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Unterallgäu: Wegen Verwesungsgeruch wird ein Vermieter zum Einbrecher

Unterallgäu

Wegen Verwesungsgeruch wird ein Vermieter zum Einbrecher

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    Wegen Hausfriedensbruch und Diebstahls stand ein 66 Jahre alter Unterallgäuer vor Gericht.
    Wegen Hausfriedensbruch und Diebstahls stand ein 66 Jahre alter Unterallgäuer vor Gericht. Foto: Sonja Wurtscheid/dpa

    Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Vermieter und aus der von Ihnen vermieteten Wohnung dringt übler Verwesungsgeruch nach draußen. Ihr Mieter, der seit Monaten im Zahlungsrückstand ist, geht tagelang nicht ans Telefon – und auf das Klingeln an der Tür reagiert er auch nicht. Weil Ihr Mieter das Schloss vor einiger Zeit ausgetauscht hat, kommen Sie mit Ihrem Zweitschlüssel nicht in die Wohnung. Was würden Sie tun? Falls Sie die Tür aufbrechen würden, sollten Sie sich das Ganze noch einmal gut überlegen. Denn damit könnten Sie vor dem Strafrichter landen – wie jüngst ein 66-Jähriger aus dem Unterallgäu.

    Der Staatsanwalt warf dem Angeklagten Hausfriedensbruch und Diebstahl vor

    Ihm wurde vorgeworfen, im November vergangenen Jahres gemeinsam mit seinem Sohn die Wohnungstür seines Mieters aufgebrochen und einen Laptop aus der Wohnung mitgenommen zu haben. In den Augen der Staatsanwaltschaft ist das Hausfriedensbruch und Diebstahl.

    Dass er die Tür aufgebrochen und den Rechner genommen hatte, bestritt der Angeklagte vor Gericht nicht. Er erklärte aber auch, warum: Bereits im August hatte ihm sein säumiger Mieter angeboten, Ende des Monats auszuziehen. „Dann hätte ich ihm seine Mietrückstände geschenkt“, sagte der 66-Jährige. Doch als er von mehreren Auslandsaufenthalten zurückkam, hatte der Mieter die Wohnung offenbar immer noch nicht geräumt. Stattdessen „hat es im ganzen Haus gestunken“, so der 66-jährige Hausbesitzer. Nachbarn und eine Gastronomie in der Nähe hätten sich schon beschwert. „So ein Gestank kommt nicht mal aus dem Gulli raus“, erklärte der Vermieter. Er habe sich gesorgt, dass der Hund des Mieters tot in der Wohnung liege – oder gar der Mieter selbst, den er seit Tagen telefonisch nicht erreicht habe. Also habe er seinen Sohn um Hilfe gebeten, um die Tür aufzubrechen. „Ich habe was unternehmen müssen“, sagte der Angeklagte. Er ist sich aber inzwischen bewusst: „Ich hätte auf die Polizei warten müssen.“

    Der Vermieter fand eine "Müllabstellkammer" vor

    Als er die Tür aufgebrochen hatte, „dachte ich, mich trifft der Schlag“, so der 66-Jährige. „Das war eine Müllabstellkammer.“ Bevor er die Wohnung betrat, dokumentierte er den Zustand auf Fotos. Im später verfassten Polizeibericht heißt es: „Das Bett konnte nur erahnt werden und war völlig verdreckt.“ Von verschimmelten Nahrungsmitteln ist die Rede und davon, dass sich auch die Polizisten wegen des Gestanks nicht lange in der Wohnung aufhalten konnten. Den Laptop seines Mieters habe er an sich genommen, damit ihn niemand stehle, erklärte der angeklagte Vermieter vor Gericht – schließlich hatten wegen der aufgebrochenen Wohnungstür theoretisch alle Parteien des Hauses Zutritt zu der Kellerwohnung des Mieters. Sowohl der Vermieter als auch der inzwischen hinzugekommene Mieter hatten an dem Novembertag die Polizei gerufen – und als diese sich nach dem Laptop erkundigte, händigte der 66-Jährige ihn auch sogleich aus.

    Der 37 Jahre alte Mieter beschuldigte den 66-Jährigen dennoch des Diebstahls. Den Müll und den Gestank in der Wohnung begründete der Mieter so: „Ich hatte damals meine Probleme.“ Er habe kein Einkommen, bis heute nichts vom Amt gehört und kein Geld bekommen.

    Der Staatsanwalt forderte sechs Monate auf Bewährung

    Weil der Vermieter wegen Unterschlagung und Betrug unter offener Bewährung stand, war die Sache vor Gericht gelandet. Die Staatsanwaltschaft sah den Hausfriedensbruch und den Diebstahl als erwiesen an, nahm aber auch die Entschuldigung und die schwierige Situation des Vermieters zur Kenntnis – und forderte eine Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung.

    Verteidigerin Anna Maria Huber sah die Sache komplett anders: Ihr Mandant sei sich in diesem Moment im November 2019 sicher gewesen, etwas Richtiges zu tun. In ihren Augen war auch die Mitnahme des Laptops kein Diebstahl, weil die „Zueignungsabsicht“ gefehlt habe.

    Das sah Richterin Katrin Krempl ebenfalls so. Sie verurteilte den 66-Jährigen nur wegen des Hausfriedensbruchs, nicht aber wegen Diebstahls, zu einer Geldstrafe von 20 Tagesssätzen à 30 Euro und erklärte dem Angeklagten: „Man darf nicht in die Wohnung rein, auch wenn es da noch so sehr stinkt.“

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