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Unterallgäu: 85 Mal häusliche Gewalt: Wenn Männer ihre Frauen schlagen

Unterallgäu

85 Mal häusliche Gewalt: Wenn Männer ihre Frauen schlagen

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    „Ich bin die Treppe heruntergefallen“, sagt die Frau – doch in Wirklichkeit stammen ihre blauen Flecken und anderen Verletzungen von einem prügelnden Partner.
    „Ich bin die Treppe heruntergefallen“, sagt die Frau – doch in Wirklichkeit stammen ihre blauen Flecken und anderen Verletzungen von einem prügelnden Partner. Foto: Weizenegger

    Gewalt gegen Frauen gehört zu den Themen im Unterallgäu, die nur allzu gerne verdrängt werden. Viele wollen nicht wahrhaben, dass Frauen hier auf dem Land von ihren Männern geschlagen und sexuell missbraucht werden. Und wer mitbekommt, dass es in der Nachbarschaft zwischen Eheleuten öfter mal lautstark zugeht, will es meist nicht so genau wissen. Nicht selten wagen es Betroffene erst nach Jahren des Martyriums Hilfe zu suchen. Erst kürzlich hat eine ältere Frau die Notrufnummer des Frauenhauses in Memmingen gewählt und gesagt: „Ich habe 20 Jahre ausgehalten. Jetzt sind die Kinder groß. Jetzt bin ich mutig.“ Zum ersten Mal hat sie es gewagt, Hilfe zu suchen.

    Es gibt viele solcher Geschichten im Frauenhaus in Memmingen

    Elisabeth Egg könnte viele solcher Geschichten erzählen, hinter denen Leid und Elend stecken. Egg ist seit zwölf Jahren Beraterin beim Frauenhaus Memmingen, das nicht nur für die kreisfreie Stadt zuständig ist, sondern auch für den Landkreis Unterallgäu. Beide Gebietskörperschaften finanzieren die Einrichtung, und auch der Freistaat Bayern gewährt einen Zuschuss. Dennoch ist das Frauenhaus auf Spenden angewiesen, zumal die Mitarbeiterinnen auch in Schulen Aufklärungsarbeit leisten.

    Egg rät, genauer hinzusehen. Wer bei Nachbarn mitbekommt, dass es dort mal laut zugeht, sollte gelegentlich sagen, dass es aber zuletzt etwas laut war. Dann wüssten diese, dass der Streit wahrgenommen werde. Beim nächsten Mal könnte ja die Polizei verständigt werden.

    Häufig machen sich die Frauen Vorwürfe, obwohl sie selbst das Opfer sind

    Jede Frau hat ihre eigene Geschichte. Und oft machen sie sich selbst Vorwürfe. Elisabeth Egg hat schon gehört, dass Frauen sich die Schuld für Konflikte gegeben haben, weil sie zu viel Geld ausgegeben oder das Essen nicht warm genug auf den Tisch gestellt hätten. Umso wichtiger ist Hilfe, dass die Frauen aus diesem Teufelskreis von Gewalt und Unterdrückung herausfinden. „Sobald die Frauen bei uns sind, geht es bergauf.“ Oft kommen sie mit ihren Kindern.

    Die Polizei hat im ersten Halbjahr 85 Fälle häuslicher Gewalt im Landkreis Unterallgäu registriert. Das ist die übliche Fallzahl hier. Zum jetzigen Zeitpunkt sei kein „signifikanter Trend nach oben oder unten erkennbar“, erklärte der Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West, Dominic Geißler. Fachleute hatten wegen Corona eine Zunahme erwartet, weil sich die Menschen vermehrt zuhause aufhalten.

    Das hat sich seit Corona geändert

    Beim Frauenhaus Memmingen haben die Beraterinnen aber eines festgestellt: Die Zahl der Anruferinnen, die ambulant um Hilfe nachsuchen, sei seit Ausbruch von Corona deutlich nach oben geschnellt, sagt Egg. Auch online meldeten sich immer mehr Frauen. Ausdrücklich lobt Egg auch die gute Zusammenarbeit mit den Polizeidienststellen im Landkreis.

    Bei häuslicher Gewalt sollte immer die Polizei gerufen werden, rät Egg. Die Beamten könnten ein Kontaktverbot auf bestimmte Zeit aussprechen. Und der Täter kann der Wohnung verwiesen werden.

    Hilfe suchen vor allem deutsche Frauen, die von deutschen Männern geschlagen werden, sagt Egg. Frauen aus migrantischen Familien hätten oft gar nicht die Chance, „mit uns zu reden“. Die Sprachprobleme sind dabei noch die geringste Sorge. Die lassen sich über einen zugeschalteten Dolmetscher rasch in den Griff bekommen. Viel schwerwiegender ist die familiäre Kontrolle, die den Frauen zu wenig Freiraum lässt.

    Sieben Frauen können im Memminger Frauenhaus Unterschlupf finden

    Sieben Plätze bietet das Memminger Frauenhaus, das vom Verein zum Schutz misshandelter Frauen und Kinder getragen wird. Bis vor wenigen Wochen waren es lediglich fünf und ein Notzimmer. Landkreis und Stadt Memmingen haben anerkannt, dass dringend weiterer Platz geschaffen werden muss, zumal es schwierig für die Frauen ist, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Einzelne Frauen leben manchmal monatelang im Frauenhaus, weil sie auf dem Wohnungsmarkt nichts finden.

    Corona hat die Lage in gewisser Weise verschärft. Viele Frauenhäuser konnten keine Personen mehr aufnehmen, da Neuzugänge erst einmal 14 Tage isoliert werden mussten. Deshalb wurden oft Notunterkünfte bereitgestellt, berichtet die Polizei. Dies geschah beispielsweise durch Akquise von Hotelzimmern, die in dieser Zeit leer standen.

    Elisabeth Egg arbeitet im Frauenhaus Memmingen.
    Elisabeth Egg arbeitet im Frauenhaus Memmingen.

    Die Auslastung im Vorjahr lag bei 89 Prozent bei den Frauenplätzen und bei 86 Prozent bei jenen für Kinder. Die Adresse des Hauses bleibt zum Schutz der Frauen und der Mitarbeiterinnen anonym. Wenn Frauen in dem Haus Zuflucht suchen, sollen sie als erstes ihr Handy ausschalten und die Sim-Karte abgeben. Denn nur so könne verhindert werden, dass gewalttätige Männer ihre Frauen aufspüren können.

    Warum ein Frauenhaus eine absolute Notwendigkeit ist

    Die Frauen kommen mit einem ganzen Rucksack voller Probleme und Sorgen. Von was soll ich leben? Wie wird das mit dem Umgangsrecht? Sie kommen übrigens aus allen Schichten der Bevölkerung. Es ist also keineswegs so, dass es nur ärmere Frauen sind, die im Frauenhaus Zuflucht vor ihren Männern suchen. Und sie kommen aus allen Altersschichten. 18-Jährige sind genauso betroffen wie Rentnerinnen. Für Elisabeth Egg ist das oft nur schwer zu ertragen. Aber sie weiß auch: Das Frauenhaus ist eine absolute Notwendigkeit. Leider.

    Kontakt zum Frauenhaus gibt es unter der Notfallnummer 08331/4644 (rund um die Uhr erreichbar), per Mail info@frauenhaus-memmingen.de oder im Internet unter www.frauenhaus-memmingen.de

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