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Wasserwirtschaft: Die Wertach hat ein tiefes Gedächtnis

Wasserwirtschaft

Die Wertach hat ein tiefes Gedächtnis

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    Max Leinauer, Leiter der Türkheimer Flussmeisterei, hat die Arbeiten unterhalb der Wertachbrücke genau im Auge.
    Max Leinauer, Leiter der Türkheimer Flussmeisterei, hat die Arbeiten unterhalb der Wertachbrücke genau im Auge.

    Mit lautem Getöse plumpsen die riesigen Steine aus dem Tieflader und schon schnappt sich die Baggerschaufel einen Stein und schiebt ihn in das Flussbett der Wertach. Seit einigen Tagen sind hier, unterhalb der Amberger Brücke, die Bagger angerückt, die Arbeiten werden wohl bis ins Frühjahr dauern, schätzt Max Leinauer. Leiter der Flussmeistereistelle Türkheim des Wasserwirtschaftsamtes Kempten.

    Klar, hier gehe es darum, die „Sünden“ der Vergangenheit zu korrigieren – doch das hört Max Leinauer eigentlich nicht so gerne. Natürlich wurden in den 1930er und 1940er Jahren aus heutiger Sicht gravierende Fehler gemacht, als die Wertach in ein neues Bett gezwungen wurde.

    Doch das geschah damals ja auch nicht aus Jux und Tollerei der Verantwortlichen, sondern war damals Stand der Technik und Wissenschaft, als von Naturschutz und Wasserwirtschaft noch nicht viel zu hören war.

    Damals ging es vor allem darum, schnell neue Flächen für die Landwirtschaft zu gewinnen. Und auch später, in den 1950er Jahren wurden – wieder aus heutiger Sicht – Fehler gemacht, als die Wertach südlich von Türkheim angestaut wurde.

    Daraus resultiert das Problem, um das sich das Wasserwirtschaftsamt Kempten heute kümmern muss: „Geschiebe-Defizit“ nennt das Hauptflussmeister Max Leinauer – laienhaft beschrieben bedeutet das, dass die Wertach auf ihrem Weg Richtung Lech zu wenig Geröll, Kies und Sand, transportiert – dieses „Geschiebe“ bleibt in den Staustufen hängen, was für das Flussbett der Wertach buchstäblich tiefe Einschnitte bedeutet.

    Das Wasser fließt ohne Kies und Gestein schneller und der Fluss gräbt sich dadurch tiefer und schneller ein, als es aus wissenschaftlicher Sicht gut ist. Die Folge können Schäden an der Uferböschung sein – sogar Schäden an der Brücke kann Max Leinauer langfristig nicht völlig ausschließen, wenn nicht rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

    Und genau das passiert derzeit: 2500 Tonnen Steine und 2000 Tonnen Kies werden kurz unterhalb der Amberger Brücke in das Flussbett eingebracht. Die Steine bilden dann eine sogenannte „Sohlstützschwelle“, was man durchaus auch wörtlich nehmen darf, wie Max Leinauer erklärt: „Die Sohle des Flussbetts wird fixiert, damit es nicht noch weiter runter geht“. Schon Anfang der 1990er Jahre wurde an dieser Stelle die erste Sohlstützschwelle gebaut, bis zur Landkreisgrenze in Siebnach sorgt alle 200 Meter eine Schwelle dafür, dass die Wertach – immerhin ja ein Gebirgsfluss – etwas „gebremst“ wird. Als „erwünschter Nebeneffekt“ wird dadurch das Wasser auch zusätzlich mit Sauerstoff versorgt. Alle zwei Jahre werden die Schwellen flussabwärts des Walterwehrs kontrolliert, denn wenige Meter hinter der Barriere aus den riesigen Steinen gräbt sich das Wasser dann bis zu fünf Meter tief ein – diese wechselnden Wassertiefen werden „Kolk“ genannt und sollten grundsätzlich auch erhalten werden, da sie laut Leinauer ein naturnahes und natürliches Gewässer auszeichnen.

    Im Bereich von Querbauwerken, wie einer Sohlstützschwelle, muss allerdings, um deren Standsicherheit zu gewährleisten, die Größe des Kolkes beschränkt werden.

    Erst etwa 80 Meter nach der Sohlestützschwelle erreicht das Flussbett wieder Normalniveau – und dann kommt ja bald schon wieder die nächste Barriere.

    Max Leinauer hofft, dass die Arbeiten schnell vonstatten gehen können, doch was auf den ersten Blick für den Laien ganz einfach aussieht, ist es nicht: Die Steine müssen gezielt verteilt werden, damit auch Fische und andere Wassertiere nicht an ihrem Aufstieg gehindert werden.

    Die 2000 Tonnen Sand und Kies, die dabei gleich mit eingearbeitet werden, holt sich die Wertach dann zurück und transportiert sie weiter – ein kleiner Ausgleich für das verlorenen gegangene „Geschiebe“, das der Fluss auf seinem Weg von den Alpen bis zum Lech eigentlich transportieren sollte.

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