verhandlungsterminen mit 22 Zeugenaussagen verteilt auf mehrere Monate, das Urteil. Auf ihn warten unter anderem siebeneinhalb Jahre Haft.
    Gegen Rusi I. (hinten rechts mit Verteidiger Alexander Esser) verkündete das Memminger Schwurgericht nach mehr als zehn Verhandlungsterminen mit 22 Zeugenaussagen verteilt auf mehrere Monate, das Urteil. Auf ihn warten unter anderem siebeneinhalb Jahre Haft. Foto: Markus Heinrich (Archivbild)

    Es ist still, als Richter Christian Liebhardt zusammen mit den anderen Mitgliedern des Schwurgerichts zur Urteilsverkündung den Saal 132 des Landgerichts in Memmingen betritt. Rusi I. blickt ins Leere. Er soll in der Nacht zum 28. März vergangenen Jahres im ehemaligen Kurhotel Raffler seine Freundin Velina F. mit mehr als 30 Messerstichen getötet haben. Schon zu Beginn der Verhandlung, die sich über einige Monate mit mehr als zehn Verhandlungstagen und 22 Zeugenaussagen hinzog, gestand der 28-Jährige die Tat. Jetzt erwartet ihn das Urteil.

    Zuvor am selben Verhandlungstag trug Verteidiger Alexander Esser sein Plädoyer vor. „Bei ihm ist viel passiert“, führte er an. Der Frust habe sich über eine lange Zeit in Rusi I. aufgebaut. Die Beziehung zu seiner Partnerin habe, wie aus den mehr als 1000 vom Gericht eingesehenen Chatnachrichten hervorgehe, am Ende nicht mehr so rosig wie zu Beginn ausgesehen. Derbe Beleidigungen seien am laufenden Band von beiden Beteiligten formuliert worden. Beide Beziehungspartner hätten sich nicht um die Bedürfnisse des anderen gekümmert.

    Rusi I. war finanziell von seiner Partnerin abhängig

    Zudem habe sich Rusi I. in einer „trostlosen“ Lebenssituation befunden, wie Esser in seinem gut eine Stunde dauernden Plädoyer ausführte. Sein Mandant wohnte in einem Arbeiterheim in Bad Wörishofen, räumlich getrennt von seiner Partnerin, von der er finanziell abhängig war. Außerdem stellte der Anwalt die fortlaufende Demütigung heraus, die Rusi I. seitens der Mutter von Velina F. erlitten habe. Diese habe ihn oft vulgär beleidigt und erniedrigt, unter anderem als „Abschaum“ bezeichnet.

    Für den Verteidiger stand fest, dass Rusi I. zum Tatzeitpunkt im Affekt gehandelt habe. Als er nach der Tat aufgefunden wurde, hatte er laut Zeugenaussage rote, aufgerissene Augen. „Das ist ein klassisches Merkmal dafür“, sagte Esser. Die lange Vorgeschichte, die schweren Beleidigungen und nicht zuletzt der Alkohol, von dem beide Beteiligten an dem Abend reichlich intus hatten, legten eine Affekttat ebenfalls nahe. Auch das psychologische Gutachten von Andreas Küthmann, das Rusi I. zum

    Zwei Messer im Bad Wörishofer Arbeiterheim "kaputtgestochen", ein drittes verbogen

    Für Rusi I. habe auch im Plädoyer von Staatsanwältin Chasklovicz am vorherigen Verhandlungstag gesprochen, dass er weitgehend geständig gewesen sei. Er hatte die Tat schon früh eingeräumt, aber auch Erinnerungslücken geltend gemacht. Dagegen sei aber die „erhebliche, brutale Tat“ gestanden, machte die Staatsanwältin deutlich. Rusi I. habe laut Chasklowicz zwei Messer „nahezu kaputtgestochen“, ein drittes benutzt und verbogen. Er habe wuchtige Stiche gegen ein „wegkrabbelndes Opfer“ geführt, habe Velina F. am Ende auch ins Gesicht getreten. Staatsanwältin Chasklowicz forderte eine Haftstrafe von zehn Jahren und vier Monaten für den 28-Jährigen. Außerdem den Aufenthalt in einer Entzugseinrichtung wegen seines Alkoholproblems.

    Direkt nach dem Plädoyer seines Verteidigers Alexander Esser stand Rusi I. von seinem Stuhl auf und sah nach vorne. Seine Dolmetscherin übersetzte: „Mir ist bewusst, dass ich, egal was ich sage, die Zeit nicht zurückdrehen kann. Ich bereue zutiefst, was ich getan habe und denke Tag und Nacht daran. Mir ist bewusst, dass ich ein menschliches Leben vernichtet habe, das wird mich mein ganzes Leben lang begleiten.“ Außerdem tue es ihm für die Tochter seiner ehemaligen Partnerin leid. Das Memminger Schwurgericht unter Richter Christian Liebhardt befindet den 28-Jährigen für schuldig.

    Haft, Entzug und Geldzahlungen für die Bluttat in der Kneippstadt

    Er muss wegen Totschlags für sieben Jahre und sechs Monate in Haft. Außerdem muss er ein Jahr und neun Monate in einer Entzugseinrichtung verbringen. An die zehnjährige Tochter von Velina F. muss er 50.000 Euro zahlen, Folgekosten tragen und zusätzlich pro Monat seit der Tat 345 Euro, um für seit dem Tatzeitpunkt entstandene Kosten aufzukommen. Da er diese Menge an Geld nicht besitzt, muss er dafür einen Kredit aufnehmen, damit der Tochter das Geld sofort zur Verfügung steht.

    Während der Ausführungen des Richters starrt Rusi I. auf den Boden. Als es um die Tat selbst geht, schluchzt er mehrmals. Die Beziehung lief sehr toxisch, wie Richter Liebhardt herausstellte. Es gab oft Streit, Bedürfnisse beider Beteiligten wurden oft nicht beachtet. Betrunken forderte Rusi I. beispielsweise oft sexuelle Handlungen, auch wenn seine Partnerin nicht wollte. Später, im nüchternen Zustand entschuldigte er sich, wie der Richter sagt. Der allgemeine Umgangston sei rau gewesen. Klar sei aber, dass Rusi I. zum Tatzeitpunkt eine direkte Tötungsabsicht hatte. Das ergebe sich aus den Umständen, so der Richter. Auch er sieht die sogenannte „Übertötung“ als Affekttat.

    Rusi I. nimmt das Urteil des Memminger Schwurgerichts an

    Aber: „Eine affektive Bewegung ist bei Tötungsdelikten der Normalfall.“ Die Strafmilderung könne allerdings nicht so hoch ausfallen, wie von Anwalt Alexander Esser gefordert. Denn Rusi I. habe sehr wohl eigene Schuld an der Tat. „Gegen eine tief greifende Bewusstseinsstörung spricht der komplexe Tatablauf“, so Richter Liebhardt. Zwei Mal wurden währenddessen zerstörte Messer gegen neue getauscht. Er habe 34 Mal zugestochen.

    Der Angeklagte hatte direkt danach seine Mutter angerufen, war sich der Konsequenzen bewusst. Denn die teilte er ihr mit. Sowohl Rusi I. als auch die Staatsanwaltschaft nahmen das Urteil an. Beide Seiten verzichten auf weitere Rechtsmittel. Damit ist das Urteil rechtskräftig und es wird keine Revision geben.

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