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Unterallgäu: Warum an Kirchweih eine Fahne vom Turm weht

Unterallgäu

Warum an Kirchweih eine Fahne vom Turm weht

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    Zwar hängt auch heute am dritten Sonntag im Oktober noch die rot-weiße Kirchweihfahne aus dem Turmfenster, doch vom eigentlichen Fest ist wenig übrig geblieben.
    Zwar hängt auch heute am dritten Sonntag im Oktober noch die rot-weiße Kirchweihfahne aus dem Turmfenster, doch vom eigentlichen Fest ist wenig übrig geblieben.

    Im Reigen der verschiedenen Festtage im Jahreslauf nahm einst das Kirchweihfest im Oktober einen besonderen Rang ein. Nachdem es jedoch um dieses früher so große und typisch ländliche Fest in den letzten Jahren schon recht ruhig geworden ist, könnte ihm nun Corona die letzte Feierlaune verderben. Dabei hatte das Kirchweihfest einst eine herausragende Bedeutung im bäuerlichen Jahr.

    Gefeiert wird es am dritten Sonntag im Oktober. Es erinnert daran, dass jedes katholische Gotteshaus in Bayern vom Bischof geweiht wurde. Ursprünglich feierte jede Gemeinde den Weihetag ihrer Kirche am Kalendertag der tatsächlichen Weihe. 1868 wurde dann in Bayern der dritte Sonntag im Oktober als einheitlicher Kirchweihtag eingeführt, um das – aus Sicht der Obrigkeit – zu häufige Feiern und Nichtstun in den Dörfern einzudämmen. Damit wurde das Kirchenfest auch noch zu einem „weltlichen“ Kirchweihsonntag, dem sich dann der Kirchweihmontag als Bauernfeiertag mit Erntefeiern und Märkten anschloss.

    An Kirchweih wurde früher im Unterallgäu gefeiert und geschmaust

    Kirchweih entwickelte sich in der Folge zu einem herausgehobenen Festtag auf dem Lande, an dem man sich über das Ende der harten Erntezeit freute. Ältere Menschen können noch berichten, dass es früher zu Kirchweih stets ein besonderes Festessen und reichlich Kuchen gab. Die Bäuerinnen richteten „auf Kiaweih“ eine Menge davon her, erwartete man doch zahlreiche Besucher aus Familie und Verwandtschaft, die traditionell als Kirchweihgäste vorbeischauten. Auch das Gesinde und die Erntehelfer wurden am Schmausen und Festen beteiligt. Die Bäuerinnen hatten mit den Festvorbereitungen also viel zu tun, zumal auch stets ein großer Hausputz dem Fest vorausging.

    Pünktlich am Samstag um 14 Uhr wurden die Kirchweihfeuer entzündet. Je mehr sie qualmten, desto größer war die Chance auf einen Gewinn.
    Pünktlich am Samstag um 14 Uhr wurden die Kirchweihfeuer entzündet. Je mehr sie qualmten, desto größer war die Chance auf einen Gewinn.

    Traditionell beginnt das Kirchweihfest bereits am Kirchweih-Samstag um 14 Uhr mit dem Hissen der rot-weißen Kirchweihfahne, „Zachäus“ genannt, auf dem örtlichen Kirchturm. Am Sonntag folgt in der Kirche ein feierlicher Gottesdienst. Neben dem Beten, dem Schmausen und Feiern gehörte zur Kirchweih einst besonders auch der Kirchweihtanz im Dorfgasthaus. Einen Extra-Rang nahm der Kirchweih-Montag ein. Dieser entwickelte sich in bäuerlichen Gegenden und ländlichen Orten zu einem arbeitsfreien „Bauernfeiertag“, der mancherorts auch mit einem Markttag verbunden war.

    Teil des Kirchweih-Brauchtums waren die qualmenden Kirchweihfeuer, die in manchen Unterallgäuer Orten immer noch entzündet werden

    In vielen Dörfern, so auch im Unterallgäu, gehörten vor allem die Kirchweihfeuer am Samstag zur Tradition. Als es noch die Weidewirtschaft mit vielen Viehhirten gab, sammelten die Buben und Mädchen aller Flurteile tagelang Brennmaterial und schichteten es zu einem großen Haufen auf. Dieser wurde beim Glockenschlag am Samstag um 14 Uhr angezündet.

    Neben dem aufregenden Abbrennen war es für die Kinder vor allem ein „Feuer-Rauch-Wettbewerb“ zwischen den verschiedenen Flurteilen. Ein neutraler Beobachter vom Turm herunter erklärte dann das Feuer, das am meisten gequalmt hat, zum umjubelten Sieger. Der Brauch des Kirchweihfeuers wird immer noch in verschiedenen Unterallgäuer Orten gepflegt. Er hat jedoch kaum noch eine Bindung zur Welt der Landwirtschaft. Oft dient es eher als „Entsorgungsfeuer“ unter dem Deckmantel des Brauchtums.

    So blieb von all den ursprünglichen Kirchweihbräuchen in der Region nur wenig erhalten. Es gibt zwar noch allerorts die rot-weißen Kirchweihfahnen, gelegentlich einen „Kirchweihtanz“ sowie die beliebte „Kirchweihgans“. Vom einstigen Sinn und Glanz des Festtages und der natürlichen Feierfreude zum Abschluss eines harten Arbeitsjahres ist aber angesichts des Wandels in Landwirtschaft und Gesellschaft wenig übrig geblieben. So könnten – aktuell zusätzlich befördert von der Corona-Pandemie – künftig nun auch die Tage traditioneller Kirchweihmärkte und froher Kirchweihfeste gezählt sein.

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