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Unterallgäu: Mann ist erst Opfer, dann Angeklagter

Unterallgäu

Mann ist erst Opfer, dann Angeklagter

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    Der junge Mann leugnete die Schläge auf einen Mitbewohner.
    Der junge Mann leugnete die Schläge auf einen Mitbewohner. Foto: Symbolfoto Alexander Kaya

    Unterallgäu Er inszenierte sich zunächst als Opfer und saß dann selbst auf der Anklagebank – unter anderem wegen der Falschaussage vor Gericht: Der 25-jährige Nigerianer Taio U. (Namen von der Redaktion geändert) war mehrfach in körperliche Auseinandersetzungen in Asylbewerberheimen im

    Alles begann an einem Tag im Juni 2015 in einem Flüchtlingsheim in Türkheim. Zwischen Taio U.und seinem Landsmann Abiola Z. kam es zum Streit, weil U. seine Füße auf einen Gaskocher gelegt hatte, den sein Mitbewohner Abiola Z. gerade zum Kochen benutzen wollte. Aus dem verbalen Streit wurde eine Schlägerei, die sich offenbar durch das ganze Haus zog. Mit dem genauen Ablauf befasste sich das Landgericht Memmingen im Mai 2016. (Hier geht es zum damaligen Artikel: Ein riesiges Tohuwabohu)

    Zunächst war der 21-jährige Abiola Z. wegen versuchten Totschlags angeklagt

    Auf der Anklagebank saß der damals 21-jährige Abiola Z.. Ihm wurde vorgeworfen, mit dem Küchenmesser auf Taio U. losgegangen zu sein, der ihn zuvor mehrfach mit der Faust geschlagen hatte – die Anklage lautete auf versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung. Denn Abiola Z. soll auch noch Ugonna W., der den Streit schlichten wollte, verletzt haben. Mit einem Stuhl habe Taio U. sich zur Wehr gesetzt und sei dann in sein Zimmer geflüchtet.

    Mehrere Zeugen sagten vor dem Landgericht aus. Doch dass Abiola Z. auf Taio U. mit dem Messer losgegangen sein soll, hatte niemand von ihnen beobachtet. Taio U. bestritt hingegen die vorangegangenen Faustschläge in Z.s Gesicht. Er konnte zudem nicht genau erklären, wie Abiola Z. auf ihn eingestochen haben sollte. Und auch die Verletzungen von Taio U. – Platzwunden am Hinterkopf und über der Lippe – passten nicht zu der angeblichen Messerstecherei.

    Am Ende ließ das Landgericht Memmingen die Vorwürfe fallen

    Abiola Z., der wegen versuchten Totschlags angeklagt war, hatte bei dem Kampf ebenfalls erhebliche Blessuren erlitten, darunter eine gebrochene Nase, eine Blutung an der Gehirnhaut, Verletzungen am Rücken sowie ein Hämatom am Augeninnenwinkel. Am Ende folgerte Richterin Brigitte Grenzstein: „Da sitzt der Falsche auf der Anklagebank.“ Die Vorwürfe gegen Abiola Z. wurden fallen gelassen: Die versuchte Tötung habe es nicht gegeben, es bleibe die Körperverletzung zum Nachteil von Streitschlichter Ugonna W., so das Gericht. Der Angeklagte Abiola Z. verzichtete auf eine Entschädigung für die Untersuchungshaft; das Verfahren wurde eingestellt. Abiola Z. konnte es kaum glauben: Er war wieder frei.

    Gegen Taio U. wurde hingegen weiter ermittelt: nicht nur wegen der Faustschläge und dem Einsatz des Stuhls als Waffe gegen Abiola Z. bei dem Streit in dem Türkheimer Heim, sondern nun auch wegen uneidlicher Falschaussage vor dem Memminger Landgericht. Bis zur nun stattfindenden Verhandlung vor dem Amtsgericht Memmingen kam noch eine weitere Anklage gegen Taio U. hinzu, die den Ereignissen in Türkheim ähnelt.

    In einer weiteren Unterkunft im Unterallgäu kam es zu Handgreiflichkeiten

    Taio U. wurde nach den Vorfällen in Türkheim in einer anderen Asylunterkunft im Unterallgäu untergebracht. Im Mai vergangenen Jahres soll er dort einen anderen 22 Jahre alten nigerianischen Flüchtling mit den Scherben einer Glastür geschnitten und ihn gewürgt haben sowie dessen 23-jähriger Freundin, die dazwischen ging, das Handgelenk gebrochen haben. Vor der Polizei gab Taio U. an, dass der andere Flüchtling ihn mit dem Messer angegriffen habe – was sich später als falsch herausstellte. Eine Schnittverletzung an der Stirn soll sich Taio U. sogar selbst zugefügt haben, um seine Version glaubhaft zu machen: Darum war er nun zudem wegen falscher Verdächtigung angeklagt.

    Während er als Zeuge und vermeintliches Opfer vor dem Landgericht noch sehr lebhaft seine Version der Vorkommnisse geschildert hatte, ist Taio U. nun, wo er im Amtsgericht auf der Anklagebank sitzt, sehr ruhig. Sein Verteidiger Nikolaus von Lucke erklärt für ihn, dass sein Mandant alle Taten gestehe, aber keine weiteren Fragen beantworten wolle. Taio U. selbst sagt nur, dass ihm das alles sehr leidtue.

    Der Nigerianer lebt von dem Geld, das er in einem Supermarkt verdient

    Er ist seit knapp vier Jahren in Deutschland, sein Asylverfahren läuft noch und er lebt weiterhin in einer Flüchtlingsunterkunft im Unterallgäu. Er lebt derzeit von den bis zu 700 Euro, die er im Monat durch seine Arbeit in einem Supermarkt verdiene. Im August 2016 war der 25-Jährige wegen Nötigung zu einer geringen Geldstrafe verurteilt worden, die er bereits bezahlt hatte.

    Richterin Katharina Erdt verurteilte Taio U. nun wegen der teils gefährlichen Körperverletzungen, Sachbeschädigung, der falschen Verdächtigung und der Falschaussage vor dem Landgericht zu einer Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung. Der Nigerianer muss zudem 600 Euro an den Verein DaCapo zahlen, der psychisch kranke Menschen fördert.

    Erdt wertete neben seinem Geständnis als positiv für den Mann, dass den Handgreiflichkeiten immer Streitgespräche vorangegangen waren. Sie gab ihm aber auch mit auf den Weg, dass er sein Aggressionsproblem in den Griff bekommen müsse. „Sie dürfen sich nicht mehr provozieren lassen.“ Das Urteil ist rechtskräftig.

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