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Unterallgäu: Kuriose Faschingstraditionen von früher

Unterallgäu

Kuriose Faschingstraditionen von früher

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    Mal so richtig auf die Pauke hauen: Diese jugendlichen Fastnachts-Straßenmusikanten zogen um 1950 durch Pfaffenhausen.
    Mal so richtig auf die Pauke hauen: Diese jugendlichen Fastnachts-Straßenmusikanten zogen um 1950 durch Pfaffenhausen. Foto: Archiv Josef Hölzle

    Weil in den derzeit gedämpften Corona-Zeiten vom bunten Unterallgäuer Fasching nur geträumt werden kann, könnte ein Blick in frühere Zeiten beruhigend wirken. So ist es amüsant, nachzulesen, was unsere lieben Vorfahren mal unter einer lustigen Fasenacht verstanden haben.

    Deshalb seien ein paar alte Geschichtchen und Geschichten erzählt, die vielleicht weniger einen besonderen Grad des Frohsinns unserer Vorfahren, als vielmehr die kleinen Freuden armer Leute offenbaren. Sie stammen aus alten Zeiten, als man hier vom rheinischen Karneval noch nichts wusste und der eher zurückhaltende Menschenschlag des Alpenvorlands weniger auf die Pauke als auf die heimischen Schweinsblasen schlug.

    Zur Fastnacht durfte sich jeder Pfaffenhausener ein bis zwei Küchle beim Pfarrer abholen

    So gab es vor langer Zeit in Pfaffenhausen einen eigenartigen Brauch, bei dem es hieß: „Lustig ist die Fasenacht, wenn der Pfarrer Küchle bacht.“ Diesem Brauch nach durfte sich jeder Pfaffenhausener zur Fastnacht ein bis zwei Fastnachtsküchle beim Herrn Pfarrer abholen, um die zuvor der Bürgermeister für die ganze Gemeinde ehrerbietigst angehalten hatte. So bestimmte der Pfarrer den „Küchletag“ und der Gemeindediener glockte dann diese frohe Botschaft von Straße zu Straße aus. Das war eine wahrlich freudige Nachricht im Flecken und am Küchletag eilten alle Seelen des Marktes zum Pfarrhof, um sich das Butterschmalzgebäck abzuholen. Als Gegenleistung bekam der Pfarrer dann eine große Fuhre Brennholz aus dem Gemeindewald.

    Später „verflüssigte“ ein Pfarrer diesen Brauch und gab anstelle von Küchle jährlich ein Quantum Bier aus. Die Männer des Marktes erhielten am ersten Fastensonntag „vier Eimer Bier“ und die Frauen bekamen am Sonntag Lätare „zwei Eimer Bier“ bei einem Pfaffenhausener Bräuwirt.

    So stellten sich – offenbar männliche – Narren einst den Jungbrunnen für ihre Ehefrauen vor: Im Fasching war die Darstellung der „Altweibermühle“ beliebt.
    So stellten sich – offenbar männliche – Narren einst den Jungbrunnen für ihre Ehefrauen vor: Im Fasching war die Darstellung der „Altweibermühle“ beliebt. Foto: Archiv Josef Hölzle

    Fastnacht hin – Karneval her. Keinen Spaß verstand die Stadt Mindelheim im Jahre 1835 laut einer Bekanntmachung im Wochenblatt, als es schon so eine Art Ausgehverbote und viele Masken gab. Darin hieß es: „Da während des gegenwärtigen Karnevals Lehrjungen und noch schulpflichtige Kinder des Nachts maskiert in den Straßen herumlaufen und sich in Gasthäuser eindrängen oder sie aber erwachsenen Masken überall hin folgen, ergeht folgende Mahnung: Eltern, Lehrmeister und Dienstherrn dürfen nicht gedulden, dass diese Kinder in Maskenzügen nachts über die Straße gehen. Die Polizei- und Feuerwache war angehalten, zuwiderhandelnde Kinder und Dienstboten ohne weiteres aufzugreifen und zur polizeilichen Abhandlung anher anzuzeigen.“

    Masken und Verkleidungen durften in Mindelheim im Fasching nur zu bestimmten Tageszeiten getragen werden

    Ein paar Jahre danach wurden vom Stadtmagistrat Mindelheim „im Jenner 1842 bei eingetretener Faschingszeit polizeiliche Vorschriften zu Jedermanns Wissenschaft und Nachachtung bekannt gemacht“. Demnach durften Masken nur an bestimmten Tagen oder Tageszeiten gehen. Nicht geduldet wurde, „der Unfug, dass Kinder in allerlei Verkleidungen herumgehen, und nicht nur die Familien beunruhigen, sondern dabei einen förmlichen Bettel fröhnen“.

    Es war auch verboten, „eine Maske zu necken oder absichtlich zu beleidigen“. Ferner wurde verfügt: „An Freitagen finden öffentliche Belustigungen, Maskengänge und Tänze nicht, und an Donnerstagen, dann am Fastnachtsdienstage nur bis Mitternacht 12 Uhr statt.“

    „Lustig ist die Fasenacht, wenn die Bäu’rin Küachl bacht.“ Diese Karikatur von 1937 zeigt die Küchle-Ausgabe einer Bäuerin.
    „Lustig ist die Fasenacht, wenn die Bäu’rin Küachl bacht.“ Diese Karikatur von 1937 zeigt die Küchle-Ausgabe einer Bäuerin. Foto: Archiv Josef Hölzle

    Damals gab es ein Maskentreiben auf den Straßen und in Wirtschaften nur in den letzten zwei Wochen der Fastnachtszeit. Die Hanswurstel schwenkten Schweinsblasen. Weil die Jugendlichen damit immer wieder grob auf Kinder einschlugen, wurde das Treiben – wie aus Mindelheim berichtet wird – obrigkeitlich eingeschränkt.

    Im „Ursberger Josefsboten“ ist ein besonderes Stück alte Fastnacht beschrieben. Demnach zogen einst die lustigen Fastnachter – meist arme Leute aus dem Dorf – „mit Pauken- und Trompetenschall in buntscheckigem Wams und Zipfelmütze von Haus zu Haus und sangen Küchle bettelnd: „Holla, holla, drauf und dran, im Hornung geht die Fastnacht an: Fastnacht ist a lust’ge Zeit, die uns Gott vom Himmel geit“.

    Im Unterallgäu ging es an den letzten Faschingstagen traditionelle recht schmalzig zu

    Ansonsten ging es hier in der ländlichen Region an den letzten Fastnachtstagen ab dem „schmalzigen Samstag“ vor allem auch recht „schmalzig“ zu. Meist wurde bei den Bauern zur Fastnacht ein Schwein geschlachtet. Die Bäuerin durfte weder an Schmalz noch an Eiern sparen. So wurden überall Fastnachtskrapfen und -küchle in großen Mengen gebacken und freudig gegessen. Die umherziehenden Fastnachter in ihren drolligen Gewändern sind vermutlich auch der Ursprung unserer Maskenumzüge. Als sie einst von Hof zu Hof zogen und Schmalz oder Küchle bettelten, vereinigten sie sich manchmal auch zu kleinen Haufen und machten Unsinn. Üblich wurde dann in den Faschingstagen auch in jedem Dorf eine Tanzmusik. In Mindelheim musste anno 1842 laut Verordnung „jede Tanzmusik in allen Fällen eine Stunde vor dem Schlusse der Freinacht geendigt werden“.

    In alten Kalendern wurden die lustigen Fastnachtstage als „Narrenkirchweih“ bezeichnet, die drei Tage lang dauerte. Der Sonntag war Herren-, der Montag Bauern- und der Dienstag war „aller Narren-Fastnacht“.

    Es gab einst in manchen Orten auch Narrengerichte, Altweibermühlen, Fastnachtssprecher, Narrenrennen mit Larven und auch Hausfastnachten. Bei den vormals vermehrt aufgekommenen Umzügen wurden vor allem die Obrigkeit oder besondere lokale Anlässe zur Zielscheibe des Spotts.

    Mehr zum Fasching im Unterallgäu finden Sie hier:

    Neue MZ-Serie gestartet: "Fasching - jetzt erst recht!"

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