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Unterallgäu: Abi im „ganz normalen Pandemie-Wahnsinn“

Unterallgäu

Abi im „ganz normalen Pandemie-Wahnsinn“

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    Spaß im Abi-Endspurt: Die Schüler des Maristenkollegs in Mindelheim hatten Mottowochen, in denen mal alle in Tracht kamen oder auch als Gangster.
    Spaß im Abi-Endspurt: Die Schüler des Maristenkollegs in Mindelheim hatten Mottowochen, in denen mal alle in Tracht kamen oder auch als Gangster.

    Am morgigen Dienstag wird es ernst: Die erste Abiturklausur steht auf dem Plan. Nach einem ganz und gar ungewöhnlichen Corona-Schuljahr treten auch in Mindelheim die jungen Leute zur Reifeprüfung an. Eine von ihnen ist Pauline May, die ihre Erfahrungen in den letzten Wochen vor dem Abi für uns zusammengefasst hat.

    Mindelheim Sechste Stunde, Mathe. Andreas Meidert, Lehrer am Maristenkolleg Mindelheim, wendet sich an seine Klasse: die befindet sich zum Teil im Präsenzunterricht an der Schule, zum Teil in dem kleinen Laptop, den Meidert auf dem Tageslichtprojektor positioniert hat. Von den Gestalten im Laptop, „den Knöpfen“ wie Meidert die Daheimgebliebenen aufgrund der Miniaturansicht liebevoll nennt, bekommen die Schüler im Präsenzunterricht nur wenig mit. Meistens bleiben „die Knöpfe“ stumm, ab und an werfen sie ein „Herr Meidert, wir sehen nichts, können Sie uns verschieben?“ ein oder ein „können Sie uns umdrehen, damit wir winken können?“ und das macht Andreas Meidert dann meistens. Dann winkt zunächst diese eine Person im Laptop, die sich immer mit Bild zuschaltet und sich in jeder Stunde aktiv beteiligt, die anderen „Knöpfe“ bleiben stumm, dann winken alle Schüler, die sich im Klassenzimmer befinden, und danach sind alle für einen Moment glücklich. „Ganz normaler Pandemiewahnsinn“, kommentiert Meidert.

    Dieser „ganz normale Pandemiewahnsinn“ war in den vergangenen Wochen häufig Alltag für die Schüler und Schülerinnen der Q12 des Maristenkollegs, die sich gerade mitten in der „heißen Phase“ der Abiturvorbereitung befinden, wie Rainer Göppel die Zeit kurz vor den Prüfungen bezeichnet. Der Oberstufenkoordinator berichtet, dass „gerade für technikaffine Schüler“ die Abiturvorbereitung sehr gut laufe. Auch sonst sei man im Allgemeinen im Zeitplan. Dies sei vor allem der guten technischen Ausstattung des Maristenkollegs zu verdanken: „Unsere Lernplattform Teams hat im Gegensatz zu Mebis von Anfang an funktioniert, wir Lehrkräfte hatten, teils online, Fortbildungen zu digitalen Themen und wir haben am Maristenkolleg Kollegen, an die wir uns bei technischen Problemen wenden können. Die Schule konnte außerdem für Schüler ohne technische Ausstattung zuhause Leihlaptops zur Verfügung stellen.“

    Spaß im Abi-Endspurt: Die Schüler des Maristenkollegs in Mindelheim hatten Mottowochen, in denen mal alle in Tracht kamen oder auch als Gangster.
    Spaß im Abi-Endspurt: Die Schüler des Maristenkollegs in Mindelheim hatten Mottowochen, in denen mal alle in Tracht kamen oder auch als Gangster. Foto: May

    Eine Problematik sei allerdings der Druck, der auf Schülern und Lehrkräften laste. „Wir Lehrkräfte wollen alle mitnehmen – um dieses Ziel zu erreichen ist der Zeitaufwand, den die meisten Kollegen für den Unterricht aufwenden, noch intensiver als ohnehin schon“, erzählt der Kollege Göppels, Gerhard Wegst.

    Grundsätzlich sind sowohl Göppel als auch Wegst mit Blick auf das Abitur dennoch optimistisch: „Es ist ein Geben und Nehmen zwischen Schülern und Lehrern – wenn alle ihren Beitrag leisten, wird das!“, betont Göppel. Unter den Schülern finden sich viele, die diesen Optimismus zwar teilen, das Thema Abitur prinzipiell jedoch auch sehr zwiegespalten sehen. So erzählt Helena Hacker, Schülerin der Q12: „Manchmal habe ich das Gefühl, wir sind unglaublich benachteiligt und dann gibt es Momente, in denen ich sehe, dass wir sogar Vorteile durch die Pandemie haben.“

    "Die Reise, auf die ich seit zwei Jahren spare, wird es wahrscheinlich nicht geben", sagt eine Schülerin

    Ihr sei durch die Homeschoolingphasen, die die Abiturvorbereitung prägten, viel Stress, gerade bezüglich des Notendrucks, genommen worden, den sie im ersten Halbjahr noch hatte. Auch betreut fühlt sich die Schülerin im Allgemeinen gut: „Im Großen und Ganzen sind die Lehrer superverständnisvoll, rücksichtsvoll und geduldig mit uns. Sie wollen uns schon alle bestmöglich unterstützen.“

    Aber es hätte in den langen Wochen der Abiturvorbereitung auch Tage gegeben, an denen die Motivation ganz weg gewesen sei, weil sich alles so fern und unkonkret angefühlt hatte: „Ich meine, was können wir nach dem Abitur Tolles machen? Die Reise, auf die ich seit zwei Jahren spare, wird es wahrscheinlich nicht geben.“

    Spaß im Abi-Endspurt: Die Schüler des Maristenkollegs in Mindelheim hatten Mottowochen, in denen mal alle in Tracht kamen oder auch als Gangster.
    Spaß im Abi-Endspurt: Die Schüler des Maristenkollegs in Mindelheim hatten Mottowochen, in denen mal alle in Tracht kamen oder auch als Gangster. Foto: May

    Sorge, dass sie das Abitur nicht bestehen könnte, hat die 18-Jährige nicht. „Ich weiß, dass ich durchkommen werde. Ich kann sehr gut allein lernen und mir macht es oft sogar mehr Spaß, Sachverhalte auf meine Weise zu begreifen. In der Hinsicht fühle ich mich freier als sonst. Fast wie eine Studentin.“ Aber sie wisse auch, dass es anderen Schülern da anders gehe als ihr, die sich viel mehr Sorgen machen müssten.

    „Was mich aktuell eher belastet sind die Nachteile, was die Gemeinschaft angeht. Wir waren nur ein Halbjahr wirklich in der Schule. Wir waren weder auf Studienfahrt noch wird es eine Abschlussfahrt geben. Auf einen Abiball können wir nur hoffen. Klar hätten wir alle gern ein normales Abitur und klar wünschen wir uns alle unsere Freiheit zurück – wir sind nun mal nur einmal 18.“

    Neben der Vorbereitung auf das Abitur haben manche auch mit Problemen zu kämpfen, die durch die Corona-Pandemie entstanden sind

    Allerdings sei ihr sehr bewusst, dass das eben doch eher Luxusprobleme seien. „Ich persönlich bin in einer unproblematischen Position. Ich merke aber, wie manche Freunde und Freundinnen mit psychischen Problemen kämpfen und dazu zusätzlich ihr Abitur machen. Oder ich sehe, wie sehr andere Schüler und Schülerinnen mit dem Schulstoff zu kämpfen haben.“

    „Die Pandemie verstärkt die ohnehin existierende Chancenungleichheit noch, bedroht wirtschaftliche Existenzen, isoliert sozial, erzeugt Verlustängste und das alles vor dem Hintergrund, dass Menschen an Corona sterben“, fügt ihre Mitschülerin Alicia Schneider an. „Von diesen psychischen Belastungen sind auch wir Schüler nicht frei. Und ich finde, das sollte man beachten, bevor man unser Abi als wertloses Coronaabi bezeichnet.“

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