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Wirtschaft: Sie bringt die Zeitung zu den Lesern

Wirtschaft

Sie bringt die Zeitung zu den Lesern

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    Gertraud Schneider trägt seit 2010 in Haselbach die Mindelheimer Zeitung aus. Sie hat von der Einführung des Mindestlohns profitiert.
    Gertraud Schneider trägt seit 2010 in Haselbach die Mindelheimer Zeitung aus. Sie hat von der Einführung des Mindestlohns profitiert. Foto: Stoll

    Gertraud Schneider ist jeden Tag von 3.15 Uhr an unterwegs. Wenn sich andere im Bett noch einmal umdrehen, hat ihr Arbeitstag längst begonnen. Die einzige Ausnahme: der Sonntag. Da darf auch die Mutter von drei Mädchen ausschlafen.

    Seit Januar 2010 trägt Gertraud Schneider in Haselbach (Gemeinde Eppishausen) die Mindelheimer Zeitung aus. Bezahlt wurde sie bislang nach der Zahl der zugestellten Zeitungen und Briefe. Mit der Einführung des Mindestlohns im Januar hat sich die Situation geändert: „Wir bekommen jetzt 8,70 Euro pro Stunde sowie Nachtzuschläge.“ Der große Vorteil sei, dass seitdem die „Ist-Zeit“ gilt: „Wenn wir wegen des Wetters länger brauchen als vorgesehen, dann kriegen wir mehr gezahlt“, freut sie sich.

    Für die Mediengruppe Pressedruck, in der die Augsburger Allgemeine und ihre Heimatzeitungen erscheinen – eine davon ist die Mindelheimer Zeitung, bringt die Einführung des Mindestlohns Änderungen mit sich – vor allem finanzielle. Rund 150 Zusteller stellen die Mindelheimer Zeitung zu. Sie bekommen seit Januar einschließlich Nachtzuschlag mindestens 9,35 Euro pro Stunde.

    „Die gesetzliche Sonderregelung für die Vergütung der Zeitungszustellung wird von uns nicht in Anspruch genommen, da dies einerseits einer Geringschätzung der wertvollen Zustellleistung gleichkäme und andererseits auch nur im Fall einer ausschließlichen Zustellung von Zeitungen oder Zeitschriften zulässig wäre. Unsere Zusteller tragen aber überwiegend auch Briefe und Prospekte aus“, sagt Kay Helmecke, Geschäftsführer der PDV Logistik Holding GmbH, die für die Zustellung verantwortlich ist, und fügt an: „Wir rechnen dadurch mit erheblichen Mehrkosten.“ Wie hoch sie sein werden, lasse sich noch nicht sagen: „Das hängt von verschiedenen Faktoren wie Witterung, Umfängen und Gewicht ab.“

    Ein weiteres Problem sind laut Helmecke die bürokratischen Hürden. Verträge mussten neu geschrieben, Vertriebs- und Personalsysteme umgestellt werden. Das kostete nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Die Einsatzzeiten der Zusteller müssen seit Januar exakt dokumentiert werden. „Allein bei der Augsburger Allgemeinen und ihren Heimatzeitungen bringt dies eine Verarbeitung von über 100 000 Datensätzen im Monat mit sich. Das Mindestlohngesetz ist zu einem bürokratischen Monster geworden, hier bedarf es dringend einer Nachbesserung durch den Gesetzgeber.“

    Für Gertraud Schneider aus Haselbach bedeutet die Einführung des Mindestlohns aber auch mehr Schreibarbeit. Die Arbeitszeiten, die von den Zustellern beim Arbeitgeber angegeben werden, gleicht dieser mit der Zeit ab, die er für den Bezirk veranschlagt hat. Dies setzt ein hohes Maß an Vertrauen voraus: „Wenn wir die Zeitungen nachts an den Abholstellen ablegen, wissen wir nicht, wann der Austräger sie holt“, sagt Helmecke. Dann gebe es Austräger, die sehr schnell seien und andere, die für einen Bezirk länger brauchen.

    Einige, vor allem ältere Mitarbeiter, habe die Einführung des Mindestlohns deshalb verunsichert: Konnten sie sich ihre Zeit bislang frei einteilen, sich für eine Route so viel Zeit nehmen, wie sie brauchten, arbeite man nun zeitorientierter: „Wir müssten eigentlich mit der Stoppuhr hinter den Zustellern stehen und prüfen, ob alles im Zeitrahmen läuft.“

    Die Augsburger Allgemeine verfahre nicht nach diesem System: Bezahlt wird die Zeit, die der Zusteller benötigt. Man mache sich außerdem Gedanken, ob man in einigen Fällen die Arbeit zum Beispiel durch E-Bikes unterstützen könnte. Das Verbreitungsgebiet der Augsburger Allgemeinen und ihrer Heimatzeitungen ist vielseitig. Es umfasst große Städte wie Neu-Ulm und Augsburg, aber auch sehr ländliche Gebiete, in denen die Abonnenten weit auseinander wohnen. Wie viele Zeitungen ein Zusteller austrägt, hängt auch davon ab: Wer in

    Viele Zeitungszusteller schätzen an ihrer Arbeit die Flexibilität. Gertraud Schneider sagt, „ich kann mir nichts anderes mehr vorstellen“. Familie hat bei ihr immer Vorrang. Die Arbeit als Zustellerin könne sie prima damit vereinen. Untertags, wenn sie für Fahrten oder die Hausaufgaben gebraucht wird, ist sie für ihre Kinder da. Den Tag kann sie sich so gut einteilen.

    Das frühe Aufstehen macht ihr nichts aus. Früher hat sie in einer Fabrik gearbeitet mit festen Arbeitszeiten. Dass das heute anders ist, weiß sie sehr zu schätzen. „Keiner pfuscht mir ins Handwerk“. Das Austragen halte sie fit. Egal ob Sommer oder Winter – Gertraud Schneider bringt den Haselbacher Abonnenten der Mindelheimer Zeitung ihr druckfrisches Exemplar bis spätestens um 6 Uhr an die Haustüre – mit dem Fahrrad. (jsto/nip)

    Wer sich vorstellen kann, die Mindelheimer Zeitung auszutragen, kann sich unter Telefon 08261/9913-30 über Möglichkeiten und Konditionen informieren.

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