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Unterallgäu: Sex-Sklavin wider Willen?

Unterallgäu

Sex-Sklavin wider Willen?

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    Ein 37-jähriger Unterallgäuer musste sich vor dem Memminger Amtsgericht verantworten, weil er seine Frau vergewaltigt haben soll. Dass es zwischen den beiden einen Sex-Sklavenvertrag gab, machte den Fall besonders knifflig.
    Ein 37-jähriger Unterallgäuer musste sich vor dem Memminger Amtsgericht verantworten, weil er seine Frau vergewaltigt haben soll. Dass es zwischen den beiden einen Sex-Sklavenvertrag gab, machte den Fall besonders knifflig. Foto: Symbolbild: Boris Roessler, dpa

    Die Anklageschrift, die der Staatsanwalt vor dem Schöffengericht am Memminger Amtsgericht verliest, ist nichts für Zartbesaitete: Einem 37-jährigen Unterallgäuer wird darin vorgeworfen, seine eigene Frau vergewaltigt und sexuell genötigt zu haben. Er soll sie zu Sadomaso-Praktiken (SM) und auch zum Sex mit mehreren Männern gleichzeitig gezwungen haben. Es ist unter anderem von erzwungenem Oralverkehr die Rede, während sie auf eine Hantelbank gefesselt war, von Schlägen mit der Peitsche, von Klammern an den Brustwarzen und weiteren Beispielen sexueller Erniedrigung. Dass sie überhaupt ans Licht kamen, hängt mit weiteren Vergehen zusammen, die dem Mann zur Last gelegt werden.

    So soll er nach der Trennung von seiner Frau zum einen Geld von den Girokonten seiner beiden Kinder abgehoben und sich so der Untreue schuldig gemacht haben, und zudem sowohl gegenüber seiner Frau als auch seiner Tochter handgreiflich geworden sein.

    Die Eheleute waren in der SM-Szene aktiv - aus freien Stücken, wie der 37-Jährige betont

    Als der Vater die damals Zwölfjährige im Laufe eines Streits zu Boden wirft und ihr eine Prellung zufügt, geht die Mutter zur Polizei. Dem Beamten vertraut sie schließlich auch die sexuellen Übergriffe ihres Mannes an, zu denen es im Verlauf der neunjährigen Ehe immer wieder gekommen sein soll. Dass sie sich nicht schon früher Hilfe holte, begründete sie dem Polizisten zufolge damit, dass ihr Mann ihr immer wieder gesagt habe, dass ihr ohnehin niemand glauben werde – zumal er beste Kontakte zur

    Was den Fall vor Gericht kniffelig machte: Beide waren in der SM-Szene aktiv – aus freien Stücken, wie der Angeklagte betonte. Auf einer Erotikmesse hätten sie bereits 2003 Gefallen an dieser sexuellen Spielart gefunden und diese in beiderseitigem Einvernehmen ausgelebt. „Das Ganze war einvernehmlich, ohne Zwang und ohne irgendwelche Verpflichtungen“, sagte der 37-Jährige vor

    Erst aus Liebe und dann aus Angst wurde die Ehefrau zur Sex-Sklavin ihres Mannes

    Richter Nicolai Braun spricht von einer „ungesunden Dynamik“ zwischen den Ehepartnern: Aus Liebe zu ihrem Mann und später „um des lieben Friedens willen“, habe die Frau mitgemacht, obwohl sie zunehmend unter den verlangten Sexpraktiken gelitten habe. Das aber habe sie – wohl aus Angst vor ihrem Mann – nicht deutlich gemacht und sich auch nicht gewehrt. Weil bei der Beweisaufnahme, die alle äußerlichen Punkte der Anklageschrift bestätigt habe, aber kein Zwang nachweisbar gewesen sei, „ist eine Verurteilung nicht möglich“, sagte Braun – auch wenn klar sei, wer die Leidtragende des Geschehens gewesen sei. Das aber sei strafrechtlich nicht relevant. Der 37-Jährige werde deshalb vom Vorwurf der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung freigesprochen. Gleichwohl betonte Braun, dass die Aussage der Frau, die zu ihrem Schutz unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, absolut glaubhaft gewesen sei. Die Ehe sei für sie zum Martyrium geworden.

    Der Mann, der auch vor Gericht sehr dominant auftrat und von seinem Verteidiger Michael Bogdahn mehrfach ermahnt wurde, stellte sich hingegen selbst als Opfer dar: Er habe wiederholt versucht, sich von seiner Frau zu trennen, die ihm gegenüber auch einen früheren Partner der Vergewaltigung bezichtigt und ohne sein Wissen außereheliche Sexualkontakte gehabt habe. Als er Ende März 2017 dann tatsächlich die Koffer packte, habe sie ihm angedroht, ihn zu vernichten – sowohl beruflich auch als privat.

    Der 37-Jährige wird vor dem Memminger Amtsgericht wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt

    Den Vorwurf, seine Frau und die Tochter geschlagen zu haben, wollte er ebenfalls nicht auf sich sitzen lassen und betonte, noch nie ein Kind körperlich gezüchtigt zu haben. Der Mitschnitt eines Streits, den seine Tochter heimlich angefertigt hatte, vermittelte allerdings ein weniger harmonisches Bild. Darauf ist ein lautstarker Streit zu hören, dann das Weinen der Mutter und der Versuch der Tochter, den Vater mithilfe eines Pfeffersprays abzuwehren. Als Zeugin vor Gericht bezeichnet die inzwischen 15-Jährige das Verhältnis zu ihrem Vater als „immer kompliziert“. Er sei oft nicht zuhause gewesen und wenn er da war, habe er geschlafen oder sei gewalttätig geworden.

    Während der Aussage seiner Tochter, die jeden Blickkontakt mit ihm vermied, schüttelte der Angeklagte immer wieder den Kopf, später wischte er sich Tränen aus den Augen. Die Familie habe sich vor dem Vater gefürchtet und deshalb auch geheimgehalten, wohin sie nach der Trennung gezogen ist. „Wir sind ja quasi geflohen“, sagte sie. Das Gericht glaubte ihr und sah keinerlei Belastungseifer. Die Tochter habe nicht den Eindruck gemacht, als habe sie sich in dem Scheidungskampf instrumentalisieren lassen, so Braun. Zudem gebe es Fotos von der Rötung, die bei ihrem Sturz auf den Boden entstanden seien und auch eine ärztliche Untersuchung. Wegen vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen verurteilte der Richter den 37-Jährigen deshalb zu zehn Monaten Haft auf Bewährung. Er darf sich drei Jahre lang nichts zuschulden kommen lassen und muss außerdem 3000 Euro an das Familienpflegewerk zahlen sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 1500 Euro an seine Tochter und 500 Euro an seine Frau. Das Verfahren wegen Untreue wurde mangels eines Strafantrags eingestellt – zumal der Angeklagte seinen Kindern das Geld zurücküberwiesen hat, das er nur umgebucht haben will, damit seine Frau es nicht verprasst. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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