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Unterallgäu: Hausärzte hoffen auf mehr Impfstoff und weniger Bürokratie

Unterallgäu

Hausärzte hoffen auf mehr Impfstoff und weniger Bürokratie

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    Dr. Birgitt Mertin aus Donauwörth gehörte zu den ersten Hausärzten in Bayern, die Impfungen anboten. Die Nachfrage danach ist auch im Unterallgäu enorm. 	Der Nutzen beziehungsweise Schutz durch eine Impfung überwiegt bei Weitem das Risiko einer gravierenden Nebenwirkung.“
    Dr. Birgitt Mertin aus Donauwörth gehörte zu den ersten Hausärzten in Bayern, die Impfungen anboten. Die Nachfrage danach ist auch im Unterallgäu enorm. Der Nutzen beziehungsweise Schutz durch eine Impfung überwiegt bei Weitem das Risiko einer gravierenden Nebenwirkung.“

    Seit über einem Monat stehen in vielen Arztpraxen im Unterallgäu die Telefone nicht mehr still. Zu groß ist der Andrang derer, die bei ihrem Hausarzt geimpft werden wollen. Auch wir haben bei unseren Recherchen erfahren, wie belastet die Praxen sind: Oft gab es am Telefon kaum ein Durchkommen, viele Ärzte hatten keine Zeit für ein Gespräch. Drei haben sie sich aber doch genommen und aus ihrem Impfalltag berichtet.

    Dr. Helmut Vosdellen aus Dirlewang impft pro Woche während seiner regulären Sprechstunde zwischen 20 bis 30 Patienten. Sie seien sehr dankbar, wenn ihnen das Praxis-Team ein Impfangebot macht und die Impfbereitschaft sei durchweg groß. Wie in den Impfzentren als bislang auch in den Hausarztpraxen die Priorisierung. Das soll sich aber im Laufe der kommenden Woche ändern. Wie der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ankündigte, dürfen die Ärzte dann selbst entscheiden, wer die Impfung bekommen soll. „Es läuft alles reibungslos, mit den Mitteln, die wir zur Verfügung haben“, sagt Vosdellen, aber auch: „Mehr wäre sicherlich auch möglich, wenn wir genügend Impfstoff bekommen würden.“

    Die Unterallgäuer Hausärzte wissen nie, wie viel Impfstoff sie bekommen

    Doch genau das ist der Haken: „Wir wissen nie genau, welchen und wie viel Impfstoff wir bekommen“, sagt Vosdellen. Entsprechend schwierig ist es, die Woche zu planen und die Patienten einzuladen.

    Dieses Problem kennen auch Dr. Josef Nieberle und sein Team in Tussenhausen: Frühestens am Donnerstag stehe fest, wie viele der bestellten Impfdosen in der darauffolgenden Woche geliefert werden. „Wir erhalten immer wesentlich weniger Dosen, als wir bestellen können“, heißt es aus der Praxis. Dort würde man gerne die Kapazitäten hochfahren, um noch mehr Patienten gegen Corona impfen zu können. Doch ohne ausreichend Impfstoff sind dem Mediziner und seinem Team die Hände gebunden. Dabei stehen wie in Dirlewang auch in Tussenhausen die Telefone nicht mehr still. Die vielen Anfragen zu Corona-Impfungen und Schnelltests verlangen den Mitarbeitern derzeit viel ab. „Viele gehen lieber zum Hausarzt ihres Vertrauens als in ein Impfzentrum. Wir bekommen mehr Nachfragen, als wir impfen können“, heißt es aus der Praxis in Tussenhausen.

    Bislang werden bei den Hausärzten nur die Impfstoffe von Biontech und AstraZeneca verimpft, Moderna und den neu zugelassenen Johnson&Johnson haben sie bislang noch nicht bekommen. Doch nicht nur der knappe Impfstoff erschwert die Organisation: Oft müssen die Patienten mehrmals angerufen werden, wenn sie beim ersten Mal nicht erreichbar waren. Manche waren zudem bereits im Impfzentrum, weil sie dort schneller einen Termin bekommen haben.

    Hinzu kommt die Bürokratie, die Vosdellen als „nervtötend“ und „unsinnig“ bezeichnet: „Die Arbeit wird durch diese bürokratischen Hürden noch mehr erschwert. Die Patienten müssen einige Unterschriften leisten, was auch anders und schneller gelöst werden könnte.“ Allein die Aufkleber für den Impfpass musste er mit seinem Team selbst designen und anschließend drucken.

    Viele Unterallgäuer schrecken vor einer Impfung mit AstraZeneca zurück

    Auch die Mindelheimer Allgemeinärztin Dr. Stefanie Schnackenburg versucht, die Impfungen im normalen Praxisalltag unterzubringen. „Seit Beginn der Hausarzt-Impfkampagne ist meist die erste Frage unserer Patienten, welchen Impfstoff wir Praxen bekommen“, erzählt die Allgemeinmedizinerin. Die Skepsis gegenüber dem AstraZeneca-Impfstoff habe durch die negativen Berichte in den Medien in Verbindung mit dem Richtungswechsel, wer für den Impfstoff „geeignet“ ist, stark zugenommen. Dagegen sei bei Biontech immer eine große Akzeptanz zu spüren.

    „Die Politik, die das Zepter für die AstraZeneca-Impfungen nun ganz an die Hausärzte übergeben möchte, macht es sich dabei recht einfach“, meint Dr. Schnackenburg. „Wir schauen genau hin, wer für den Impfstoff vom Alter und der individuellen Anamnese her infrage kommt.“ Dabei hält sich Dr. Schnackenburg vor allem auch an die aktuelle Stiko-Empfehlung, keine unter 60-Jährigen damit zu impfen. „Trotzdem mussten meine Helferinnen schon mal zwei Stunden telefonieren, um zehn Impfwillige für AstraZeneca zu gewinnen“, erzählt sie und stellt klar: „Der Nutzen beziehungsweise Schutz durch eine Impfung überwiegt bei Weitem das Risiko einer gravierenden Nebenwirkung oder schwer an Corona zu erkranken.“

    Bei ihr werde niemand zu einer Impfung oder einem Impfstoff überredet und die meisten seien einfach froh, wenn sie endlich an der Reihe sind. Eine Patientin habe ihr am Impftermin gesagt, dass dies für sie ein Festtag wie Weihnachten und Ostern zusammen sei. Die Skeptiker und Impfgegner sind in ihrer Praxis eher in der Unterzahl.

    Nach Ansicht der Mindelheimer Ärztin Dr. Stefanie Schnackenburg hätten die Hausärzte früher eingebunden werden sollen

    Dr. Schnackenburg bemängelt, dass die Hausärzte nicht früher eingebunden wurden, was vermutlich auch daran liege, dass die Impfstofflieferungen nur sehr schleppend in Gang gekommen sind. Damit das nicht auch für die Impfungen in ihrer Praxis gilt, können sich die Patienten die Unterlagen bereits in aller Ruhe zuhause durchlesen und dann bereits unterschrieben zum Termin mitbringen. Falls es noch offene Fragen gibt, können diese in der Praxis schnell geklärt werden.

    Die Mediziner bitten alle, die sich beim Hausarzt auf die Warteliste haben setzen lassen und dann im Impfzentrum früher einen Termin bekommen haben, sich wieder von der Hausarzt-Liste streichen zu lassen. So können unnötige Anrufe vermieden werden. Zudem raten sie, sich nicht nur beim Hausarzt, sondern auch beim Impfzentrum anzumelden. Denn dort kann nach wie vor am schnellsten und dank der jetzt zugesagten Impfstoff-Sonderkontingente am meisten geimpft werden.

    „Impfungen retten uns aus der momentanen Situation und wir kommen aus dem Dilemma nur wieder raus, wenn sich viele Menschen impfen lassen“, heißt es aus der Praxis Dr. Nieberle.

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