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Unterallgäu: "Click & Collect": Der letzte Strohhalm für Unterallgäuer Einzelhändler im Lockdown

Unterallgäu

"Click & Collect": Der letzte Strohhalm für Unterallgäuer Einzelhändler im Lockdown

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    "Click & Collect": Der letzte Strohhalm für Unterallgäuer Einzelhändler im Lockdown
    "Click & Collect": Der letzte Strohhalm für Unterallgäuer Einzelhändler im Lockdown Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa (Symbolbild)

    Bernadette Rinkenburger musste wie viele Einzelhändler ihr Juweliergeschäft in Mindelheim kurz vor Weihnachten schließen. „Uns ist die umsatzstärkste Woche des Jahres weggebrochen“, beklagt sie. Ihre Mitarbeiterinnen sind derzeit in Kurzarbeit. Rinkenburger versucht derzeit, ihr Geschäft alleine aufrecht zu erhalten. Dabei hat sie sich eine besondere Aktion einfallen lassen.

    Ihre Kunden können das gewünschte Schmuckstück im Schaufenster mit dem Smartphone fotografieren und das Bild ihr über Whatsapp schicken. Rinkenburger liefert dann persönlich aus. Dieser Service werde zwar angenommen, sagt sie, doch „das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“

    "Click & Collect": So funktioniert´s

    Bis mindestens Ende Januar dürfen die Einzelhändler in Bayern ihre Läden nicht regulär öffnen, der harte Lockdown wurde diesbezüglich verlängert. Aber es gibt nun eine Ausnahme: Ab Montag besteht die Möglichkeit von „Click & Collect“ beziehungsweise „Call & Collect“. Klingt kompliziert, ist aber ganz einfach: Man bestellt beim Händler seines Vertrauens auf der Homepage oder am Telefon und kann die Ware persönlich abholen. Wir haben mit Einzelhändlern über den verlängerten Lockdown gesprochen und wie es nun weitergehen soll.

    Die neue Situation sei aber kein Vergleich zur regulären Ladenöffnung, sagt Rinkenburger. Normalerweise schauen sich Kunden im Geschäften um, lassen sich inspirieren oder probieren spontan aus. Die neue von der bayerischen Staatsregierung erlassene Möglichkeit der Abholung hilft ihr und anderen Einzelhändlern nur bedingt.

    Wörishofer Modehändler kritisiert bayerische Staatsregierung

    Als „viel zu spät“ beschreibt Hubert Böser vom Modehaus Ländle in Bad Wörishofen „Click & Collect“. „Das ist doch schizophren“, sagt er und bezeichnet den politischen Kurs als „Hickhack“ und „praxisfremd“. Andere Bundesländer haben „Click & Collect“ schon vor einigen Wochen genehmigt. Viel Geld hat Böser in Desinfektionsspender oder Plexiglasscheiben investiert, hat ein Hygienekonzept ausgearbeitet.

    Wirtschaftlich sieht Böser seinen Betrieb trotz Corona gut aufgestellt. „Wir haben gut gewirtschaftet und uns etwas aufgebaut.“ Doch Eigenkapital, welches für Umbauten oder andere Investitionen bestimmt war, müsse nun verwendet werden, um finanzielle Löcher zu stopfen. „Ich kenne Kollegen, die haben Rechnungen der letztjährigen Sommerware noch nicht bezahlt.“

    Der direkte Kontakt zu den Kunden ist wichtig

    Das Mode- und Schuhgeschäft Weissenhorn in Pfaffenhausen hat früh erkannt, dass ein Internetauftritt wichtig ist. Geschäftsführerin Chiara Jakob sagt: „Wir haben vor elf Jahren den Online-Shop eingerichtet, aktualisieren ihn ständig und pflegen unseren Internetauftritt in den sozialen Netzwerken.“ Zwar sei das wirtschaftliche Standbein des Unternehmens immer noch der stationäre Handel, doch werde das Onlinegeschäft relevanter, gerade in Corona-Zeiten.

    Auf „Click & Collect“ ist Weissenhorn also gut vorbereitet. Einige Kunden haben sich am Freitag erkundigt, wie die Abholung ab Montag funktioniert, erzählt Jakob. „Wir haben unseren Online-Shop aktualisiert und bieten nun die Auswahlmöglichkeit der Selbstabholung an.“ Jakob freut sich, dass sie ihre Kunden wieder im Laden persönlich empfangen darf. Der direkte, zwischenmenschliche Kontakt sei wichtig, sagt sie.

    Weinflasche ja, Blumenstraß nein: kuriose Szenen in Nassenbeuren

    Gabi Birkle hat in Nassenbeuren einen Blumenladen mit integriertem Café. Sie ist erleichtert, dass es von Montag an möglich ist, Blumen abholen zu können. Sie sagt: „Schön wäre es gewesen, wenn das schon vor Weihnachten gegolten hätte.“

    Weil Birkles Mann Fritz CSU-Stadtrat in Mindelheim ist, hat sie zusammen mit ihm versucht, auf politischer Ebene Druck zu machen. Weil Gabi Birkle auch Wein verkauft, kam es zu kuriosen Situationen in ihrem Laden: Sie durfte zwar ihren Kunden eine Flasche Wein verkaufen, eine Blume aber nicht - zumindest nicht im Laden.

    Ungleichbehandlung: Die einen Läden haben offen, die anderen nicht

    Für den Mindelheimer Buchhändler Herbert Thurn ist die neue Abhol-Regel eine Frage der Gerechtigkeit. „Wir durften bisher nur ausliefern, bei der Gastronomie konnte man dagegen abholen.“ Etwa im Versandhandel habe es vor den Paketstationen lange Schlangen gegeben, da habe keiner etwas gesagt, beklagt Thurn. Er freue sich, dass der Einzelhandel endlich Gleichbehandlung erfährt.

    „Click & Collect“ ist Thurns Ansicht nach zwingend nötig, um das teilweise fast zum Erliegen gekommene Geschäft der Einzelhändler wiederzubeleben. Die Auslieferung auf Rechnung sei wegen des Mehraufwands ein Nullsummenspiel, besonders im Buchhandel, sagt er. „Das machen wir eigentlich nur, um unsere bestehenden Kunden zu halten.“

    Obwohl das neue Jahr gleich mit der Lockdown-Verlängerung losgeht, bleibt der Buchhändler gelassen. „Wir müssen das ganze Jahr sehen. 2020 war für uns Buchhändler unter dem Strich ein gutes Jahr.“ Aber seine Branche sei nicht repräsentativ.

    Lesen Sie auch unseren Kommentar: Die Wochen der Wahrheit für den Einzelhandel

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